Bearbeiten von „Weinbau

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[[Datei:Woche-47-2010.jpg|mini|Weinberge hinter [[Unterjesingen]]]]
[[Datei:Woche-47-2010.jpg|thumb|right|300px|Weinberge hinter Unterjesingen]]
[[Datei:Woche-37-2007.jpg|mini|Reifende Trauben (im Hintergrund [[Wurmlinger Kapelle]]) ]]
Früher war der Weinbau ein wichtiges Standbein von Landwirtschaft und Wirtschaft, heute ist Wein aus Tübingen eher ein Nischen-Produkt.
Früher war der '''Weinbau''' ein wichtiges Standbein von Landwirtschaft und Wirtschaft, heute ist Wein aus Tübingen eher ein Nischen-Produkt.


== Zur Geschichte des Weinbaus in Tübingen ==
== Zur Geschichte des Weinbaus in Tübingen ==
[[Datei:Tübingen und der Wein.jpg|mini|Weinlese bei Tübingen]]
[[Datei:Weinlese im Weinberg Gartenstr 7.jpg|mini|Weinlese im Weinberg in der [[Gartenstraße]] 7 von [[Paul Sinner]]. Seine Frau Wilhelmine Sinner mit den Söhnen Theodor, Hermann und Carl, sowie das Kindermädchen Babette, der Weingärtner mit seinem Sohn und – mit Schreckschusspistole – ein Angestellter des Fotoateliers (Kabinettformat, Privatbesitz, Stuttgart), 1875.]]
   
   
Ende des [[15. Jahrhundert]]s wurde auf fast 400 Hektar Wein von hoher Qualität angebaut, [[2009]] waren es in der Nähe der Innenstadt von Tübingen noch zwei.
Ende des [[15. Jahrhundert]]s wurde auf fast 400 Hektar Wein von hoher Qualität angebaut, [[2009]] waren es in der Nähe der Innenstadt von Tübingen noch zwei.
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300 Jahre Niedergang folgten. Das hatte zum einen klimatische Gründe, eine kleine Eiszeit ließ die [[Temperaturen]] sinken. Aber auch politische: In der [[Reformation]] wurden die [[Klöster]] aufgehoben, die als Grundherren einen ertragreichen Weinbau organisierten.
300 Jahre Niedergang folgten. Das hatte zum einen klimatische Gründe, eine kleine Eiszeit ließ die [[Temperaturen]] sinken. Aber auch politische: In der [[Reformation]] wurden die [[Klöster]] aufgehoben, die als Grundherren einen ertragreichen Weinbau organisierten.


Der drastische Bevölkerungsrückgang im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] (in [[Württemberg]] von 450 000 auf 160 000) setzte die Abwärtsspirale fort. Kaffee, Tee, Bier und Apfelmost machten dem [[Wein]] seine Rolle streitig.<ref Name="Feldmann" /> Mit zunehmend besseren Verkehrsverbindungen, die den Import wohlschmeckenderer Weine förderten, wurde der Weinbau wirtschaftlich immer uninteressanter.<ref name="Tuepps"> [http://www.tuepps.de/wein.html Der Wein und Tübingen]</ref>
Der drastische Bevölkerungsrückgang im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] (in [[Württemberg]] von 450 000 auf 160 000) setzte die Abwärtsspirale fort. Kaffee, Tee, Bier und Apfelmost machten dem [[Wein]] seine Rolle streitig.<ref Name="Feldmann" /> Mit zunehmend besseren Verkehrsverbindungen, die den Import wohlschmeckenderer Weine förderten, wurde allerdings der Weinbau wirtschaftlich immer uninteressanter.<ref name="Tuepps"> [http://www.tuepps.de/wein.html Der Wein und Tübingen]</ref>


