Neugotik: Unterschied zwischen den Versionen

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Gotische und neugotische Kirchen erhielten im 19. Jahrhundert oft dem Stil angepasste Ausstattungselemente. Diese wurden später  "Schreinergotik" genannt. Der Begriff wurde zunächst abwertend für Kirchenmobiliar, das den Stil der Gotik imitiert, gebraucht. Die Objekte, wie Altäre, Kanzeln, Kommunion- und Kirchenbänke und Orgelprospekte sind aus flächigen Grundelementen aufgebaut, die von Schreinern geschaffen wurden und auf denen anschließend aufwändige Schnitzereien angebracht wurden. Diese Elemente sind in der Regel aufwändig gefasst und teilweise mit Blattgold verziert.
Gotische und neugotische Kirchen erhielten im 19. Jahrhundert oft dem Stil nachempfundene Ausstattungselemente. Diese wurden später  "Schreinergotik" genannt. Der Begriff wurde zunächst abwertend für Kirchenmobiliar, das den Stil der Gotik imitiert, gebraucht. Die Objekte, wie Altäre, Kanzeln, Kommunion- und Kirchenbänke und Orgelprospekte sind aus flächigen Grundelementen aufgebaut, die von Schreinern geschaffen wurden und auf denen anschließend aufwändige Schnitzereien angebracht wurden. Diese Elemente sind in der Regel aufwändig gefasst und teilweise mit Blattgold verziert.


In den 1950er und 1960er Jahren wurden viele Einrichtungsstücke dieser Art bei der „Purifizierung“, d. h. der Entfernung stilfremder Elemente im Zuge der Denkmalpflege und der Restaurierung der Kirchen entfernt und vernichtet. Andreas Menrad bezeichnet dieses Vorgehen im Sinne der Denkmalpflege als gedankenlosen Vandalismus. <ref>[https://de.wikipedia.org/wiki/Schreinergotik Schreinergotik] (Wikipedia)</ref>  
In den 1950er und 1960er Jahren wurden viele Einrichtungsstücke dieser Art bei der „Purifizierung“, d. h. der Entfernung stilfremder Elemente im Zuge der Denkmalpflege und der Restaurierung der Kirchen entfernt und vernichtet. Andreas Menrad bezeichnet dieses Vorgehen im Sinne der Denkmalpflege als gedankenlosen Vandalismus. <ref>[https://de.wikipedia.org/wiki/Schreinergotik Schreinergotik] (Wikipedia)</ref>  
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Die katholische Kirche [[Johanneskirche|St. Johannes Evangelist]] wurde 1875-78 von Hofbaumeister Joseph von Egle erbaut. Sie ist  stilistisch ein typischer Vertreter der neugotischen Kirchenbaukunst. Auffällig sind die Anklänge an die mittelalterlichen Bettelordenskirchen, insbesondere an die Dominikanerkirche St. Paul in Esslingen am Neckar.  
Die katholische Kirche [[Johanneskirche|St. Johannes Evangelist]] wurde 1875-78 von Hofbaumeister Joseph von Egle erbaut. Sie ist  stilistisch ein typischer Vertreter der neugotischen Kirchenbaukunst. Auffällig sind die Anklänge an die mittelalterlichen Bettelordenskirchen, insbesondere an die Dominikanerkirche St. Paul in Esslingen am Neckar.  


Das Corpshaus der Studentenverbindung [[Rhenania]] wurde 1885 von [[Adolf Katz]] als neugotische Burgenarchitektur in Anlehnung an die Theorie des französischen Restaurators Eugène Viollet-le-Duc (1814–1879)erbaut. Es ist auch das erste speziell für eine Verbindung erstellte Haus in Tübingen und eines der ersten in Deutschland. Die Erweiterung von 1911 folgt moderneren Gestaltungsprinzipien.  
Das Corpshaus der Studentenverbindung [[Rhenania]] wurde 1885/86 von [[Adolf Katz]] in neugotischen Formen mit Reminiszenzen an Burgarchitektur in Anlehnung an die Theorie des französischen Restaurators Eugène Viollet-le-Duc (1814–1879) errichtet.<ref>''Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Dehio''. Baden-Württemberg, Teil II. - München, Berlin 1997</ref> Es ist auch das erste speziell für eine Verbindung erstellte Haus in Deutschland. Die Erweiterung von 1911 folgt teilweise moderneren Gestaltungsprinzipien.  


