Bearbeiten von „Stolpersteine“
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Mit '''Stolpersteinen''' erinnert der Künstler Gunter Demnig [https://de.wikipedia.org/wiki/Gunter_Demnig] (* 27. Oktober 1947 in Berlin) in vielen Städten an das Schicksal der Menschen, die im [[Aufarbeitung der Nazi-Zeit|Nationalsozialismus]] ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden:<ref name="elk-wue">Peter Steinle: [http://www.elk-wue.de/landeskirche/meldungen-landeskirche/detail/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=32905&tx_ttnews%5BbackPid%5D=68168&no_cache=1 ''26 Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus in Tübingens Südstadt. Gunter Demnigs Kunst gilt als weltgrößtes dezentrales Mahnmal.''] Pressemitteilung der Evangelischen Landeskirche Württemberg vom 25. November 2011.</ref><ref name="wiki">{{Wikipedia_de_dazu}}</ref> Am [[25. November]] [[2011]] wurden in der Tübinger | Mit '''Stolpersteinen''' erinnert der Künstler Gunter Demnig [https://de.wikipedia.org/wiki/Gunter_Demnig] (* 27. Oktober 1947 in Berlin) in vielen Städten an das Schicksal der Menschen, die im [[Aufarbeitung der Nazi-Zeit|Nationalsozialismus]] ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden:<ref name="elk-wue">Peter Steinle: [http://www.elk-wue.de/landeskirche/meldungen-landeskirche/detail/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=32905&tx_ttnews%5BbackPid%5D=68168&no_cache=1 ''26 Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus in Tübingens Südstadt. Gunter Demnigs Kunst gilt als weltgrößtes dezentrales Mahnmal.''] Pressemitteilung der Evangelischen Landeskirche Württemberg vom 25. November 2011.</ref><ref name="wiki">{{Wikipedia_de_dazu}}</ref> Am [[25. November]] [[2011]] wurden in der Tübinger Südstadt die ersten 26 Stolpersteine verlegt. Ein weiterer am [[31. Oktober]] [[2012]]. Und 29 weitere Stolpersteine wurden am [[10. Juli]] [[2018]] in der Tübinger [[Innenstadt]] eingesetzt.<ref>[https://de.wikipedia.org/wiki/Stolpersteine_in_Tübingen_Innenstadt "Stolpersteine in Tübingen Innenstadt" auf de.wikipedia.org]</ref> | ||
Am [[13. Juli]] [[2020]] | Am [[13. Juli]] [[2020]] sollen weitere 40 Stolpersteine verlegt werden.<ref>[http://www.verein-juedische-kultur-tuebingen.de/?page_id=437 www.verein-juedische-kultur-tuebingen.de "Stolperstein-Initiative"]</ref> | ||
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| Zivi, Else | | Zivi, Else | ||
| Else Zivi | | Else Zivi<ref name="elk-wuert">[https://web.archive.org/web/20150923235752/www.elk-wue.de/landeskirche/meldungen-landeskirche/detail/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=32905&tx_ttnews%5BbackPid%5D=68168&no_cache=1 Peter Steinle: ''26 Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus in Tübingens Südstadt. Gunter Demnigs Kunst gilt als weltgrößtes dezentrales Mahnmal.'' Pressemitteilung der Evangelischen Landeskirche Württemberg vom 25. November 2011.]</ref> | ||
| 2011-11-25 | | 2011-11-25 | ||
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| Zivi, Eugenie | | Zivi, Eugenie | ||
