Ammer

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Ammer
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Ammertal, Blickrichtung Westen (links vorne Schwärzloch)

Die Ammer ist ein linker Nebenfluss des Neckars in Baden-Württemberg. Der Name kommt aus dem Keltischen: "Amra" mit der Bedeutung: Feuchte, Wasser, Dampf, Dunst, Nebel, Wolke. Erst im 20. Jahrhundert ist das Ammertal weitgehend trocken gelegt worden.[1]

Die Ammer ist ungefähr 25 km lang, entspringt aus fünf Quelltöpfen südwestlich von Herrenberg (Landkreis Böblingen), durchfließt das nach ihr benannte Ammertal am Südrand des Naturparks Schönbuch, vereinigt sich dann mit dem Goldersbach und mündet kurz danach im Tübinger Stadtteil Lustnau in den Neckar.

Sie durchfließt die Ortschaften Gültstein (Herrenberg), Altingen, Reusten, Poltringen, Pfäffingen (alle Ammerbuch), Unterjesingen (Tübingen), den Weiler Ammern und Tübingen. Auf ihrem Weg von 25 km fällt die Ammer circa 120 Meter. Das Ammertal wird auch das Tal der Mühlen genannt. Zwischen Gültstein und der Einmündung in den Neckar in Tübingen gab es bis 1930 gut zwei Dutzend Mühlen.

Teilweise Renaturierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geradliniger Unterlauf der Ammer vor der Renaturierung (zwischen Welzenwiler und Nürtinger Straße, 2014)
Die renaturierte Ammer von der Aeulestraße aus Richtung Osten fotografiert (Februar 2023)

Im Tübinger Stadtgebiet war der Lauf des Flusses durchgehend begradigt. Um 2013 wurde ein Teilstück der Ammer im Zusammenhang mit der Erstellung eines Neubaugebiets in der Weststadt zwischen Rheinlandstraße und Rappstraße in einen kurvigen Verlauf zurückversetzt und renaturiert, was auch eine Revitalisierung bedeutet.[2] Es wird manchmal "Ammerzonas" genannt. Im Frühjahr 2015 wurde der Unterlauf zwischen Stuttgarter Straße und Gartenstraße erst etwas, dann 2017 ab Goldersbach-Mündung vollständig renaturiert,[3][4] auch als Beitrag zum besseren Hochwasserschutz für das neue Viertel Alte Weberei. Das letzte Stück direkt vor der Mündung in den Neckar war schon seit längerem auf diese Weise "entgradigt" worden. 2017 geschah dies auch mit dem Abschnitt im Bereich des Technischen Rathauses.

Zuflüsse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unterjesingen und westliches Ammertal,
Oberes Gäu

Im Zuge ihres Verlaufes münden in die Ammer (vor Tübingen in Auswahl):


PCB-Belastung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei wiederholten Tests wurde 2009 und 2010 in geangelten Fischen eine Überschreitung des Grenzwertes mit dem Umweltgift PCB (polychloriertes Biphenyl) festgestellt. Die Fische sind nur in geringen Mengen zum Verzehr geeignet, da das PCB sich im menschlichen Körper anreichert und krebserregend ist. Die Quelle der Verschmutzung ist, nach Aussagen des Gewässerwarts der Kreisfischer Udo Dubnitzki, nicht lokalisierbar. Dies lässt darauf schließen, dass der bis in die 1980er Jahre verwendete und nur schwer abbaubare Stoff im Sediment des Gewässers abgelagert ist. (Weitere Informationen siehe Weblinks)


Ammerkanal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ammerkanal beim historischen Nonnenhaus (rechts) im Juni 2009

Der in der Altstadt zu sehende Bach ist nicht die Ammer selber, sondern ein bereits vor den Stadtgrenzen abzweigender Kanal. Dieser heißt Ammerkanal (siehe auch dort) und fließt auf seinen letzten zweihundert Metern als unterirdischer Kanal vom Markt am Nonnenhaus zur Neckarbrücke, um dort in den Neckar zu münden. Der Kanal wurde zum einen als mittelalterlicher Abort und Schmutztransport gebaut und einmal die Woche geflutet. Außerdem wurden durch den Kanal westlich und östlich der Altstadt Wassermühlen angetrieben. Diese Mühlen wurden durch die 1887 fertiggestellte Mühlstraße, der sie dort im Weg standen und durch die technische Revolution aufgegeben. Am Abzweig in den unterirdischen Verlauf befindet sich noch heute eine alte Schleuse, mit der man das Wasser wahlweise Richtung Neckar oder weiter zurück zur Ammer leiten konnte.