Immer mehr [[Rebflächen]] wurden anderweitig bepflanzt, zum Beispiel als [[Im Hopfengarten|Hopfengarten]] oder als [[Streuobstwiese]]n. Letztere lieferten den Most für den Eigenverbrauch. „Trotz des Preisverfalls konnten sich die [[Weingärtner]] den eigenen Wein nicht mehr leisten.“'' Das führte zu dem ungleichen Verhältnis [[Oberstadt]] und [[Unterstadt|untere Stadt]] und dem Bild von den raubauzigen [[Gôgen]] oder [[Raupen]]. Auch heute noch findet man an den Hauswänden der Altstadthäuser noch vereinzelt Weinstöcke. Die Reben dieser sogenannten "[[Semsakrebsler|Simsenkrebsler]]" rankten an den Fenstersimsen in die Sonne und ihre Wurzeln versorgten sich aus der Abortgrube mit Nährstoffen.
Immer mehr [[Rebflächen]] wurden anderweitig bepflanzt, zum Beispiel als [[Im Hopfengarten|Hopfengarten]] oder als [[Streuobstwiese]]n. Letztere lieferten den Most für den Eigenverbrauch. „Trotz des Preisverfalls konnten sich die [[Weingärtner]] den eigenen Wein nicht mehr leisten.“'' Das führte zu dem ungleichen Verhältnis [[Oberstadt]] und [[Unterstadt|untere Stadt]] und dem Bild von den raubauzigen [[Gôgen]] oder [[Raupen]]. Auch heute noch findet man an den Hauswänden der Altstadthäuser noch vereinzelt Weinstöcke. Die Reben dieser sogenannten "Simsenkrebsler" rankten an den Fenstersimsen in die Sonne und ihre Wurzeln versorgten sich aus der Abortgrube mit Nährstoffen.


Als Mitte des [[19. Jahrhundert]]s die [[Rebkrankheiten]] dazukamen, hatte die Verelendung einen Höhepunkt erreicht. Der versuchte Sturm auf die [[Schweickhardtsche Mühle]] [[1847]] war der einzige Aufstand. Andere Auswege waren stiller: [[Auswanderung]] oder der Raupentod, der Selbstmord.<ref name="Feldmann" />
Als Mitte des [[19. Jahrhundert]]s die [[Rebkrankheiten]] dazukamen, hatte die Verelendung einen Höhepunkt erreicht. Der versuchte Sturm auf die [[Schweickhardtsche Mühle]] [[1847]] war der einzige Aufstand. Andere Auswege waren stiller: [[Auswanderung]] oder der Raupentod, der Selbstmord.<ref name="Feldmann" />


Spätestens seit dem Jahr [[1484]] existiert in Tübingen die [[Urbansbruderschaft Tübingen e.V.|Urbansbruderschaft]].<ref>[http://urbansbruderschaft.de/ Urbansbruderschaft Tübingen e.V.]</ref> Seit [[1879]] gibt es die Tübinger Weingärtner-Genossenschaft (früher Tübinger Kelternverein). Damals zählte der Verein 493 Mitglieder, im Jahr 2004 zum 125. Jubiläum sind es noch 39, von denen 14 ihren eigenen Wein anbauen.<ref name="Tuepps" />
Spätestens seit dem Jahr [[1484]] existiert in Tübingen die [[Urbansbrüderschaft]].<ref>[http://urbansbruderschaft.de/ Urbansbruderschaft Tübingen e.V.]</ref> Seit [[1879]] gibt es die Tübinger Weingärtner-Genossenschaft (früher Tübinger Kelternverein). Damals zählte der Verein 493 Mitglieder, im Jahr 2004 zum 125. Jubiläum sind es noch 39, von denen 14 ihren eigenen Wein anbauen.<ref name="Tuepps" />


== Besonderheiten ==
== Besonderheiten ==
[[Datei:Quer zum Hang gezogener Wein.jpg|mini|Ungewöhnlicherweise quer zum Hang gezogener Wein unterhalb der [[Wurmlinger Kapelle]]]]
[[Datei:Sinner-Gartenstraße-Wohnhaus Karl Heigelin-1868.jpg|mini|Weinberge in der [[Gartenstraße]] beim Wohnhaus von Karl Heigelin, 1868 ]]


