Bearbeiten von „Stolpersteine

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{{Coordinate||Latitude=48.52180182|Longitude=9.055992|type=landmark}}<br />[[Datei:Stolperstein Eugen Waiblinger Tübingen.jpg|100px]]
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| Waiblinger, Eugen (* 1927; gest. 1940)
| Waiblinger, Eugen (* 1927; gest. 1940)
|Eugen Waiblinger wurde am 2.06.1927 als gesundes Baby auf die Welt und wuchs mit seinen 5 oder 6 Geschwistern im Armenhaus 7 in Tübingen auf. Nach einer Hirnhautentzündung mit zwei Monaten erkrankte er an Epilepsie. am 2.5.1933 kam der fünfjährige in die Pflegeanstalt Stetten. Nach sieben Jahren und vier Monaten dort wurde der 13-jährige Junge am 13.09.1940 im Rahmen der "Euthanasie-Aktion T4" nach Schloss Grafeneck gebracht. Dort wurde er mit weiteren Bewohnern der Heil- und Pflegeanstalt Stetten noch am selben Tag grausam durch Gas ermordet. Die Familie erfuhr erst wenige Tage später vom Tod ihres Sohnes, welcher jedoch von den Verantwortlichen in Grafeneck feige als ein "natürlicher Tod" vertuscht wurde. Am 9.11.1940 wurde dann eine Urne mit der Asche nicht identifizierbarer verbrannter Leichen, aus dem Krematorium Grafeneck auf dem [[Stadtfriedhof]] Tübingen beigesetzt. Die Familie war im festen Glauben, dort ihren Jungen, aufgrund eines natürlichen Todes beerdigt zu haben.
|Eugen Waiblinger wurde am 2.06.1927 als gesundes Baby auf die Welt und wuchs mit seinen 5 oder 6 Geschwistern im Armenhaus 7 in Tübingen auf. Nach einer Hirnhautentzündung mit zwei Monaten erkrankte er an Epilepsie. am 2.5.1933 kam der fünfjährige in die Pflegeanstalt Stetten. Nach sieben Jahren und vier Monaten dort wurde der 13-jährige Junge am 13.09.1940 im Rahmen der "Euthanasie-Aktion T4" nach Schloss Grafeneck gebracht. Dort wurde er mit weiteren Bewohnern der Heil- und Pflegeanstalt Stetten noch am selben Tag grausam durch Gas ermordet. Die Familie erfuhr erst wenige Tage später vom Tod ihres Sohnes, welcher jedoch von den Verantwortlichen in Grafeneck feige als ein "natürlicher Tod" vertuscht wurde. Am 9.11.1940 wurde dann eine Urne mit der Asche nicht identifizierbarer verbrannter Leichen, aus dem Krematorium Grafeneck auf dem [[Stadtfriedhof]] Tübingen beigesetzt. Die Familie war im festen Glauben, dort ihren Jungen, aufgrund eines natürlichen Todes beerdigt zu haben.
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| {{SortKey|Herrenberger Straße 77}}[[Herrenberger Straße]] 77
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| Scholz, Gustav<br />(*1916; gest. 1940)
| Scholz, Gustav<br />(*1916; gest. 1940)
| Gustav Scholz wurde am 23.06.1916 in Tübingen geboren. Seine Eltern Feodor und Maria Scholz stammen aus dem Bezirk Breslau und waren Schriftsetzer. Bis 1921 lebte die Familie in der Herrenberger Straße 77, bevor sie ohne Gustav nach Stuttgart zogen. Der fünfjährige Gustav war da bereits seit 2 Jahren in einer Heilanstalt in Schussenried eingewiesen worden, da er unter Epilepsie litt. Am 1.07.1940 wurde er in die Anstalt Liebenau verlegt. Drei Wochen späte, am 22.07.1940, wurde er in die Vernichtungsanstalt Grafeneck eingeliefert und noch am selben Tag im Rahmen der "Aktion T4" ermordet.
| Gustav Scholz wurde am 22.07.1940 in Grafeneck im Rahmen der "Aktion T4" ermordet.
