Johann Georg Gmelin (Entdecker)
Johann Georg Gmelin (* 10. August 1709 in Tübingen; † 20. Mai 1755 ebd.) gehört zu den wissenschaftlichen Erforschern Sibiriens.
Nicht verwechselt werden sollte er mit seinem Vater Johann Georg Gmelin (Chemiker), der von 1674 bis 1728 lebte und häufig den Namenszusatz "der Ältere" erhält.
Seine Mutter war Susanna Barbara Haas (1687–1760).[1]
Studium und Professur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Mit 13 Jahren begann er ein Studium an der Universität, schloss es in Medizin und Naturwissenschaften mit Auszeichnung ab und promovierte 1728[2] mit einer Arbeit zur chemischen Zusammensetzung eines Heilwassers [3]
Bereits 1727[4] folgte er seinem Mentor Georg Bernhard Bilfinger (1693–1750)[5] nach Sankt Petersburg und erhielt dort ein Stipendium der wenige Jahre vorher gegründeten Russischen Akademie der Wissenschaften. Ab 1730 hielt er Vorlesungen an der Universität und wurde 1731 mit 22 Jahren Professor für Chemie und Naturgeschichte.[6] Als solcher erforschte er die Pflanzenwelt und Geologie Sibiriens.
Sibirienexpedition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1732 bewarb er sich, um an der "Großen Nordischen Expedition" teilzunehmen. Diese hatte das Ziel, Sibirien systematisch zu erforschen, einschließlich seiner Geographie, Flora, Fauna, Bodenschätze, Völker und Sprachen, und die Ergebnisse für wissenschaftliche und wirtschaftliche Zwecke zu dokumentieren.
Organisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Diese sog. zweite Kamtschatkaexpedition gehörte mit mehr als 3.000 direkt und indirekt Beteiligten zu den umfangreichsten Forschungsunternehmen der Geschichte.[3] Die Expedition wurde offiziell von der Zarin Anna Iwanowna beauftragt und von Vitus Bering geleitet. Sie gliederte sich in drei Hauptgruppen, die unterschiedliche Regionen Sibiriens und der Arktis erforschten.
Gmelin war Teil der "akademischen Gruppe"[3] und wurde zusammen mit zwei weiteren Expeditionsleitern - dem deutschen Historiker Gerhard Friedrich Müller und dem französischen Astronomen Louis De l’Isle - von der Zarin ausgewählt. Gmelins Aufgabe war es, die Tier- und Pflanzenwelt sowie die Bodenschätze zu erforschen.[3]
Route von Gmelins Reise[7][Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Sibirienreise dauert von 1733 bis 1743.
Die Reise führte Gmelin zunächst über Nowgorod, Kasan und Jekaterinburg nach Tjumen und schließlich nach Tobolsk, wo er im Februar 1734 eintraf. Im Mai desselben Jahres begann eine längere Forschungsreise durch das Innere Sibiriens. Gemeinsam mit Müller folgte er dem Irtysch flussaufwärts. Die Route führte sie weiter über Semipalatinsk, Kusnezk, Tomsk, Melezk, Jenisseisk, Krasnojarsk, Udinsk und schließlich nach Irkutsk, das sie im März 1735 erreichten.
Von Irkutsk aus ließen sie einen Teil ihres Gepäcks zurück, um den Baikalsee und das Gebiet jenseits des Sees, Transbaikalien, zu erkunden. Sie besuchten mit einem Abstecher die Handelsstadt Kjachta an der chinesischen Grenze und die Bergwerke von Argun. Den Winter 1735/1736 verbrachten sie in Irkutsk: Müller arbeitete vor allem in den Archiven, während Gmelin botanische Studien durchführte.
1736 setzten sie ihre Reise nach Jakutsk fort, zunächst über den vereisten Angara-Fluss bis nach Ilimsk, wo sie das Osterfest feierten. Im Mai fuhren sie die Lena flussabwärts und erreichten im September Jakutsk. Dort trafen sie auf die pazifischen Abteilungen der Expedition - Bering selbst traf Gmelin aber nie.[8]
Kurz vor Erreichen des Reiseziels scheiterte die Lieferung des erforderlichen Proviants nach Kamtschatka an behördlichen Verzögerungen. Zusätzlich wurden 1736 alle Instrumente, Sammlungen und Aufzeichnungen Gmelins bei einem Brand zerstört. Daher entschied man sich in Jakutsk zur Umkehr nach Westen, um die Sammlungen erneut anzulegen.[9]
Sie schickten den mitreisenden Studenten Krascheninnikow vor, um Quartiere auf Kamtschatka vorzubereiten und botanische Studien zu beginnen. Dieser schloss sich im Sommer 1737 der "pazifischen Abteilung" mit Bering nach Ochotsk an. Der Arzt und Naturforscher Georg Wilhelm Steller unterstützte Kraschennikow ab dem Winter 1740/1741 mit Forschungen auf Kamtschatka. Gmelin selbst kam nie bis auf die Halbinsel.