| Eugenie Zivi wurde (* 4. November 1883; gest. 18. Februar 1956) lebte mit ihrem Ehemann Josef Zivi und ihren beiden Töchtern in der Tübinger Breuningstraße 30. 1939 emigrierte die Familie nach Palästina. Ihr Mann war Vorsänger in der jüdischen Gemeinde. Eine wissenschaftliche Auswertung der Akten im ''Landesamt für die Wiedergutmachung Tübingen'' zeigt folgendes:<ref name="Matussek">Carmen Matussek: [http://carmenmatussek.wordpress.com/2012/03/#_ftn34 ''Schikane der “Wiedergutmachung”.'']</ref> Ihre jüngere Tochter Ruth Alexander, geb. Zivi (* 1910) stellte Ende der sechziger Jahre den Restitutionsantrag, denn Eugenie Zivi war zu diesem Zeitpunkt bereit verstorben.<ref>Geschichtswerkstatt Tübingen (Hrsg.): ''Zerstörte Hoffnungen. Wege der Tübinger Juden.'' Stuttgart 1995, S. 413.</ref> Die Akte ist unvollständig und besteht nur aus wenigen Seiten. Man erfährt, dass Ruth Alexander, geb. Zivi, im Jahr 1958 82 DM Auswanderungskosten für ihre Mutter erhielt.<ref>Akte von Frau Zivi (StaS Wü 33 T1 Nr. 6294).</ref> Den gleichen Betrag erhielt sie für ihren Vater in einem getrennt gestellten Antrag. Außerdem wurden ihr 1959 16 DM „wegen Schadens durch Zahlung einer Buße“ zugesprochen. „Im März 1934 wurde die Verfolgte wegen angeblicher abfälliger Äußerungen über einen Jungvolkführer in Schutzhaft genommen. Um ihre Haftentlassung zu erwirken, mußte ihr Ehemann Josef Zivi einen sogenannten ‚freiwilligen Beitrag‘ von 80,– RM an das Winterhilfswerk zahlen.“ Der Entschädigung stünde nicht entgegen, dass die Buße vom Ehemann der Verfolgten entrichtet wurde; denn er habe auf Grund seiner ehelichen Unterhaltspflicht die Zahlung offensichtlich an Stelle der Verfolgten geleistet. Es lagen Ansprüche nach dem BRüG vor, was aber nur aus einem kurzen Vermerk der Oberfinanzdirektion Stuttgart von 1960 hervorgeht: „Hinsichtlich der Entziehung von Edelmetallsachen, des Bankguthabens in Höhe von RM 2.453,30 und des Betrags von RM 500,–, der als ersatzlose Abgabe an die Dt. Golddiskontbank bezahlt wurde, werden auf das Land übergegangene Rückerstattungsansprüche nicht geltend gemacht.“<ref name="Matussek" /> | | Eugenie Zivi wurde (* 4. November 1883; gest. 18. Februar 1956) lebte mit ihrem Ehemann Josef Zivi und ihren beiden Töchtern in der Tübinger Breuningstraße 30. 1939 emigrierte die Familie nach Palästina. Ihr Mann war Vorsänger in der jüdischen Gemeinde. Eine wissenschaftliche Auswertung der Akten im ''Landesamt für die Wiedergutmachung Tübingen'' zeigt folgendes:<ref name="Matussek">Carmen Matussek: [http://carmenmatussek.wordpress.com/2012/03/#_ftn34 ''Schikane der “Wiedergutmachung”.'']</ref> Ihre jüngere Tochter Ruth Alexander, geb. Zivi (* 1910) stellte Ende der sechziger Jahre den Restitutionsantrag, denn Eugenie Zivi war zu diesem Zeitpunkt bereit verstorben.<ref>Geschichtswerkstatt Tübingen (Hrsg.): ''Zerstörte Hoffnungen. Wege der Tübinger Juden.'' Stuttgart 1995, S. 413.</ref> Die Akte ist unvollständig und besteht nur aus wenigen Seiten. Man erfährt, dass Ruth Alexander, geb. Zivi, im Jahr 1958 82 DM Auswanderungskosten für ihre Mutter erhielt.<ref>Akte von Frau Zivi (StaS Wü 33 T1 Nr. 6294).</ref> Den gleichen Betrag erhielt sie für ihren Vater in einem getrennt gestellten Antrag. Außerdem wurden ihr 1959 16 DM „wegen Schadens durch Zahlung einer Buße“ zugesprochen. „Im März 1934 wurde die Verfolgte wegen angeblicher abfälliger Äußerungen über einen Jungvolkführer in Schutzhaft genommen. Um ihre Haftentlassung zu erwirken, mußte ihr Ehemann Josef Zivi einen sogenannten ‚freiwilligen Beitrag‘ von 80,– RM an das Winterhilfswerk zahlen.“ Der Entschädigung stünde nicht entgegen, dass die Buße vom Ehemann der Verfolgten entrichtet wurde; denn er habe auf Grund seiner ehelichen Unterhaltspflicht die Zahlung offensichtlich an Stelle der Verfolgten geleistet. Es lagen Ansprüche nach dem BRüG vor, was aber nur aus einem kurzen Vermerk der Oberfinanzdirektion Stuttgart von 1960 hervorgeht: „Hinsichtlich der Entziehung von Edelmetallsachen, des Bankguthabens in Höhe von RM 2.453,30 und des Betrags von RM 500,–, der als ersatzlose Abgabe an die Dt. Golddiskontbank bezahlt wurde, werden auf das Land übergegangene Rückerstattungsansprüche nicht geltend gemacht.“<ref name="Matussek" /> | ||