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| {{SortKey|Hirschauer Straße2}}[[Hirschauer Straße]] 2
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| Finckh, Heinrich<br />(*1903; gest. 1940)
| Finckh, Heinrich<br />(*1903; gest. 1940)
| Heinrich Ernst Eugen Finckh wurde am 7.05.1903 in Wiesensteig oder Tübingen (vgl. Broschüre) als Sohn des Forstmeisters Karl Julius Alfred Finckh und Berta Adelheid Finckh (geb. Knorr) geboren. Er hatte zwei Brüder und eine Schwester: Heinrich Walter (*27.12.1000), Max (*8.12.1909)und Luise (*4.12.1898). Der Großvater war Wilhelm Friedrich Finckh war Obertribunalrat in Tübingen, der Urgroßvater Wilhelm Friedrich Philipp Kuhn Oberjustizrat. Die Familie wohnte in der Hirschauer Straße 2. Von 1909 bis 1917 besuchte Heinrich Finckh die Lateinschule in Gaildorf. Von 1917 bis 1920 die Schule in (Schwäbisch?) Hall. Er beschreibt sich 1920 selber als an einer "Gemütsverstimmung" leidend. Der Vater stuft das als Depression ein und weißt den Sohn vom 12.07. bis 7.08.1920 in die Nervenklinik ein. Dach beschreibt er sich als "erholt". Vermutlich hat er Ostern 1921 seine Matura (heute Abitur) bestanden. Er studierte danach Architektur und war dann Diplom-Ingenieur und Architekt. In einem Arztbericht vom 10.09.1929 wird beschrieben, dass er Stimmen höre und dass er sich allein und von keinen gemocht empfindet. Er bekommt die Diagnose Schizophrenie, die sich aus heutiger Sicht nicht umbedingt bestätigen lässt. Am 18.01.1930 wird er in Christophsbad in Göppingen in die Heilanstalt als "unheilbar" aufgenommen. Am 26.06.1940 wird er nach Weißenau verlegt. Von dort erfolgt eine Anfrage an den Bürgermeister in Tübingen bezüglich der erbbiologischen Bestandsaufnahme der Anstaltsinsassen und ihrer "Sippen" - so die damalige Ausdrucksweise. Der Heilanstalt soll eine Auskunft über die gesundheitlichen Verhältnisse in körperlicher und geistiger Beziehung über die Familie Finckh/Knorr und deren Verwandtschaft gegeben werden. Am 5.12.1940 wird Heinrich Finckh nach Grafeneck verlegt und mutmaßlich noch am selben Tag im Rahmen der "Aktion T4" ermordet.
| Heinrich Finckh wurde am 5.12.1940 in Grafeneck im Rahmen der "Aktion T4" ermordet.
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| Weil, Rosalie<br />(*1871; gest. 1940)
| Weil, Rosalie<br />(*1871; gest. 1940)
| Rosalie Herrmann wurde am 20. August 1871 in Stuttgart in einer jüdischen Familie geboren. Am 9. April 1896 heiratete sie in Stuttgart Sigmund Weil und zog mit ihm am 26. Januar 1903 nach Tübingen. Dort wurde Sigmund Weil zusammen mit seinem Bruder Albert Teilhaber am Verlag der „Tübinger Chronik“. Heimwehkrank nach Stuttgart, wurde sie bereits am 13. November 1903 in die Heil- und Pflegeanstalt Schussenried eingeliefert; die Ehe wurde am 1. Mai 1907 geschieden. Am 9. Juli 1940 wurde sie mit einem Transport von 75 Patienten aus Schussenried in die Tötungsanstalt Grafeneck gebracht, wo sie der „Euthanasie“-Aktion „T4“ zum Opfer fiel.
| Rosalie Herrmann wurde am 20. August 1871 in Stuttgart in einer jüdischen Familie geboren. Am 9. April 1896 heiratete sie in Stuttgart Sigmund Weil und zog mit ihm am 26. Januar 1903 nach Tübingen. Dort wurde Sigmund Weil zusammen mit seinem Bruder Albert Teilhaber am Verlag der „Tübinger Chronik“. Heimwehkrank nach Stuttgart, wurde sie bereits am 13. November 1903 in die Heil- und Pflegeanstalt Schussenried eingeliefert; die Ehe wurde am 1. Mai 1907 geschieden. Am 9. Juli 1940 wurde sie mit einem Transport von 75 Patienten aus Schussenried in die Tötungsanstalt Grafeneck gebracht, wo sie der „Euthanasie“-Aktion „T4“ zum Opfer fiel.