=== Querreihen ===
=== Querreihen ===


Johann Philipp Bronner schrieb [[1837]] über Besonderheiten des Weinbaus in Tübingen und Wurmlingen:  
Johann Philipp Bronner schrieb 1837 über Besonderheiten des Weinbaus in Tübingen und Wurmlingen: „Was man in ganz Württemberg den Kopf nennt, bezeichnet man hier mit dem Namen das Fiedle. Das was man allenthalben ein Schenkel nennt, heißt hier ein Bein.“


"Der größte Fehler bei der hiesigen Erziehung“, schreibt Bronner, „ist aber der, dass die
"Der größte Fehler bei der hiesigen Erziehung“, schreibt Bronner, „ist aber der, dass die
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sie ... nach der aufsteigenden Richtung des Berges geführt werden ... hier ist aber gerade
sie ... nach der aufsteigenden Richtung des Berges geführt werden ... hier ist aber gerade
das Umgekehrte beobachtet, die Bögen sind nämlich alle so gestellt, dass sie eine ziemlich
das Umgekehrte beobachtet, die Bögen sind nämlich alle so gestellt, dass sie eine ziemlich
geschlossene grüne Wand bilden, die immer quer über den Weinberg läuft ...“<ref name="Bronner"> Johann Philipp Bronner: [http://books.google.de/books?id=d8I1AAAAMAAJ&pg=RA1-PA31&dq=%22Der+gr%C3%B6%C3%9Fte+Fehler+bei+der+hiesigen+Erziehung%E2%80%9C,+Johann+Philipp+Bronner&hl=en&redir_esc=y#v=onepage&q=%22Der%20gr%C3%B6%C3%9Fte%20Fehler%20bei%20der%20hiesigen%20Erziehung%E2%80%9C%2C%20Johann%20Philipp%20Bronner&f=false Der Weinbau in Süd-Deutschland: Der Weinbau im Königreich Würtemberg; Abt. 2. Winter Verlag, 1837. Seite 31.]</ref> Deshalb sieht man die Querreihen heute noch an der [[Wurmlinger Kapelle]], wo heute der Tübinger Weinbauer Anton Brenner seinen „Rote Kapelle“ genannten Rotwein anbaut.<ref name="EcoRouge">[http://static.twoday.net/antonBrenner/files/Karte-Nov-Rueckseite.pdf Flaschenetiketten der Weine "Rote Kapelle" und "EcoRouge" von Anton Brenner.]</ref>
geschlossene grüne Wand bilden, die immer quer über den Weinberg läuft ...“ Deshalb
 
sieht man die Querreihen heute noch an der Wurmlinger Kapelle, wo Anton Brenner seinen „Rote Kapelle“ genannten Rotwein anbaut.<ref name="EcoRouge">[http://static.twoday.net/antonBrenner/files/Karte-Nov-Rueckseite.pdf Flaschenetiketten der Weine "Rote Kapelle" und "EcoRouge" von Anton Brenner.]</ref>
=== Die Beinle müssen Hosen anhaben ===
 
Mitte des 19. Jahrhunderts war eine Eigentümlichkeit des Beschnitts, dass nach dem Blühen die unnötigen Triebe nicht gänzlich entfernt, sondern nur abgezwickt, oder am Gelenk abgebrochen wurden, so dass die Schenkel ganz grün mit Trieben bedeckt blieben. Man kannte daher das Sprichwort „die Beinle müssen Hosen anhaben."<ref name="Bronner" /> 
 