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| Spiro, Edwin | | Spiro, Edwin | ||
| Edwin Spiro (* 10. Mai 1903; gest. 10. März 1943 in Auschwitz) wuchs in der Tübinger Christophstraße auf und wurde nach mehreren Wohnortswechseln in Cannstatt ein erfolgreicher Versicherungsbeamter, der sich ein Auto mit Chauffeur leisten konnte. Er wurde am Samstag, den 21. November 1935, eine Woche, nachdem eine Ausführungsverordnung zum sogenannten „Blutschutzgesetz“ erlassen worden war, durch einen Fellbacher Polizei-Oberkommissar und Polizeiwachtmeister in der Fellbacher August-Brändle-Straße verhaftet. Das Stuttgarter Landgericht verurteilte ihn am 28. Januar 1936 zu sechs Monaten Gefängnis, weil ihm zur Last gelegt wurde, dass er gegen das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ verstoßen habe, laut dem „außerehelicher Verkehr zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes“ verboten war.<ref name="Redies">Rainer Redies: [http://www.stolpersteine-cannstatt.de/node/68 ''Edwin Spiro: Rassenschande in Fellbach''].</ref> „Der Angeklagte unterhielt seit Herbst 1932 als Volljude ein Liebesverhältnis mit einer verheirateten Frau deutschen Blutes in Fellbach und setzte dieses auch nach Erscheinen des Gesetzes gegen Rassenschändung fort,“ hieß es dazu im Bericht im Schwäbischen Merkur vom 29. Januar 1936.<ref>''Schwäbischer Merkur.'' 29. Januar 1936. [http://www.stolpersteine-cannstatt.de/node/68 (Digitalisat)]</ref> In der Reichspogromnacht vom [[9. November]] [[1938]] wurde Edwin Spiro erneut verhaftet und ins KZ Welzheim verschleppt, wo er bis 31. Januar gefangen gehalten wurde. Am 20. Februar 1942 wurde er zum dritten Mal verhaftet und im KZ Welzheim gefangen gehalten, bis er am 2. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert wurde, wo er am 10. März 1943 umgebracht wurde. Im Rahmen der sogenannten Wiedergutmachung hat die Bundesrepublik Deutschland seiner Frau 3900 DM für erlittene Freiheitsentziehung und 3540 DM für Schaden im beruflichen Fortkommen ausgezahlt.<ref name="Redies" /> | | Edwin Spiro (* 10. Mai 1903; gest. 10. März 1943 in Auschwitz) wuchs in der Tübinger Christophstraße auf und wurde nach mehreren Wohnortswechseln in Cannstatt ein erfolgreicher Versicherungsbeamter, der sich ein Auto mit Chauffeur leisten konnte. Er wurde am Samstag, den 21. November 1935, eine Woche, nachdem eine Ausführungsverordnung zum sogenannten „Blutschutzgesetz“ erlassen worden war, durch einen Fellbacher Polizei-Oberkommissar und Polizeiwachtmeister in der Fellbacher August-Brändle-Straße verhaftet. Das Stuttgarter Landgericht verurteilte ihn am 28. Januar 1936 zu sechs Monaten Gefängnis, weil ihm zur Last gelegt wurde, dass er gegen das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ verstoßen habe, laut dem „außerehelicher Verkehr zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes“ verboten war.<ref name="Redies">Rainer Redies: [http://www.stolpersteine-cannstatt.de/node/68 ''Edwin Spiro: Rassenschande in Fellbach''].</ref> „Der Angeklagte unterhielt seit Herbst 1932 als Volljude ein Liebesverhältnis mit einer verheirateten Frau deutschen Blutes in Fellbach und setzte dieses auch nach Erscheinen des Gesetzes gegen Rassenschändung fort,“ hieß es dazu im Bericht im Schwäbischen Merkur vom 29. Januar 1936.<ref>''Schwäbischer Merkur.'' 