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|rowspan="5" | {{SortKey|Uhlandstraße15}}[[Uhlandstraße]] 15<br />
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[[Datei:Gebäude Uhlandstrasse 15 Tübingen.jpg|100px]]<br /><br />[[Datei:Stolpersteine Hayum Tübingen Uhlandstraße 15.jpg|100px]]<br />{{Coordinate||Latitude=48.517722|Longitude=9.055870|type=landmark}}
[[Datei:Gebäude Uhlandstrasse 15 Tübingen.jpg|100px]]<!--<br /><br />[[Datei:öööStolperstein(e)äää.jpg|100px]]--><br />{{Coordinate||Latitude=48.517722|Longitude=9.055870|type=landmark}}
| Hayum, Dr. Simon<br />(*1867; überlebte)
| Hayum, Dr. Simon<br />(*1867; überlebte)
| [[Simon Hayum]] wurde am 27. Januar 1867 in der Goldschmiedstraße, nahe der Synagoge, im alten, jüdischen Teil [[Hechingen]]s geboren als sechstes und jüngstes Kind der Eheleute Heinrich und Auguste Hayum, geborene Freiburger. Die Familie entstammte seit Generationen dem kleinbürgerlichen Milieu jüdischer Kleinhändler. Simon Hayum hat sich dazu zeitlebens bekannt. Vier Jahre nach Simons Geburt wurden die deutschen Juden gleichgestellte Staatsbürger mit allen Rechten. So wuchs das Kind einerseits im Bewusstsein moderner Emanzipationsbestrebungen auf, andererseits befolgten die Hechinger Juden sehr streng die Sabbathruhe, das Thora-Studium und die koscheren Speiseregeln. Das Elternhaus stellte eine enge Verknüpfung dar von familiärer Verbundenheit, religiöser Moral und Tradition, die zum aufrichtigen Leben und zur Toleranz anhielt. Simon besuchte nach Volks- und Realschule in Hechingen, unterstützt von Verwandten, das Gymnasium in Stuttgart. er studierte dann in Berlin, Leipzig und Tübingen Jura und ließ sich schließlich 1892 als Rechtsanwalt in Tübingen nieder, zuerst in der Kronen-, dann, ab 1905, in der Uhlandstraße 15. Die Emanzipation schien gelungen. Das zeigt auch 1897 die Heirat mit Hermine Weil, Tochter einer Bankiersfamilie ebenfalls aus Hechingen. Er war erfolgreich im Beruf, sah sich als Vertreter der „kleinen Leute“ und ihrer Rechte. 1913 war Julius Katz, der Sohn seiner Schwester Johanna, als Kompagnon der Kanzlei beigetreten, 1929 auch Simons Sohn Heinz. Sie waren die größte Kanzlei Tübingens mit hohem Ansehen. Politisch gehörte sein Engagement seit seiner Studienzeit der Freisinnigen Volkspartei, der späteren DDP mit dem Ziel weiterer Demokratisierung. Die Partei war linksliberal. Gesellschaftlich integrierte sich der humanistisch gebildete Mann, der täglich auch lateinische Zitate verwendete, immer mehr. Er wurde Mitte der 1890er Jahre Mitglied der [[Museumsgesellschaft]], 1898 des Bürgervereins, war als Obmann des Bürgerausschusses bis 1912 befasst mit der Haushaltsführung der Stadt. In dieser Funktion stieß er unter anderem den Bau des [[Uhlandbad]]es an. 1919 wurde er Gemeinderat. Simon Hayum gehörte so der Gründergeneration an, die erst nach der Jahrhundertwende in führende Positionen aufrückte und das öffentliche Leben mitbestimmte. Er kämpfte für eine demokratische Republik, für volle politische Gleichberechtigung, für die Wahrung des Friedens und für eine Sozialpolitik mit sozialliberalem Akzent. Simon Hayum blieb zeitlebens seinem Glauben treu, las oftmals abends im Talmud. Er prägte auch von den Anfängen der Republik bis in die zeit des NS die jüdische Landesvertretung Württemberg als Vizepräsident, dann als Präsident bis 1935. Es gab auch schon vor 1933 antisemitische Vorfälle in Tübingen, und Hayum, als Vorsitzender des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, setzte sich mit diesen sozusagen qua Amtes auseinander. Aber in seinem Rückblick von 1939 schienen sie ihm marginal, man hatte immerhin noch die Möglichkeit gehabt, rechtlich dagegen vorzugehen. 