Das Kleine Ämmerle war ein Abzweig von diesem Kanal nach Norden durch die Unterstadt. Es verlief vom Haagtor durch die Straßen mit den heutigen Namen Seelhausgasse, Am Kleinen Ämmerle und Bachgasse und floss dann östlich der heutigen Stadtbücherei durch das sogenannte "Drecktörle" durch die Stadtmauer und im Stadtgraben zurück zur Ammer. Es wurde 1568 zum ersten Mal erwähnt, im Stadtplan von 1819 ist es bereits nicht mehr eingezeichnet. In diesem Plan heißen aber alle drei betroffenen Gassen noch "Am Kleinen Ämmerle", womit diese zusammengenommen die längste Gasse der Stadt darstellten.[5] - Ein weiterer Nebenkanal zweigte bereits vorm Haagtor nach Norden ab und bewässerte den Stadtgraben. Außerdem gab es einen Ablassgraben, der am Ende des Schleifmühleweges begann, an diesem entlanglief und auf Höhe der heutigen Rappstraße nach Norden abbog und in die Ammer zurückführte.

Weitere Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Möglicher historischer Verlauf der Ammer durch ein frühmittelalterliches Tübingen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gestützt auf die Deutung der bisherigen archäologischen Funde in der Unteren Stadt, stellt Sören Frommer die These auf, dass der Verlauf der Ammer vor der Mitte des 13. Jahrhuderts zwischen Schlossberg und Schnarrenberg deutlich weiter südlich zu verorten ist als der heutige.[6]. Er nimmt aufgrund einer linear ausgeprägten Fehlstelle zwischen den Fundpunkten an, dass die Ammer etwa 4 m unter dem heutigen Bodenniveau entlang der Linie Madergasse, Fruchtkasten, Johanneskirche und dann im leichten Bogen nach Norden unter dem heutigen Museum geflossen sein könnte. Entlang der beiden Ufer habe es bereits vor einer intensiveren Bebauung des Sattels zwischen Österberg und Schloß eine frühmittelalterliche Siedlung gegeben, wahrscheinlich sogar frühstädtischen Charakters.

Hypothetisch spricht Frommer von einem Tübingen als einer versunkenen Stadt, da ein Geländestreifen entlang der beschriebenen Linie ab der Mitte des 12. Jahrhunderts auf ca. 200 m Breite offensichtlich aufgeschüttet wurde. Eventuell könnten verheerende Hochwasser dazu geführt haben. Diese wären plausibel durch eine zweifache Absperrung des Ammertales aufgrund einer schon viel früher als bisher angenommen errichteten ersten Stadtmauer, auf deren höchstwahrscheinliche Existenz archäologische Funde unter dem Kelternplatz hinweisen[7]. Ebenso wäre es möglich, dass ein Anstieg des Grundwassers (ausgelöst durch Höherverlegung der Vorfluter[1]) zu mit massiven Schlammablagerungen verbundenen Überschwemmungen geführt hat. Dass die Stadt diese von ca. 1150 bis 1250 sich vollziehenden Vorgänge sogar gestärkt überlebte, zeugt nach Frommer von ihrer schon damals vorhandenen wirtschaftlichen Potenz[8].

Die Hochwasser-Katastrophen könnten nämlich ein geplantes großes Infrastrukturprojekt veranlasst haben: Die Verlegung des natürlichen Ammerlaufes an den Schnarrenberghang, gleichzeitig mit dem (Wieder)aufbau einer vervollständigten Stadtmauer und dem Ausbau des Ammerkanals.

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kulturlandschaft Ammertal bei Poltringen
  1. Pferdeklinik Domaine Ammerhof - Geschichte.
  2. tuebingen.de zur Eröffnung des renaturierten Teilstücks der Ammer nebst neuer Fahrradstraße, 2014
  3. Tagblatt 5. April 2017
  4. tuebingen.de/gemeinderat
  5. Führung von Helmut Eck zur Langen Gasse in der Reihe "Kennen Sie Tübingen?", 12. September 2011
  6. A.Schneider,S.Frommer,B.Kulessa "Archäologisches Stadtkataster Baden-Württemberg" Band 41.1, Hrsg. Landesamt f. Denkmalpflege im Regieungspräsidium Stuttgart u. Universität Tübingen 2018, S. 144ff
  7. dorts. S. 155
  8. dorts. S. 158f

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blick vom Österberg ins Ammertal. Lithographie von Eberhard Emminger aus Biberach an der Riß, Mitte 19. Jahrhundert