Brauerei zum Ochsen Carl Heinrich

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Ehemaliges Gasthaus zum Ochsen Lustnau (1973 abgerissen)
Tanz- und Speisesaal des Gasthaus zum Ochsen in Lustnau
Brauerei Heinrich und Gasthaus zum Ochsen um 1900

1831 erwarb Ludwig Heinrich (1804-1876), Sohn des Derendinger Bläsibadwirts Jakob Friedrich Heinrich (*1774) das Wirtschaftsgebäude "Zum Ochsen" mit kleiner Brauerei und Ländereien in der Lustnauer Dorfackerstraße 15 für 8400 Gulden von dem Stuttgarter Obergeometer Karl Friedrich Gaul. Seit 1810 besaß der vormalige Ochsenwirt und Metzger Christian Friedrich Riekert das Braurecht. Diese Jahreszahl wurde daher vom Gründer der Brauereidynastie Heinrich als Gründungsjahr verwendet.[1]

Ab 1889 hieß sie Brauerei zum Ochsen Carl Heinrich. Wohl in den 1890er Jahren ist Louis Heinrich Geschäftsführer geworden. Die Brauerei expandierte und beschäftigte bei Ausbruch des ersten Weltkrieges 45 Arbeiter, die meistens nicht aus Lustnau stammten.[2] Ab 1920 hieß sie Brauerei zum Ochsen Louis Heinrich.[3]

Dampfmaschinen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 20. Juni 1884 bekam Carl Heinrich für seine Brauerei von der Maschinen- und Kessel-Fabrik, Eisen- und Gelbgießerei G. Kuhn in Stuttgart-Berg seine erste Dampfmaschine.[4] 1898 bestellte er eine weitere Dampfmaschine bei der Maschinenbau-AG Nürnberg, die im gleichen Jahr geliefert wurde.[5]

Nachdem die Brauerei während des Ersten Weltkrieges – wie übrigens auch andere Brauereien – sehr geschwächt worden war, musste sie 1919 ihren Betrieb endgültig schließen.[6] Sie wurde zunächst an eine Brauereigenossenschaft verkauft, die wenig später von der Großbrauerei Robert Leicht AG (Schwabenbräu) übernommen wurde. Leicht verkaufte 1923 die Brauereigebäude westlich der Dorfackerstraße an die Chemische Fabrik Eberle, die hier bis 1993/94 blieb und dann nach Reutlingen umzog, wo sie aber nicht mehr lange Bestand hatte.

Das relativ große Gasthaus zum Ochsen mit Fachwerk-Obergeschossen wurde noch bis Anfang der 1970er Jahre bewirtschaftet. 1952 bis 1960 gab es in einem Anbau das Gloria-Kino. 1973 schließlich wurde der Ochsen abgerissen; dort entstand ein Parkplatz. Die Gebäude östlich der Dorfackerstraße wurden um 1980 abgetragen. Dort wurde 1983 das neue Lustnauer Zentrum eröffnet. [7]

Im August 1922, kurz nach der Auflösung der Brauerei, wurde der gut erhaltene Dampfkessel mit 100 Quadratmeter Heizfläche durch den Lustnauer Schultheiß Hans Rath von der Gemeinde Lustnau für 140.000 Papiermark an die Egeria verkauft.[8] [9]

Brauwasser aus Pfrondorf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Brauerei bezog ihr Brauwasser durch eine eigens gebaute Wasserleitung aus der Quelle des ehemaligen Pfrondorfer Fischweihers. Dieser lag am westlichen Dorfrand Pfrondorfs und bestand noch aus den Zeiten, als das Kloster Bebenhausen noch Herrschaftsrechte auf der Schönbuchhöhe hatte. Der ehemalige Ortsvorsteher und Schulmeister Wilhelm Nerz schrieb über den so genannten Seebrunnen:

„Als die Gemeinde 1821 die gesamten Klostergüter erworben hatte, brauchte man keinen Fischweiher mehr, weil die Pfrondorfer keine Fische mochten. Daher durchstachen sie den Damm, um Wiesen für ihr Vieh zu bekommen. Das Wasser der starken Quelle lief nun ungenutzt den Haldenbach hinunter zum Neckar. Da der Bierbrauer Heinrich aus Lustnau an dem guten Wasser Interesse hatte, verkauften sie es an ihn um zwei Flaschen Wein. Dieser lies eine Wasserleitung nach Lustnau bauen und schloss die Brunnenstube ab. Als es im Ort wieder mal brannte und das vorhandene Wasser nicht zum Löschen reichte, bemerkten die Pfrondorfer, was sie für einen Fehler gemacht hatten. Der Schultheiß ging zu Heinrich und bat ihn, sein Wasser bei einem Brand in Pfrondorf zum Löschen nutzen zu dürfen. Heinrich willigte ein, bestand jedoch darauf, dass die Pfrondorfer im Ernstfall den Schlüssel zur Brunnenstube bei ihm in Lustnau holen mussten“.[10]

Ein weiter und durch den Höhenunterschied beschwerlicher und kräftezehrender Weg. Kein Wunder, dass bis zur Rückkehr des Schlüssel-Läufers das Haus abgebrannt war; auch beim zweiten Mal mit zwei Läufern, die sich die Strecke teilten, war nichts mehr zu machen.

Heutige Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bestandsgebäude und Teile der Mehrfamilienwohnungen auf dem ehemaligen Brauereigelände (2011)

Die Reutlinger Dr. Rall GmbH hat Mitte der 1990er Jahre den damals heruntergekommenen Komplex an der Dorfackerstraße für etwa 8 Millionen Mark von der Chemischen Fabrik Eberle gekauft und das solide Backsteingebäude auf Vordermann gebracht. Erhalten blieb der ehemalige Sudhaus-Turm und der Verwaltungstrakt. Das Filetstück der Anlage ist die zweigeschossige Halle mit umlaufender Galerie. Fabrikationsgebäude wurden entfernt, dort wurden ganz neue Wohnkomplexe gebaut. [11]


Weitere Fotos[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Tübinger Blätter, Heft 1.1898, Anzeige Beilage 7
  2. Geschichte von Lustnau.
  3. Brauerei zum Ochsen Carl Heinrich.
  4. Dampfmaschinen
  5. Carl Heinrich, Brauerei.
  6. Antje Zacharias: Wirtshäuser mit regem Zuspruch. In: …und grüßen Sie mir die Welt! Tübingen – eine Universitätsstadt auf alten Postkarten, hrsg. von Udo Rauch und Antje Zacharias, Tübingen : Stadtmuseum 2007, ISBN 978-3-910090-78-1, S. 171–202; hier 198.
  7. Günther Herre, Gerhard Nagel: Lustnauer Heimatbuch, Tübingen 2008
  8. Foto des Kaufvertrags im Tagblatt-Anzeiger.
  9. Streifzüge durch die Geschichte der Württembergischen Frottierweberei: Von der Boom-Fabrik zum Wohnquartier. Tagblatt vom 22. Mai 2010.
  10. Die Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr Pfrondorf.
  11. CityInfoNetz.