1929/30 destabilisierte sich die Welt und mit ihr die junge Demokratie. Die Stunde der militanten Rechten war gekommen, und ab 1933 wurde es auch für Leute wie ihn existentiell bedrohlich. Seine Situation veränderte sich schlagartig. Als Gemeinderat trat er selbst am 31. März 1933 zurück, um dem Ausschluss zuvorzukommen. Bereits einen Tag später, am 1. April 1933 wurde Hayums Kanzlei boykottiert. Die aufgepflanzten SA-Posten brandmarkten seine Kanzlei als jüdisch. Er bemerkte: „es kann uns nichts mehr passieren, wir sind bewacht.“ Nach einer Stunde zogen die SA-Leute ab und man konnte wieder normal arbeiten. Es blieb noch ruhig in Tübingen, aber dies war auch die einzige jüdische Kanzlei. Es folgte kurz danach das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 7. April 1933, das die Entlassung jüdischer Beamter, das Gesetz über „die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“, das die Entziehung der Zulassung für Rechtsanwälte ermöglichte. Simon Hayum trat 1934 zugunsten seines Sohnes von seiner Zulassung zurück, und die Auftragslage der als jüdisch stigmatisierten Kanzlei wurde immer prekärer, so dass schließlich Simons Neffe und Partner Julius Katz 1935 in die Schweiz auswanderte und 1938 sein Sohn Heinz mit Familie in die USA emigrierte, trotz immer noch vorhandener Zulassung. Lange jedoch zögerten Simon Hayum und seine Frau, trotz konkreter Bedrohung zum Beispiel seines Schwiegersohns Louis Koppel in Dortmund, das Land zu verlassen, das ihnen in Tübingen „Heimat“ war und wo in Hechingen noch die alte Mutter wohnte. Sie lebten zurückgezogen und kapselten sich ein. Erst nach dem Novemberpogrom 1938 wurde ihnen deutlich, dass ein Verbleiben nicht mehr möglich war. Bereits kurz danach, Mitte Dezember, hatte Julius Katz die Einreisevisa für die Schweiz besorgt. Bruder Joseph, dort längst ansässig, stellte die notwendige Bürgschaft. Gewarnt durch einen anonymen Anruf (wahrscheinlich seines ehemaligen Parteifreundes, Oberbürgermeister [[Adolf Scheef]] - spätere Äußerung Hayums) entschied sich schließlich das Ehepaar Hayum am 2. Februar 1939 zur Flucht in die Schweiz und entzog sich damit der angekündigten Verhaftung.
| [[Simon Hayum]] wurde am 27. Januar 1867 in der Goldschmiedstraße, nahe der Synagoge, im alten, jüdischen Teil [[Hechingen]]s geboren als sechstes und jüngstes Kind der Eheleute Heinrich und Auguste Hayum, geborene Freiburger. Die Familie entstammte seit Generationen dem kleinbürgerlichen Milieu jüdischer Kleinhändler. Simon Hayum hat sich dazu zeitlebens bekannt. Vier Jahre nach Simons Geburt wurden die deutschen Juden gleichgestellte Staatsbürger mit allen Rechten. So wuchs das Kind einerseits im Bewusstsein moderner Emanzipationsbestrebungen auf, andererseits befolgten die Hechinger Juden sehr streng die Sabbathruhe, das Thora-Studium und die koscheren Speiseregeln. Das Elternhaus stellte eine enge Verknüpfung dar von familiärer Verbundenheit, religiöser Moral und Tradition, die zum aufrichtigen Leben und zur Toleranz anhielt. Simon besuchte nach Volks- und Realschule in Hechingen, unterstützt von Verwandten, das Gymnasium in Stuttgart. er studierte dann in Berlin, Leipzig und Tübingen Jura und ließ sich schließlich 1892 als Rechtsanwalt in Tübingen nieder, zuerst in der Kronen-, dann, ab 1905, in der Uhlandstraße 15. Die Emanzipation schien gelungen. Das zeigt auch 1897 die Heirat mit Hermine Weil, Tochter einer Bankiersfamilie ebenfalls aus Hechingen. Er war erfolgreich im Beruf, sah sich als Vertreter der „kleinen Leute“ und ihrer Rechte. 