29. Januar 1936. [http://www.stolpersteine-cannstatt.de/node/68 (Digitalisat)]</ref> In der Reichspogromnacht vom [[9. November]] [[1938]] wurde Edwin Spiro erneut verhaftet und ins KZ Welzheim verschleppt, wo er bis 31. Januar gefangen gehalten wurde. Am 20. Februar 1942 wurde er zum dritten Mal verhaftet und im KZ Welzheim gefangen gehalten, bis er am 2. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert wurde, wo er am 10. März 1943 umgebracht wurde. Im Rahmen der sogenannten Wiedergutmachung hat die Bundesrepublik Deutschland seiner Frau 3900 DM für erlittene Freiheitsentziehung und 3540 DM für Schaden im beruflichen Fortkommen ausgezahlt.<ref name="Redies" /> | ||
| 2011-11-25 | | 2011-11-25 | ||
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| Spiro, Elfriede | | Spiro, Elfriede | ||
| Elfriede Spiro (* 21. April 1894 in Bad Dürkheim; für tot erklärt am 23. Januar 1943 in Auschwitz) besuchte in Tübingen die Höhere Töchterschule. Nach dem Tod ihrer Mutter führte den Haushalt ihres Vaters, Ludwig Spiro, bis dieser am 23. März 1941 starb. Am 20. August 1942 wurde sie in Tübingen verhaftet und in das Sammellager auf dem [[Stuttgart]]er Killesberg verschleppt. Von dort aus wurde sie zwei Tage später nach Theresienstadt deportiert. 1943 kam sie nach Auschwitz, wo sie vermutlich gleich nach ihrer Ankunft umgebracht wurde.<ref name="ZdE">Andrea Hoffmann: ''Es wurde uns jetzt zur Gewissheit?'' Die Todesanzeige für Hans Spiro. In: ''Zerstörte Hoffnungen. Wege der Tübinger Juden.'' (= ''Beiträge zur Tübinger Geschichte.'' Band 8). Hrsg. von der Geschichtswerkstatt Tübingen. Tübingen 1995, S. 397–400. Zitiert in http://www.zeichen-der-erinnerung.org/n5_1_spiro.htm.</ref> | | Elfriede Spiro (* 21. April 1894 in Bad Dürkheim; für tot erklärt am 23. Januar 1943 in Auschwitz) besuchte in Tübingen die Höhere Töchterschule. Nach dem Tod ihrer Mutter führte den Haushalt ihres Vaters, Ludwig Spiro, bis dieser am 23. März 1941 starb. Am 20. August 1942 wurde sie in Tübingen verhaftet und in das Sammellager auf dem [[Stuttgart]]er Killesberg verschleppt. Von dort aus wurde sie zwei Tage später nach Theresienstadt deportiert. 1943 kam sie nach Auschwitz, wo sie vermutlich gleich nach ihrer Ankunft umgebracht wurde.<ref name="ZdE">Andrea Hoffmann: ''Es wurde uns jetzt zur Gewissheit?'' Die Todesanzeige für Hans Spiro. In: ''Zerstörte Hoffnungen. Wege der Tübinger Juden.'' (= ''Beiträge zur Tübinger Geschichte.'' Band 8). Hrsg. von der Geschichtswerkstatt Tübingen. Tübingen 1995, S. 397–400. Zitiert in http://www.zeichen-der-erinnerung.org/n5_1_spiro.htm.</ref> | ||
| 2011-11-25 | | 2011-11-25 | ||
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| Spiro, Hans | | Spiro, Hans | ||
| Hans Spiro (* 15. Juli 1898 in Landau in der Pfalz; gest. 19. März 1943 im KZ Auschwitz) wurde mit seiner Schwester Elfriede Spiro in der Stuttgarter Stiftskirche evangelisch getauft, als sein Vater, Ludwig Spiro, zum evangelischen Glauben konvertierte. Er begann in Tübingen eine Lehre als Bankkaufmann, die er während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] unterbrechen musste. 1916 wurde er an die Westfront eingezogen. Nachdem er schwer verwundet worden war, kam er zur Passzentrale im französischen Lille, wurde aber in den letzten Kriegsmonaten noch einmal an die Front eingezogen. Nach dem Krieg schloss er seine Bankausbildung ab und arbeitete erst als Bankangestellter in Tübingen, später als Prokurist. 