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Streuobstwiese

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Streuobstwiese bei Tübingen

Der Anbau von Obst auf Streuobstwiesen ist typisch für die landwirtschaftlich sonst schlecht nutzbaren Hanglagen im Kreis Tübingen, die früher für den Weinbau genutzt wurden. Traditionell wurden hochstämmige Obstbäume mit so großem Abstand voneinander angepflanzt und durch Baumschnitt verjüngt, dass diese und ihre Nachbarn genug Licht bekamen.

Der „Remstalrebell“ und Obstverkäufer Helmut Palmer, der Vater des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer, gab in der Gegend von Tübingen viele Baumschnittkurse für Landwirte und Hobbygärtner. Die von ihm entwickelte Schnittmethode, der Palmer-Oeschbergschnitt, ähnelt dem ursprünglichen Oeschbergschnitt, den Palmer während seiner Lehrzeit in der Schweiz erlernt hatte, und lässt sich heute noch auf Tübinger Streuobstwiesen finden.[1]

Rückgang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit den 1920er Jahren begann auch in Tübingen die Trendwende zur Obstplantage. Das Bundesernährungsministerium ging am 15. Oktober 1953 davon aus, dass „für Hoch- und Halbstämme kein Platz mehr sein“ wird, und forderte daher: „Streuanbau, Straßenanbau und Mischkultur sind zu verwerfen“.[2]

Dieser Trend zum Plantagenanbau erfasste die gesamte Europäische Gemeinschaft und damit auch die Gegend um Tübingen. Um die Obstplantagen zu fördern, hat die EG bis 1974 Rodungsprämien für jeden Hochstammobstbaum bezahlt. Streuobstwiesen auf für Plantagen geeigneten Böden und Lagen wurden durch diese Subventionen häufig in Obstplantagen umgewandelt. Durch diese agrarpolitische Denkweise und den Platzbedarf für den Bau von Wohn- und Gewerbegebieten sowie Straßenneubau wurden die Tübinger Streuobstflächen drastisch reduziert und große alte Obstbäume durch leichter zu erntende Büsche und Halbstämme ersetzt.

Ökologische Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit (etwa) den 1980er Jahren wurde insbesondere die ökologische Bedeutung von Streuobstwiesen wieder erfasst. In dieser Zeit begann ein deutliches Umdenken in Politik, Wissenschaft und Naturschutz hinsichtlich des Wertes traditioneller Kulturlandschaften:[3]

Streuobstwiesen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Die Kombination aus hochstämmigen Obstbäumen und extensiv genutztem Grünland schafft vielfältige Strukturen wie Baumhöhlen, Blütenwiesen und Bereichen mit Totholz. Dadurch bieten sie Lebensraum für bis zu 5.000 Tier- und Pflanzenarten[4], darunter gefährdete Vögel, Insekten, Fledermäuse und Wildkräuter.

Zugleich tragen Streuobstwiesen zum Erhalt alter Obstsorten bei, die oft widerstandsfähiger und genetisch wertvoll sind.[5] Ökologisch leisten sie einen wichtigen Beitrag durch Erosionsschutz, Wasserspeicherung, CO₂-Bindung und Luftreinhaltung. [6] Als Teil traditioneller Kulturlandschaften haben sie zudem landschaftsprägenden und bildungsrelevanten Wert.

Seit 2021 ist der Streuobstanbau im bundesweiten Verzeichnis der deutschen UNESCO-Kommission als immaterielles Kulturerbe gelistet.[7]

Wo liegen die Streuobstwiesen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Typische, heute oft umzäunte, Streuobstwiesen finden sich um Tübingen an folgenden Stellen:


Die vielen Mostkeltern und Schnapsbrennereien in den Dörfern des Ammertals verdeutlichen, wie viel Obst dort in den noch bestehenden Streuobstwiesen geerntet wird und welch hohe Qualität die alten Sorten für die Herstellung von Fruchtsäften sowie Schnäpsen und Likören bieten.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]