Auch die [[Stiftskirche]] war z.T. mit "Schreinergotik" ausgestattet, z.B. ein Altar und die ehemaligen Emporen. Beides wurde bei der Renovierung 1966 entfernt. Der Altar befindet sich heute in einem Raum des Turms.  
Auch die [[Stiftskirche]] war z.T. mit "Schreinergotik" ausgestattet, z.B. ein Altar und die ehemaligen Emporen. Beides wurde bei der Renovierung 1962-65 entfernt. Der Altar befindet sich heute hinter einem Gatter im Turm.  




===Beispiele===  
===Beispiele===  
*[[St.-Aegidius-Kirche Hirschau]] (neugotischer Umbau des Kirchenschiffs 1852)  
*[[St.-Aegidius-Kirche Hirschau]] (neugotischer Umbau des Kirchenschiffs 1852, neugotische Altäre 1948 entfernt)  
*[[Johanneskirche]] (1875-78)  
*[[Johanneskirche]] (1875-78)  
*Ehemalige Ausstattungen der [[Stiftskirche]]: bei der Renovierung 1966 entfernt  
*Ehemalige Ausstattungen der [[Stiftskirche]]: bei der Renovierung 1962-65 entfernt  
*[[Rhenania|Corps Rhenania]] (1885), Altbau
*[[Rhenania|Corps Rhenania]], Altbau (1886/1892)  
*[[Kirche der Michael Hahn’schen Gemeinschaft]] (1885), ehemalige Salemskirche der Methodisten  
*[[Kirche der Michael Hahn’schen Gemeinschaft]] (1885), ehemalige Salemskirche der Methodisten  
*[[Stadtmauer]]-Nachbau an der [[Mühlstraße]], 1885  
*[[Stadtmauer]]-Nachbau an der [[Mühlstraße]] (1885-87) 
*[[Mühlstraße]] 12: Nur dieses Haus in der Reihe von 7 Gebäuden im "Nürnberger Stil" zeigt neugotische Formen, die anderen sind der [[Neorenaissance]] zuzurechnen.
*[[Mühlstraße]] 12: Nur dieses Haus in der Reihe von 7 Gebäuden im "Nürnberger Stil" zeigt teilweise neugotische Formen, die anderen sind der [[Neorenaissance]] zuzurechnen (1902)
 
*[[Schottland|Landsmannschaft Schottland]] (1905): Spitzbogenfries, ansonsten Neorenaissance


==Fotos==  
==Fotos==  
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Datei:Aegidiuskirche Hirschau 1.jpg|Ägidiuskirche Hirschau
File:Historisches Foto der Johanneskirche in Tübingen.JPG|Johanneskirche, Turm
Datei:Johanneskirche in Tübingen.jpg|Johanneskirche  
Datei:Johanneskirche in Tübingen.jpg|Johanneskirche  
File:St Johannes Tübingen (10).jpg|Johanneskirche, Chor
File:St Johannes Tübingen (3).jpg|St. Johannes, Mittelschiff
File:Tübingen St.Johannes Evangelist BW 2015-04-27 16-31-52.jpg|Drei Kirchenschiffe und Chor
File:St Johannes Tübingen.jpg|St. Johannes innen mit Orgel  
File:St Johannes Tübingen.jpg|St. Johannes innen mit Orgel  
Datei:Corpshaus Rhenania Tübingen 2007.jpg|Corps Rhenania  
Datei:Corpshaus Rhenania Tübingen 2007.jpg|Corps Rhenania  
File:Eingangstor des Parks zum Corps Rhenania in Tübingen.jpg|Rhenania, Parkseite mit neugotischen Spitzbögen
Datei:Kirche der Hahnschen Gemeinschaft.jpg|Kirchlein der Hahn'schen Gemeinschaft  
Datei:Kirche der Hahnschen Gemeinschaft.jpg|Kirchlein der Hahn'schen Gemeinschaft  
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==Quellen==  
==Quellen==  