Überhaupt liebte man das Bedecken mit Laub, man stellte die Bögen meistens quer über, so daß sie eine geschlossene grüne Wand bilden, wodurch aber eine nachteilige Beschattung des Bodens entstand. Die Schosse wurden in der Regel nur relativ wenig beschnitten, und es wurde mehr Laubwerk an den Stöcken gelassen, als in anderen Gegenden. Man hielt das für nötig, weil man der schwächeren Triebkraft weniger zumuten zu dürfen meinte, und andererseits den Reben Schutz gegen die rauhen Winde lassen wollte.<ref>Karl Klüpfel, Max Eifert: [http://books.google.com/books?id=tcQRAAAAYAAJ&pg=PA299&dq=%22die+Beinle+m%C3%BCssen+Hosen+anhaben%22&hl=en&ei=lP0dTrzvJcai8QPNwumGCA&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=2&ved=0CC8Q6AEwAQ#v=onepage&q=%22die%20Beinle%20m%C3%BCssen%20Hosen%20anhaben%22&f=false Geschichte und Beschreibung der Stadt und Universität Tübingen, Band 1, Verlag L.F. Fues, 1849.]</ref>


=== Pilzresistente Reben ===
=== Pilzresistente Reben ===


In den Weinbergen im Tübinger [[Buckenloh]] wachsen noch alte, pilzresistente Reben, z.B.
In den Weinbergen im Tübinger Buckenloh wachsen noch alte, pilzresistente Reben, z.B.
die „Oberlin Noir“. Schlitzohrige Gôgen haben die von den Nationalsozialisten verteufelten Hybriden über das Dritte Reich gerettet. Statt sie auszurotten, schnitten sie die Reben nur ab. Sie konnten also neu austreiben. Heute werden die pilzwiderstandsfähigen Reben anderswo neu entdeckt. Die neuen Sorten wie „Regent“ oder „Merzling“ sind oft weniger resistent und schmecken ungewöhnlicher als die Züchtungen des Elsässers Oberlin, die heute noch in den besten Weinbergen Burgunds zu finden sind.
die „Oberlin Noir“. Schlitzohrige Gôgen haben die von den Nationalsozialisten verteufelten Hybriden über das Dritte Reich gerettet. Statt sie auszurotten, schnitten sie die Reben nur ab. Sie konnten also neu austreiben. Heute werden die pilzwiderstandsfähigen Reben anderswo neu entdeckt. Die neuen Sorten wie „Regent“ oder „Merzling“ sind oft weniger resistent und schmecken ungewöhnlicher als die Züchtungen des Elsässers Oberlin, die heute noch in den besten Weinbergen Burgunds zu finden sind.


Aus diesem „Oberlin“ ist Anton Brenners „EcoRouge“, ein wahrer Ökowein, der überhaupt nicht gespritzt werden muss. In der sonstigen Praxis müssen so genannte „Ökoweine“ oft häufiger mit den „milderen“ Mitteln gespritzt werden als im traditionellen Weinbau. Man wird sich daher um die alten pilzwiderstandsfähigen Sorten ebenso kümmern wie um neue Sorten der dritten Generation (von Valentin Blattner in der Schweiz und Georg Weiss in Österreich), die ganz ohne Spritzmittel auskommen.<ref name="EcoRouge" />
Aus diesem „Oberlin“ ist Anton Brenners „EcoRouge“, ein wahrer Ökowein, der überhaupt nicht gespritzt werden muss. In der sonstigen Praxis müssen so genannte „Ökoweine“ oft häufiger mit den „milderen“ Mitteln gespritzt werden als im traditionellen Weinbau. Man wird sich daher um die alten pilzwiderstandsfähigen Sorten ebenso kümmern wie um neue Sorten der dritten Generation (von Valentin Blattner in der Schweiz und Georg Weiss in Österreich), die ganz ohne Spritzmittel auskommen.<ref name="EcoRouge" />
Mit dem Anbau von pilzresistenten Sorten wie Merzling, Johanniter und Regent wurde im Kreis Tübingen schon vergleichsweise früh begonnen. Damit kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zur Regulierung des Pilzbefalls deutlich vermindert werden.<ref name="Landratsamt" />


