Walter Jens
Walter Jens (* 8. März 1923 in Hamburg, † 9. Juni 2013 in Tübingen) war ein emeritierter Professor für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen, Philologe und Schriftsteller; er wohnte in Tübingen und war seit 2002 Ehrenbürger der Stadt. Sein Grab findet sich in Abschnitt O auf dem Stadtfriedhof.
Leben
Walter Jens wurde 1956 Professor für Klassische Philologie und erhielt 1963 den bundesweit ersten Lehrstuhl für Allgemeine Rhetorik, den er bis zu seiner Emeritierung 1988 innehatte. Er war u.a. auch Präsident des bundesdeutschen PEN-Zentrums und der Akademie der Künste zu Berlin.
2008 wurde von seiner Familie öffentlich gemacht, dass er an Alters-Demenz leidet. Er wurde die letzten Jahre von Frau Margit Hespeler auf einem Hof in Mähringen gepflegt.[1]
Walter Jens war bis zu seiner Krankheit eine der großen Autoritäten des öffentlichen Lebens in Nachkriegsdeutschland. Als Publizist und öffentlicher Redner, auch im Fernsehen, hat Jens politisch öffentlich klare Positionen bezogen. Er war Mitglied der Gruppe 47. Bekannt wurden zum Beispiel Bilder von Jens, wie er in den 1980er Jahren mit seiner Frau Inge Jens bei einer Sitz-Demonstration in Mutlangen von Polizisten sitzend weggetragen wurde.
In seiner Tübinger Anfangszeit wohnte er zur Miete mit seiner Frau Inge ab 1951 einige Jahre im Haus Schlossbergstraße 15. Seit den 1960er Jahren lebte das Ehepaar in einem neu gebauten Haus in der Sonnenstraße 5.
Jens zog es vor, auch in seinen Seminaren fast nur vorbereitete Texte vorzutragen. Sie galten wie alle seine Reden als rhetorisch geschliffen formuliert und gesprochen. Das freie Reden, etwa in Interviews, empfanden manche als formal weniger ansprechend. Über seine Aussprache sagte er einmal sinngemäß: "Sie können noch so nuscheln; in der Rhetorik kommt es nicht darauf an, sondern auf die Überzeugungskraft der Worte." Seine Rhetorik galt als eine eher literarische und geschriebene, weniger geeignet etwa für Politiker.
Mit dem Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki war Walter Jens jahrzehntelang befreundet. Jens vermittelte ihm auch eine Honorarprofessur an der Uiversität Tübingen. Reich-Ranicki schrieb in seinen Memoiren "Mein Leben", dies sei seine längste Freundschaft gewesen, die allerdings nun beendet sei. Über in dem Buch nicht näher erklärte Vorwürfe kam es zunächst zu einem Bruch. Später haben sich beide wieder versöhnt.
Über die Wahl seiner Grabstelle auf dem oberen Teil des Stadtfriedhofs sagte Jens, er "habe Asthma und brauche Höhenluft".
Jens' Nachfolger auf dem Lehrstuhl wurde Gert Ueding.
Theater
Das Zimmertheater Tübingen inszenierte in der Jubiläumsspielzeit 2008/09 das Fernsehspiel von Jens Der tödliche Schlag aus dem Jahr 1974 über Philoktet und Odysseus erstmals als Bühnenstück. - Aus Anlass des 90. Geburtstages von Jens am 8.3.2013 führte das Zimmertheater das Ein-Personen-Stück Judas! mit mehreren Vorstellungen auf.
Quellen
Tübingen-Literatur
Walter Jens schrieb auch zu Tübingen sehr erfolgreiche Bücher, z.T. mit seiner Frau Inge:
- Walter Jens: Eine deutsche Universität. 500 Jahre Tübinger Gelehrtenrepublik. Kindler, 1977. - Neuaufl. mit Inge Jens: Rowohlt, 2004.
ISBN 3463007096 - Walter und Inge Jens: Die große kleine Stadt. Fotos von Stefan Moses und Joachim Feist. Stuttgart: Theiss, 1981, ISBN 3-8062-0268-0
Debatten um Walter Jens
2003 wird die NSDAP-Mitgliedskarte von Walter Jens gefunden, seine von manchen nicht als glücklich empfundenen Kommentierungen dieser Zusammenhänge wurden ihm teilweise im Sinne von "Wegschauen bei der eigenen Schuld, Hinschauen und Brandmarken bei fremden Verfehlungen" übel genommen. Andere wiesen auf seine damalige Jugend und auch die Wahl-Losigkeit damals hin, und dass die Urteils-Autorität einer Person auch etwas Wachsendes ist - der Respekt gegenüber dem greisen Rhetor sei zu wahren. Er gab an, sich an eine Parteimitgliedschaft nicht zu erinnern, sagte aber später: "Und selbst wenn, kann man einem damals 18-jährigen nicht zugestehen, noch zu lernen?"
2009 trat sein Sohn Tilman Jens mit einem Buch über seine Beziehung zu seinem Vater an die Öffentlichkeit, das bei vielen Menschen wegen harter Worte über den (nicht mehr wehrhaften) Vater Anstoß erregte. Er meinte aber auch, die Debatte um die Parteimitgliedschaft habe die Demenz seines Vaters befördert.
Videos
Weblinks
- Die deutschsprachige Wikipedia zu Walter Jens
- Biographie in Who's Who
- Artikel Hunderte nahmen Abschied von Walter Jens, Schwäbisches Tagblatt (17.06.2013) und Videobeitrag Abschied von Walter Jens - Requiem in der Stiftskirche, Schwäbisches Tagblatt (18.06.2013)
- uni-tuebingen.de: Seminar für Allgemeine Rhetorik, Walter Jens, Kurzbiographie und Publikationen
- 3sat.de: Der gute Mensch von Tübingen, Filmportrait SWR, ZDF 2007
- FAZ-Artikel über seine NSDAP-Mitgliedschaft als Jugendlicher, 25.11.2003
- welt.de: Walter Jens' Sohn in der Höhle der Löwen, 27.2.2009
- tagblatt.de: Artikel zu dem Dokumentarfilm "Frau Walter Jens" über das Ehepaar Jens von Thomas Grimm auf DVD, 2009 - Sendung (Wiederholung) auf 3sat am 27.11.2010, 22:40h
- Wenn bei Walter Jens die Erinnnerung stirbt, Die Welt 10.11.2009
- Berliner Zeitung: Das Gewissen im Ohr, Gespräch mit Karl-Josef Kuschel (10.3.2013), Autor der Biographie "Karl-Josef Kuschel: Walter Jens. Literat und Protestant. Patmos-Verlag, Düsseldorf 2003, ISBN 3-491-72473-2 (Aktualisierte Neuauflage. Attempto-Verlag, Tübingen 2008, ISBN 978-3-89308-405-0)".