1913 war Julius Katz, der Sohn seiner Schwester Johanna, als Kompagnon der Kanzlei beigetreten, 1929 auch Simons Sohn Heinz. Sie waren die größte Kanzlei Tübingens mit hohem Ansehen. Politisch gehörte sein Engagement seit seiner Studienzeit der Freisinnigen Volkspartei, der späteren DDP mit dem Ziel weiterer Demokratisierung. Die Partei war linksliberal. Gesellschaftlich integrierte sich der humanistisch gebildete Mann, der täglich auch lateinische Zitate verwendete, immer mehr. Er wurde Mitte der 1890er Jahre Mitglied der [[Museumsgesellschaft]], 1898 des Bürgervereins, war als Obmann des Bürgerausschusses bis 1912 befasst mit der Haushaltsführung der Stadt. In dieser Funktion stieß er unter anderem den Bau des [[Uhlandbad]]es an. 1919 wurde er Gemeinderat. Simon Hayum gehörte so der Gründergeneration an, die erst nach der Jahrhundertwende in führende Positionen aufrückte und das öffentliche Leben mitbestimmte. Er kämpfte für eine demokratische Republik, für volle politische Gleichberechtigung, für die Wahrung des Friedens und für eine Sozialpolitik mit sozialliberalem Akzent. Simon Hayum blieb zeitlebens seinem Glauben treu, las oftmals abends im Talmud. Er prägte auch von den Anfängen der Republik bis in die zeit des NS die jüdische Landesvertretung Württemberg als Vizepräsident, dann als Präsident bis 1935. Es gab auch schon vor 1933 antisemitische Vorfälle in Tübingen, und Hayum, als Vorsitzender des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, setzte sich mit diesen sozusagen qua Amtes auseinander. Aber in seinem Rückblick von 1939 schienen sie ihm marginal, man hatte immerhin noch die Möglichkeit gehabt, rechtlich dagegen vorzugehen. 1929/30 destabilisierte sich die Welt und mit ihr die junge Demokratie. Die Stunde der militanten Rechten war gekommen, und ab 1933 wurde es auch für Leute wie ihn existentiell bedrohlich. Seine Situation veränderte sich schlagartig. Als Gemeinderat trat er selbst am 31. März 1933 zurück, um dem Ausschluss zuvorzukommen. Bereits einen Tag später, am 1. April 1933 wurde Hayums Kanzlei boykottiert. Die aufgepflanzten SA-Posten brandmarkten seine Kanzlei als jüdisch. Er bemerkte: „es kann uns nichts mehr passieren, wir sind bewacht.“ Nach einer Stunde zogen die SA-Leute ab und man konnte wieder normal arbeiten. Es blieb noch ruhig in Tübingen, aber dies war auch die einzige jüdische Kanzlei. Es folgte kurz danach das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 7. April 1933, das die Entlassung jüdischer Beamter, das Gesetz über „die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“, das die Entziehung der Zulassung für Rechtsanwälte ermöglichte. Simon Hayum trat 1934 zugunsten seines Sohnes von seiner Zulassung zurück, und die Auftragslage der als jüdisch stigmatisierten Kanzlei wurde immer prekärer, so dass schließlich Simons Neffe und Partner Julius Katz 1935 in die Schweiz auswanderte und 1938 sein Sohn Heinz mit Familie in die USA emigrierte, trotz immer noch vorhandener Zulassung. Lange jedoch zögerten Simon Hayum und seine Frau, trotz konkreter Bedrohung zum Beispiel seines Schwiegersohns Louis Koppel in Dortmund, das Land zu verlassen, das ihnen in Tübingen „Heimat“ war und wo in Hechingen noch die alte Mutter wohnte. Sie lebten zurückgezogen und kapselten sich ein. Erst nach dem Novemberpogrom 1938 wurde ihnen deutlich, dass ein Verbleiben nicht mehr möglich war. Bereits kurz danach, Mitte Dezember, hatte Julius Katz die Einreisevisa für die Schweiz besorgt. Bruder Joseph, dort längst ansässig, stellte die notwendige Bürgschaft. Gewarnt durch einen anonymen Anruf (wahrscheinlich seines ehemaligen Parteifreundes, Oberbürgermeister [[Adolf Scheef]] - spätere Äußerung Hayums) entschied sich schließlich das Ehepaar Hayum am 2. Februar 1939 zur Flucht in die Schweiz und entzog sich damit der angekündigten Verhaftung.
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