== Besenwirtschaften ==
== Besenwirtschaften ==
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[[Datei:Altstadtbesen Brenner Haaggasse 22.jpg|thumb|right|Haaggasse 22 in den [[1930]]er Jahren. Heute Altstadtbesen Brenner]]
[[Datei:Altstadtbesen Brenner Haaggasse 22.jpg|thumb|right|Haaggasse 22 in den [[1930]]er Jahren. Heute Altstadtbesen Brenner]]


[[Anton Brenner]] und seine Familie betreiben ihren [[Altstadt-Besen]] seit 2006 als Familienbetrieb in der [[Haaggasse]] 22. In alter Besentradition kann man hier sein Viertele schlotzen (trinken) und ein anständiges Vesper zu sich nehmen. Dabei rückt man im Besen eng zusammen. Ungeniert zu anderen auf die Bank sitzen und neue und oft interessante Leute kennernlernen, ist das Geheimnis der Besenwirtschaften. Da kommen dann oft sehr unterschiedliche Menschen zusammen, vom Studenten über den alten Tübinger Gôgen bis zum “Neigschmeckten”. Und manchmal kommt auch Prominenz, das Tübinger Wochenblatt zitierte am 14. Februar 2009 die Meldung der Stuttgarter Zeitung: "Wenn der Alt-Grüne Rezzo Schlauch seinen Ministerpräsidenten und jung-schwarzen Freund Günther Oettinger in die Besenwirtschaft vom Sohn des tiefroten Stadtrats Anton Brenner in die Haaggasse einlädt, dann freut das jeden Tübinger Lokalpatrioten natürlich. Zumal die "Stuttgarter Zeitung darüber berichtet."<ref>[http://www.tuebinger-wein.de/index.htm Altstadtbesen Tübingen der Familie Brenner]</ref>
Anton Brenner und seine Familie betreiben ihren Altstadt-Besen seit 2006 als Familienbetrieb in der Haaggasse 22. In alter Besentradition kann man hier sein Viertele schlotzen (trinken) und ein anständiges Vesper zu sich nehmen. Dabei rückt man im Besen eng zusammen. Ungeniert zu anderen auf die Bank sitzen und neue und oft interessante Leute kennernlernen, ist das Geheimnis der Besenwirtschaften. Da kommen dann oft sehr unterschiedliche Menschen zusammen, vom Studenten über den alten Tübinger Gôgen bis zum “Neigschmeckten”. Und manchmal kommt auch Prominenz, das Tübinger Wochenblatt zitierte am 14. Februar 2009 die Meldung der Stuttgarter Zeitung: "Wenn der Alt-Grüne Rezzo Schlauch seinen Ministerpräsidenten und jung-schwarzen Freund Günther Oettinger in die Besenwirtschaft vom Sohn des tiefroten Stadtrats Anton Brenner in die Haaggasse einlädt, dann freut das jeden Tübinger Lokalpatrioten natürlich. Zumal die "Stuttgarter Zeitung darüber berichtet."<ref>[http://www.tuebinger-wein.de/index.htm Altstadtbesen Tübingen der Familie Brenner]</ref>


[http://www.besentermine.de/schonbuch.html Adressen und Termine von Besenwirtschaften in der Gegend von Tübingen]
[http://www.besentermine.de/schonbuch.html Adressen und Termine von Besenwirtschaften in der Gegend von Tübingen]


== Ökonomische Fakten ==
== Ökonomische Fakten ==
Die große Armut der [[Gôgen]] hatte mehrere Ursachen. Zum einen ist im Raum Tübingen die Erzeugung hochwertiger Weine aufgrund der Bodenbeschaffenheit nicht möglich, wodurch niemals hohe Preise für Tübinger Wein zu erzielen waren. Auch die heute von Hobbywinzern oder im Nebenerwerb angebauten Reben erreichen trotz moderner Hilfsmittel und Kunstdüngung meist keine hohe Qualität.  
Die große Armut der Gôgen hatte mehrere Ursachen. Zum einen ist im Raum Tübingen die Erzeugung hochwertiger Weine aufgrund der Bodenbeschaffenheit nicht möglich, wodurch niemals hohe Preise für Tübinger Wein zu erzielen waren. Auch die heute von Hobbywinzern oder im Nebenerwerb angebauten Reben erreichen trotz moderner Hilfsmittel und Kunstdüngung meist keine hohe Qualität.  