1923 heiratete er in Bochum die Christin Klara Teckemeyer und bekam mit ihr die Tochter Liselotte. Nachdem er 1936 Berufsverbot erhielt, arbeitete er illegal als Buchhalter bei der Straßenbaufirma Wilhelm Hahn in Tübingen, als Reklamefachmann in [[Reutlingen]] und als Werbefachmann beim Reutlinger Generalanzeiger. Während der Reichspogromnacht am [[10. November]] [[1938]] wurde Hans Spiro festgenommen und nach Dachau verschleppt, wo er etwa einen Monat festgehalten wurde. Mitte Dezember 1938 kehrte er kurzgeschoren und abgemagert aus Dachau nach Tübingen zurück. Im November 1939 wurde Hans Spiro erneut verhaftet und zuerst in Tübingen, dann in Stuttgart ins Gefängnis gebracht, aus dem er wieder frei kam. Am 4. Dezember 1942 wurde Spiro zum dritten Mal verhaftet und ins KZ Welzheim verschleppt. Von dort wurde er am 27. Januar 1943 weiter nach Auschwitz deportiert, wo er am 19. März 1943 umgebracht wurde.<ref name="ZdE" /> | | Hans Spiro (* 15. Juli 1898 in Landau in der Pfalz; gest. 19. März 1943 im KZ Auschwitz) wurde mit seiner Schwester Elfriede Spiro in der Stuttgarter Stiftskirche evangelisch getauft, als sein Vater, Ludwig Spiro, zum evangelischen Glauben konvertierte. Er begann in Tübingen eine Lehre als Bankkaufmann, die er während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] unterbrechen musste. 1916 wurde er an die Westfront eingezogen. Nachdem er schwer verwundet worden war, kam er zur Passzentrale im französischen Lille, wurde aber in den letzten Kriegsmonaten noch einmal an die Front eingezogen. Nach dem Krieg schloss er seine Bankausbildung ab und arbeitete erst als Bankangestellter in Tübingen, später als Prokurist. 1923 heiratete er in Bochum die Christin Klara Teckemeyer und bekam mit ihr die Tochter Liselotte. Nachdem er 1936 Berufsverbot erhielt, arbeitete er illegal als Buchhalter bei der Straßenbaufirma Wilhelm Hahn in Tübingen, als Reklamefachmann in [[Reutlingen]] und als Werbefachmann beim Reutlinger Generalanzeiger. Während der Reichspogromnacht am [[10. November]] [[1938]] wurde Hans Spiro festgenommen und nach Dachau verschleppt, wo er etwa einen Monat festgehalten wurde. Mitte Dezember 1938 kehrte er kurzgeschoren und abgemagert aus Dachau nach Tübingen zurück. Im November 1939 wurde Hans Spiro erneut verhaftet und zuerst in Tübingen, dann in Stuttgart ins Gefängnis gebracht, aus dem er wieder frei kam. Am 4. Dezember 1942 wurde Spiro zum dritten Mal verhaftet und ins KZ Welzheim verschleppt. Von dort wurde er am 27. Januar 1943 weiter nach Auschwitz deportiert, wo er am 19. März 1943 umgebracht wurde.<ref name="ZdE" /> | ||
| 2011-11-25 | | 2011-11-25 | ||
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| Spiro, Lieselotte | | Spiro, Lieselotte | ||
| Lieselotte Spiro (* 1924) war eine Tochter von Ludwig Spiro. Im Sommer 1939 wurde sie mit einem Kindertransport der Jüdischen Kultusgemeinde Stuttgart nach Südengland in Sicherheit gebracht, wo sie in Bournemouth auf ein Internat ging. Sie verbrachte den Rest ihres Lebens in England.<ref name="ZdE" /> | | Lieselotte Spiro (* 1924) war eine Tochter von Ludwig Spiro. Im Sommer 1939 wurde sie mit einem Kindertransport der Jüdischen Kultusgemeinde Stuttgart nach Südengland in Sicherheit gebracht, wo sie in Bournemouth auf ein Internat ging. Sie verbrachte den Rest ihres Lebens in England.<ref name="ZdE" /> | ||
| 2011-11-25 | | 2011-11-25 | ||
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| Spiro, | | Spiro, Ludwig | ||