1742 kehrte Krascheninnikow nach Sibirien zurück und traf dort wieder auf Gmelin und Müller. Steller blieb (bis 1744) auf Kamtschatka. Nach dem Bekanntwerden von Berings Tod wurde die Kamtschatkaexpedition im September 1743 offiziell für beendet erklärt.[10] Gmelin reiste mit den beiden nach St. Petersburg zurück.
Aufarbeitung der Reise und Rückkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Dort angekommen nahm Gmelin seine Arbeit wieder auf und wertete vor allem seine Forschungsergebnisse aus. In dieser Zeit verfasste er das vier- bzw. fünbändige Werk Flora sibirica sive Historia plantarum sibiriae; kurz: Flora Sibirica.
1747 bat er, zunächst um ein Jahr, um Suspendierung von seinen Pflichten und reiste zurück nach Tübingen, wo er nach diversen Zwischenstopps am 4. November 1747 ankam.[11]
Karriere in Tübingen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1749 wurde ihm eine Professur für Botanik und Chemie an der Universität angeboten. Die Lösung seines Dienstverhältnisses mit der Akademie in St. Petersburg gelang erst nach schwierigen Verhandlungen und mit Unterstützung von Herzog Karl Eugen von Württemberg.[12]
1751 wurde er Direktor des Botanischen Gartens.[13] Unter seiner Leitung wurden systematische Pflanzensammlungen und die Integration botanischer Forschung vorangetrieben.[14]
Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In Tübingen veröffentlichte er 1747/1749 die ersten zwei Bände der Flora Sibirica. Posthum erschienen zwei weitere Bände 1768/1769, veröffentlicht durch seinen Neffen Samuel Gottlieb Gmelin.[15] Das Werk beschreibt 1.178 Pflanzenarten, ergänzt durch rund 300 Kupferstiche, und gilt wegen seiner geobotanischen Erkenntnisse als bedeutender Beitrag zur Begründung der Pflanzengeographie.[13] Ein geplanter fünfter Band, der Farne, Schachtelhalme, Bärlappe, Moose, Algen, Pilze und Flechten umfassten sollte, wurde nicht veröffentlicht, liegt aber als Manuskript vor.[12]
Zusätzlich veröffentlichte Gmelin 1751–1752 seinen vierteiligen Reisebericht Reise durch Sibirien, von dem Jahr 1733 bis 1743[16], entgegen den Absprachen mit der russischen Akademie. Leonhard Euler meldete den "Vorfall" nach St. Petersburg. Die Veröffentlichung stieß in dort auf große Skepsis bis Ablehnung. Nachdem Gmelin sich beurlauben ließ und nicht nach Russland zurückkehrte, galt er innerhalb der Akademieleitung, insbesondere bei Kanzler Johann Daniel Schumacher, als unzuverlässig.
Ihm wurde vorgeworfen, das russische Volk scharf zu kritisieren und sich über die nationale Kultur lustig zu machen. Gmelin führte die erlebten Schwierigkeiten auf Grobheit, Faulheit und Trunksucht zurück. Trotz solcher Vorwürfe war seine Darstellung nach eigener Auffassung ehrlich. Kritische Bemerkungen seien zudem von seiner persönlichen Ironie geprägt gewesen, nicht von Verrat. Die von Gmelin enthaltenen kritischen Passagen über Russland führten dazu, dass keine russische Übersetzung oder Ausgabe erschien.[4]
In Europa fand das Werk indes großen Anklang. Sein Wert liegt heute sowohl in den völkerkundlichen und geowissenschaftlichen Beobachtungen als auch in den detaillierten Informationen zum Reiseverlauf.
Privates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
1749 heiratete er Barbara Frommann (1710-1789), mit der er drei Söhne hatte:.[2]
- Christian von Gmelin (1750-1823 - deutscher Rechtswissenschaftler)
- Eberhard Gmelin (1751-1809 - Stadtarzt in Heilbronn und Vertreter des "Mesmerisierens")[17]
- Heinrich Gmelin (geboren und gestorben 1752)[18]
Er selbst starb 1755 im Alter von 45 Jahren - wie es seine Witwe schreibt - "nach einer siebentägigen hitzigen Krankheit"[19], vermutlich an den Spätfolgen seiner intensiven Arbeit in der "Scheidekunst", der chemischen Analyse zur Gewinnung wirksamer Substanzen aus Pflanzen.[12]
Nach seinem Tod bat Gmelins Witwe die Zarin um Unterstützung für sich und die Kinder, da ihr Mann seine Kräfte und Fähigkeiten im Dienst des Russischen Reiches eingesetzt habe, jedoch mitten in seinen Arbeiten verstorben sei. Die Bitte wurde bewilligt: 1757 kaufte die Akademie Gmelins Herbarium und zahlte der Witwe 600 Rubel.[4]
Vermächtnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Gmelin gilt als ein Wegbereiter der modernen wissenschaftlichen Erschließung Sibiriens. Nach ihm wurden die Baumgattung Gmelina und die Dahurische Lärche Larix gmelinii benannt.