Zum anderen sorgte die in Württemberg übliche [[Realteilung]] für Bewirtschaftungsflächen, die über die Generationen immer kleiner wurden. Im 19. Jahrhundert stand einer Gôgenfamilie im Durchschnitt eine Fläche von lediglich 3 bis 5 [[Morgen (Einheit)|Morgen]] (= ca. 1 bis 1,5 [[Hektar]]) zur Verfügung, was zur Ernährung einer Familie kaum ausreichte. Eine Ausweitung der Rebflächen war nicht möglich, da nur die ohnehin schon vollständig genutzten Südhänge für den Weinbau geeignet waren.<ref name="Wiki">[http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B4g#.C3.96konomisches Ökonomisches zum Tübinger Weinbau] auf Wikipedia</ref>  
Zum anderen sorgte die in Württemberg übliche [[Realteilung]] für Bewirtschaftungsflächen, die über die Generationen immer kleiner wurden. Im 19. Jahrhundert stand einer Gôgenfamilie im Durchschnitt eine Fläche von lediglich 3 bis 5 [[Morgen (Einheit)|Morgen]] (= ca. 1 bis 1,5 [[Hektar]]) zur Verfügung, was zur Ernährung einer Familie kaum ausreichte. Eine Ausweitung der Rebflächen war nicht möglich, da nur die ohnehin schon vollständig genutzten Südhänge für den Weinbau geeignet waren.<ref name="Wiki">[http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B4g#.C3.96konomisches Ökonomisches zum Tübinger Weinbau] auf Wikipedia</ref>  
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Aber auch in den Jahren danach lebten die meisten Gôgen in großer Armut, da sich an den ungeeigneten Böden und den zu kleinen Anbauflächen nichts geändert hatte. Außerdem wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund der verbesserten Transportwege vermehrt hochwertige Weine in den Raum Tübingen eingeführt, so dass der Tübinger Wein immer weniger Käufer fand. Daher gaben fast alle Gôgen den Weinanbau in den nachfolgenden Jahrzehnten auf oder betrieben ihn nur noch im Nebenerwerb.
Aber auch in den Jahren danach lebten die meisten Gôgen in großer Armut, da sich an den ungeeigneten Böden und den zu kleinen Anbauflächen nichts geändert hatte. Außerdem wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund der verbesserten Transportwege vermehrt hochwertige Weine in den Raum Tübingen eingeführt, so dass der Tübinger Wein immer weniger Käufer fand. Daher gaben fast alle Gôgen den Weinanbau in den nachfolgenden Jahrzehnten auf oder betrieben ihn nur noch im Nebenerwerb.
== Moderner Weinbau ==
[[Datei:Weinanbau am Holzackerweg Tübingen Hirschau 2.jpg|mini|Dunkle Reben am [[Holzackerweg]] in [[Hirschau]]]]
[[Datei:Weinanbau am Holzackerweg Tübingen Hirschau 1.jpg|mini|Helle Reben am Holzackerweg in Hirschau]]
=== Namen des Anbaugebiets und der Einzellagen ===
Die Weinberge im Landkreis Tübingen sind heute Teil des bestimmten Anbaugebietes Württemberg und machen zusammen mit den Rebflächen im Kreis Reutlingen das Anbaugebiet „Oberer Neckar“ aus. Die Lagenbezeichnung gibt die Weinbergsrolle vor. Das gesamte Kreisgebiet ist großlagenfrei. Tübingen, [[Unterjesingen]] und [[Hirschau]] verwenden die (Einzel-)lagenbezeichnung „[[Sonnenhalden]]“, [[Breitenholz]] „Hinterhalde“, [[Entringen]] „Pfaffenberg“, [[Rottenburg]], [[Wurmlingen]] und [[Wendelsheim]] und das sonstige [[Ammertal]] „Kapellenberg“.<ref name="Landratsamt" />
=== Steillagen ===
Die Reblagen sind überwiegend durch [[Trockenmauer]]n terrassierte Steillagen, deren Bewirtschaftung arbeitswirtschaftlich sehr aufwendig ist. Daraus ergibt sich, dass die durchschnittlich bewirtschaftete Fläche mit 15 ar sehr niedrig und die Zahl der Betriebe mit 242 sehr hoch ist.<ref name="Landratsamt" />
Etwa die Hälfte aller Weinbaubetriebe erzeugen Wein ausschließlich zur Selbstversorgung. Nur neun Betriebe bewirtschaften Rebflächen mit einem Umfang von mehr als 50 ar.
Diese erwerbsorientierten Weingärtner sind auf arbeitswirtschaftlich günstigere Verhältnisse angewiesen, d.h. eine Bearbeitung im Direktzug oder mindestens mit Seilzug muss möglich sein.<ref name="Landratsamt" />
=== Kellerwirtschaft ===
Die überwiegende Menge des baden-württembergischen Weines wird in genossenschaftlichen Kellern ausgebaut. Diese Möglichkeit besteht für die hiesigen Weingärtner nicht - d.h. jeder Weingärtner ist gleichzeitig sein eigener Kellermeister. Dies ist aufwendig hinsichtlich Zeitauf-wand und technischer Ausstattung und stellt hohe Anforderungen an den Informationsstand. Im Ergebnis führt es zu einer sehr großen Vielfalt an verschiedenen Weinen und Qualitäten.
=== Qualität ===
Etwa jeder achte Betrieb im Kreis stellt zumindest einen Teil der erzeugten Weine bei der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt in Weinsberg zur Qualitätsweinprüfung an, in der Regel mit sehr gutem Erfolg. Neben dem einfachen Qualitätswein sind auch Prädikatsstufen wie Kabinett und Spätlese vertreten. 2003 wurde erstmals ein heimischer Eiswein gelesen.