Aktuelle Version vom 25. September 2022, 19:47 Uhr

Johanneskirche, Westwerk

Die Neugotik, auch Neogotik oder Gothic Revival genannt, ist ein auf die Gotik zurückgreifender historistischer Kunst- und Architekturstil des 19. Jahrhunderts. Die Neugotik zählt zu den frühesten stilistischen Unterarten des Historismus, der auf Kunst- und Architekturstile der vorausgegangenen zwei Jahrtausende zurückgriff.

Im Mittelpunkt der Verbreitung der Neugotik stand ein umfassendes Bau- und Einrichtungsprogramm, das bis in die Literatur und den Lebensstil Einzug hielt. Die Formensprache der Neugotik orientierte sich an einem idealisierten Mittelalterbild. Ihre Blüte hatte sie in der Zeit von 1830 bis 1900. Unter der Auffassung, an Freiheit und Geisteskultur mittelalterlicher Städte anzuknüpfen, errichtete man in neugotischem Stil vor allem Kirchen, Parlamente, Rathäuser und Universitäten, aber auch andere öffentliche Bauten wie Postämter, Schulen, Brücken oder Bahnhöfe.

Nach Erwin Panofsky war das Gothic Revival von einer romantischen Sehnsucht nach einer nicht mehr zurückzuholenden Vergangenheit geprägt, wohingegen die Renaissance danach getrachtet habe, dem Alten eine neue Zukunft abzugewinnen. [1]


Gotische und neugotische Kirchen erhielten im 19. Jahrhundert oft dem Stil nachempfundene Ausstattungselemente. Diese wurden später "Schreinergotik" genannt. Der Begriff wurde zunächst abwertend für Kirchenmobiliar, das den Stil der Gotik imitiert, gebraucht. Die Objekte, wie Altäre, Kanzeln, Kommunion- und Kirchenbänke und Orgelprospekte sind aus flächigen Grundelementen aufgebaut, die von Schreinern geschaffen wurden und auf denen anschließend aufwändige Schnitzereien angebracht wurden. Diese Elemente sind in der Regel aufwändig gefasst und teilweise mit Blattgold verziert.

In den 1950er und 1960er Jahren wurden viele Einrichtungsstücke dieser Art bei der „Purifizierung“, d. h. der Entfernung stilfremder Elemente im Zuge der Denkmalpflege und der Restaurierung der Kirchen entfernt und vernichtet. Andreas Menrad bezeichnet dieses Vorgehen im Sinne der Denkmalpflege als gedankenlosen Vandalismus. [2]


Tübingen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die katholische Kirche St. Johannes Evangelist wurde 1875-78 von Hofbaumeister Joseph von Egle erbaut. Sie ist stilistisch ein typischer Vertreter der neugotischen Kirchenbaukunst. Auffällig sind die Anklänge an die mittelalterlichen Bettelordenskirchen, insbesondere an die Dominikanerkirche St. Paul in Esslingen am Neckar.

Das Corpshaus der Studentenverbindung Rhenania wurde 1885/86 von Adolf Katz in neugotischen Formen mit Reminiszenzen an Burgarchitektur in Anlehnung an die Theorie des französischen Restaurators Eugène Viollet-le-Duc (1814–1879) errichtet.[3] Es ist auch das erste speziell für eine Verbindung erstellte Haus in Deutschland. Die Erweiterung von 1911 folgt teilweise moderneren Gestaltungsprinzipien.

Auch die Stiftskirche war z.T. mit "Schreinergotik" ausgestattet, z.B. ein Altar und die ehemaligen Emporen. Beides wurde bei der Renovierung 1962-65 entfernt. Der Altar befindet sich heute hinter einem Gatter im Turm.


Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fotos[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Neugotik (Wikipedia)
  2. Schreinergotik (Wikipedia)
  3. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Dehio. Baden-Württemberg, Teil II. - München, Berlin 1997