Gmelins botanische Exponate der Reise bilden heute die Kamtschatka-Sammlung des Herbarium Tubingense (TUB) der Universität Tübingen und werden vom Museum der Universität (MUT) verwaltet.
Gedicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wo Russlands breites Reich sich mit der Erde schließet
Und in dem letzten West des Morgens March zerfließet,
Wohin kein Vorwitz drang, wo Thiere fremder Art
Noch ungenannten Völkern dienten,
Wo unbekanntes Erzt sich für die Nachwelt spart
Und nie gepflückte Kräuter grünten,
Lag eine neue Welt, von der Natur versteckt,
Bis Gmelin sie entdeckt.
TV-Dokumentation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Das ZDF widmete im Jahr 2005 Gmelin und seinem Begleiter Gerhard Friedrich Müller eine 45-minütige TV-Dokumentation über die Sibirien-Expedition: Der 8. Kontinent: Die Eroberung Sibiriens, Teil 2: Forscher und Reisende , siehe bei ARD/Phoenix - abzurufen auf Youtube (August 2025)
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Johann Georg Gmelin (Entdecker) in Wikipedia
- Stadtrundgang zur "Wissenschaftsstadt Tübingen": Station "Am Markt 13: Johann Georg Gmelin"
- Tübinger Blätter, 64.1977, ab S. 41- Wilfried Schäfter: Vom Neckar bis zum Jenissej. Johann Georg Gmelin - ein Tübinger erforscht Sibirien
- "Reise durch Sibirien" D. Johann Georg Gmelins der Chemie und Kräuterwissenschaft auf der hohen Schule zu Tübingen öffentlichen Lehrers Reise durch Sibirien von dem Jahr 1733 bis 1743 - Teil 1 (zum Download)
Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ https://geneee.org/johann+georg/gmelin/4?lang=en (abgerufen am 14. August 2025)
- ↑ 2,0 2,1 https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_Gmelin_%28Entdecker%29 (abgerufen am 14. August 2025)
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 https://de.wikipedia.org/wiki/Zweite_Kamtschatkaexpedition#Die_akademische_Gruppe (abgerufen am 14. August 2025)
- ↑ 4,0 4,1 4,2 https://scfh.ru/en/papers/father-of-botany-johann-georg-gmelin/ (abgerufen am 14. August 2025)
- ↑ https://de.wikipedia.org/wiki/Zweite_Kamtschatkaexpedition#Die_akademische_Gruppe (abgerufen am 14. August 2025)
- ↑ https://amburger.ios-regensburg.de/index.php?id=52165 (abgerufen am 14. August 2025)
- ↑ https://de.wikipedia.org/wiki/Zweite_Kamtschatkaexpedition#Die_akademische_Gruppe_2 (abgerufen am 15. August 2025)
- ↑ https://www.chemie.de/lexikon/Johann_Georg_Gmelin.html (abgerufen am 15. August 2025)
- ↑ https://uni-tuebingen.de/adventskalender/2-dezember/ (abgerufen am 15. August 2025)
- ↑ https://www.steller-gesellschaft.de/steller-bio/ (abgerufen am 15. August 2025)
- ↑ Tübinger Blätter, 64.1977, ab S. 41- Wilfried Schäfter: Vom Neckar bis zum Jenissej. Johann Georg Gmelin - ein Tübinger erforscht Sibirien (abgerufen am 15. August 2025)
- ↑ 12,0 12,1 12,2 https://www.zobodat.at/pdf/Boletus_29_0061-0079.pdf (abgerufen am 15. August 2025)
- ↑ 13,0 13,1 https://en.wikipedia.org/wiki/Botanischer_Garten_der_Universit%C3%A4t_T%C3%BCbingen (abgerufen am 14. August 2025)
- ↑ https://dr-franz.oberwinkler.de/botanischer-garten-tuebingen/tuebg-uebersicht-1974-2008/kurze-geschichte-der-botanischen-gaerten-tuebingen (abgerufen am 14. August 2025)
- ↑ https://blogs.nottingham.ac.uk/makingsciencepublic/2023/05/12/the-gmelin-family-from-chemistry-to-phlogiston-and-permafrost/ (abgerufen am 14. August 2025)
- ↑ https://www.loc.gov/item/05014100 (abgerufen am 14. August 2025)
- ↑ s. https://de.wikipedia.org/wiki/Animalischer_Magnetismus (abgerufen am 14. August 2025)
- ↑ Gmelin, Heinrich (1752-1752)", hallerNet, https://hallernet.org/data/person/34669 (abfgerufen am 15. August 2025)
- ↑ https://hallernet.org/data/person/00362/correspondence (abgerufen am 15. August 2025)