==Statistische Daten==
==Statistische Daten==
[[Datei:Kelternplatz-alt.jpg|mini|[[Die Kelter|Schmiedtor-Kelter]] am [[Kelternplatz]] im Jahr [[1902]]. Foto vermutlich von Ferdinand Waiblinger.]]


Martin Biastoch listet in seiner Dissertation von 1996 folgende Zahlen auf:  
Martin Biastoch listet in seiner Dissertation von 1996 folgende Zahlen auf:  
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:*Der Rest ist Rosé, Weißherbst und Schiller.
:*Der Rest ist Rosé, Weißherbst und Schiller.


Bereits 1880 war die Hopfenanbaufläche mit 948 Morgen größer als die Weinanbaufläche mit 330 Morgen. Mehr als die Hälfte des Ackerlands gehörte den Gôgen, der Rest gehörte dem evangelischen Stift, Handwerkern, Händlern, alteingesessenen Professorenfamilien, die die Gôgen für den Wein- und [[Hopfenanbau]] als Tagelöhner beschäftigten.<ref>Martin Biastoch: [http://books.google.de/books?id=A8Te_sZe4xUC&lpg=PA180&dq=Martin%20Biastoch%20umgangssprachlich%20gogen&hl=en&pg=PA180#v=onepage&q&f=false Tübinger Studenten im Kaiserreich.] Franz Steiner Verlag, 1996, Seite 180.</ref>
Bereits 1880 war die Hopfenanbaufläche mit 948 Morgen größer als die Weinanbaufläche mit 330 Morgen. Mehr als die Hälfte des Ackerlands gehörte den Gôgen, der Rest gehörte dem evangelischen Stift, Handwerkern, Händlern, alteingesessenen Professorenfamilien, die die Gôgen für den Wein- und Hopfenanbau als Tagelöhner beschäftigten.<ref>Martin Biastoch: [http://books.google.de/books?id=A8Te_sZe4xUC&lpg=PA180&dq=Martin%20Biastoch%20umgangssprachlich%20gogen&hl=en&pg=PA180#v=onepage&q&f=false Tübinger Studenten im Kaiserreich.] Franz Steiner Verlag, 1996, Seite 180.</ref>
 