| Dr. Ludwig Spiro studierte in Tübingen und München und wurde 1897 zum Doktor der Philosophie promoviert. Als Gymnasialprofessor unterrichtete er zuerst in Tübingen, später in Schwäbisch Gmünd Latein und Französisch. Er konvertierte am 6. Januar 1902 in Stuttgart zum evangelischen Glauben, aber seine Frau Jertha (gest. 1929) behielt ihr Leben lang ihren jüdischen Glauben bei. Er war der Vater von Hans und Elfriede Spiro. Ludwig Spiro war ein renommierter [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]]-Forscher und besaß eine überregional bekannte Goethe-Bibliothek. Im Jahr 1939 schloss ihn die Weimarer Goethe-Gesellschaft, der er seit Studententagen angehörte, aus. Als letzter Gasthörer wurde ihm, nachdem es schon keine immatrikulierten jüdischen Studenten mehr in Tübingen gab, nach dem Sommersemester 1940 auch das Betreten der Tübinger Universität untersagt. Sein Tod nach langer Krankheit am 23. März 1941 ersparte ihm die Deportation. Sofort nach seinem Tod wurde seine Wohnung versiegelt und seine umfangreiche Bibliothek versteigert.<ref name="ZdE" /> | | Dr. Ludwig Spiro studierte in Tübingen und München und wurde 1897 zum Doktor der Philosophie promoviert. Als Gymnasialprofessor unterrichtete er zuerst in Tübingen, später in Schwäbisch Gmünd Latein und Französisch. Er konvertierte am 6. Januar 1902 in Stuttgart zum evangelischen Glauben, aber seine Frau Jertha (gest. 1929) behielt ihr Leben lang ihren jüdischen Glauben bei. Er war der Vater von Hans und Elfriede Spiro. Ludwig Spiro war ein renommierter [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]]-Forscher und besaß eine überregional bekannte Goethe-Bibliothek. Im Jahr 1939 schloss ihn die Weimarer Goethe-Gesellschaft, der er seit Studententagen angehörte, aus. Als letzter Gasthörer wurde ihm, nachdem es schon keine immatrikulierten jüdischen Studenten mehr in Tübingen gab, nach dem Sommersemester 1940 auch das Betreten der Tübinger Universität untersagt. Sein Tod nach langer Krankheit am 23. März 1941 ersparte ihm die Deportation. Sofort nach seinem Tod wurde seine Wohnung versiegelt und seine umfangreiche Bibliothek versteigert.<ref name="ZdE" /> | ||
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| Erlanger, Helmut | | Erlanger, Helmut | ||
| Dr. Helmut Erlanger (* 9. Juli 1908 in Buchau am Federsee; † 9. Januar 1982 in San Francisco) studierte Rechtswissenschaft und promovierte 1932 in Tübingen. Er arbeitete als Referendar am Tübinger Landgericht. Erlanger wurde Leiter der sozialistischen Jugendorganisation »Rote Falken« und agierte im republikanischen »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold«. Als antifaschistischer Redner der SPD stand er im politischen Konflikt mit den Nationalsozialisten. Er wurde Ende März 1933 verhaftet und bis zum 7. August im KZ Heuberg auf der [[Schwäbische Alb|Schwäbischen Alb]] gefangen gehalten. Er verlor seine Stelle im Justizdienst und blieb nach seiner Freilassung unter Polizeiaufsicht. Er wollte sofort nach der Entlassung aus dem KZ Deutschland so rasch wie möglich verlassen, da er eine neuerliche Inhaftierung und Verbringung ins KZ fürchtete. Als einer der ersten Tübinger Juden erhielt er die notwendige Unbedenklichkeitsbescheinigung, um die Ausreisepapiere in die USA zu beantragen. Noch ehe diese eintrafen, musste er aus Deutschland fliehen und reiste ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis von seinem Bruder in der Schweiz über Straßburg,nach Toulouse wo er als Bauhelfer arbeitete. Nach einem körperlichen Zusammenbruch erhielt er in Zürich ein Einreisevisum in die USA. Im November 1934 erreichte er San Francisco. Sein Geld verdiente er als Lastwagenfahrer, Reinigungskraft, Lagerist und Büroangestellter. Nach einem dreijährigen Abendstudium der Rechtswissenschaft an der Universität San Francisco eröffnete Helmut Erlanger dort 1949 seine eigene Anwaltspraxis. 