Im Kreis Tübingen gibt es heute ca. 200 Hektar für den Weinbau geeignete Rebflächen, die in den örtlichen Rebenaufbauplänen ausgewiesen sind. Tatsächlich mit Reben bestockt waren [[2004]] noch 29,26 ha, weitere 6,47 ha gerodete Rebflächen können wiederbestockt werden und für 1,2 ha wurden Neuanpflanzungsrechte zugeteilt. Örtliche Schwerpunkte sind Unterjesingen, Hirschau, Wurmlingen, Wendelsheim und Breitenholz. Daneben wird Wein auch in Rottenburg, Tübingen, Entringen und Pfäffingen angebaut.<ref name="Landratsamt">https://www.kreis-tuebingen.de/site/LRA-Tuebingen-Internet-Root/get/params_E-1746432909/14841285/Wein-,%20Most-%20und%20Besenf%C3%BChrer01-2018.pdf Wein-, Most- und Besenfuehrer des Landratsamts Tübingen, Abteilung 40, Landwirtschaft, Baurecht und Naturschutz, 2018]</ref>
 
== Ein Gôgen-Witz zum Thema ==
 
Ein zerstreuter Professor betritt verbotenerweise einen Weinberg zur Zeit der Lese. Der Gôg droht dem unfreiwilligen Eindringling: "Wenn d'net glei aus meim Gärtle nausgosch', no henk'i dir s'Kreiz aus, daß'd dein Arsch en dr Schling hoimtrage muasch, no schlag i di o'gschpitzt en Bode nei, daß di dr Herrgott mit dr Beißzang rausziage muß....!"  <br>
Der Professor entschuldigt sich vielmals: "Bitte, lieber Mann, stoßen Sie doch nicht so schreckliche Drohungen aus! Ich bin doch nur aus Versehen auf Ihr Grundstück gekommen."
Der Gog, versöhnlich: "Drom secht mrs jo au em Guate!"


==Weblinks==
==Weblinks==
* [http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Das-Aufleben-einer-nicht-einfachen-Tradition-_arid,83057.html Tagblatt-Artikel zur Weinbaugeschichte]  
* [http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Das-Aufleben-einer-nicht-einfachen-Tradition-_arid,83057.html Tagblatt-Artikel zur Weinbaugeschichte]


== Quellen ==
== Quellen ==
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==Siehe auch==
==Siehe auch==
[[Datei:Woche-37-2009.jpg|mini|Trauben über Unterjesingen mit Blick zur Wurmlinger Kapelle]]
*[[Geschichte#Weinbau in Tübingen|Geschichte: Weinbau in Tübingen]]  
*[[Geschichte#Weinbau in Tübingen|Geschichte: Weinbau in Tübingen]]  
*[[Weinstuben]]  
*[[Weinstuben]]  
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*[[Unterjesingen]]
*[[Unterjesingen]]
*[[Wurmlingen]]
*[[Wurmlingen]]
*[[Wein-, Obst- und Naturlehrpfad Wurmlingen/Hirschau|Weinlehrpfad Wurmlingen/Hirschau]]




[[Kategorie:Wein|!]][[Kategorie:Gôgen]][[Kategorie:Landwirtschaft]][[Kategorie:Wirtschaft]][[Kategorie:Pflanzen]][[Kategorie:Weinbau]][[Kategorie:Geschichte]]
[[Kategorie:Gôgen]][[Kategorie:Landwirtschaft]][[Kategorie:Wirtschaft]][[Kategorie:Pflanzen]]
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