1959 erhielt er im Rahmen der Wiedergutmachungsleistungen der Bundesrepublik Deutschland den Titel Landgerichtsrat a. D.<ref>''Zerstörte Hoffnungen. Wege der Tübinger Juden.'' (= ''Beiträge zur Tübinger Geschichte.'' Band 8). Hrsg. von der Geschichtswerkstatt Tübingen. Tübingen 1995, v. a, S. 53f. u. 278–280. Zitiert in http://www.zeichen-der-erinnerung.org/n5_1_erlanger_helmut.htm</ref> | | Dr. Helmut Erlanger (* 9. Juli 1908 in Buchau am Federsee; † 9. Januar 1982 in San Francisco) studierte Rechtswissenschaft und promovierte 1932 in Tübingen. Er arbeitete als Referendar am Tübinger Landgericht. Erlanger wurde Leiter der sozialistischen Jugendorganisation »Rote Falken« und agierte im republikanischen »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold«. Als antifaschistischer Redner der SPD stand er im politischen Konflikt mit den Nationalsozialisten. Er wurde Ende März 1933 verhaftet und bis zum 7. August im KZ Heuberg auf der [[Schwäbische Alb|Schwäbischen Alb]] gefangen gehalten. Er verlor seine Stelle im Justizdienst und blieb nach seiner Freilassung unter Polizeiaufsicht. Er wollte sofort nach der Entlassung aus dem KZ Deutschland so rasch wie möglich verlassen, da er eine neuerliche Inhaftierung und Verbringung ins KZ fürchtete. Als einer der ersten Tübinger Juden erhielt er die notwendige Unbedenklichkeitsbescheinigung, um die Ausreisepapiere in die USA zu beantragen. Noch ehe diese eintrafen, musste er aus Deutschland fliehen und reiste ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis von seinem Bruder in der Schweiz über Straßburg,nach Toulouse wo er als Bauhelfer arbeitete. Nach einem körperlichen Zusammenbruch erhielt er in Zürich ein Einreisevisum in die USA. Im November 1934 erreichte er San Francisco. Sein Geld verdiente er als Lastwagenfahrer, Reinigungskraft, Lagerist und Büroangestellter. Nach einem dreijährigen Abendstudium der Rechtswissenschaft an der Universität San Francisco eröffnete Helmut Erlanger dort 1949 seine eigene Anwaltspraxis. 1959 erhielt er im Rahmen der Wiedergutmachungsleistungen der Bundesrepublik Deutschland den Titel Landgerichtsrat a. D.<ref>''Zerstörte Hoffnungen. Wege der Tübinger Juden.'' (= ''Beiträge zur Tübinger Geschichte.'' Band 8). Hrsg. von der Geschichtswerkstatt Tübingen. Tübingen 1995, v. a, S. 53f. u. 278–280. Zitiert in http://www.zeichen-der-erinnerung.org/n5_1_erlanger_helmut.htm</ref> | ||
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| Erlanger, Martin | | Erlanger, Martin | ||
| Martin Erlanger (* 19. Dezember 1868 in Buchau am Federsee; gest. 24. August 1954 in San Francisco) trat nach einer kaufmännischen Ausbildung in Ulm 1885 in die 1911 gegründete Pferdehandlung seines Vaters ein. Mit Stallungen in Buchau und Ravensburg, die jeweils Platz für dreißig Pferde boten, war diese während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] ein wichtiger Lieferant von Militärpferden. Aus gesundheitlichen Gründe gab Erlanger 1928 das Geschäft vorübergehend auf und zog mit seiner Familie nach Tübingen. Im September 1933 nahm er den Betrieb wieder auf, aber antijüdische Maßnahmen erschwerten seine Arbeit zunehmend. Am 17. Juni 1937 enteigneten die Nationalsozialisten Martin Erlanger. Erlanger emigrierte nach San Francisco zu seinem bereits dort lebenden Sohn Helmut Erlanger. Ohne Englischkenntnisse war es ihm in Amerika aber nicht möglich, kaufmännisch zu arbeiten. Er musste sein Geld daher unter anderem mit Putzarbeiten und als Packer verdienen.<ref>Lilli Zapf: ''Die Tübinger Juden. Eine Dokumentation.'' 3. Auflage. Tübingen 1981, S. 128f. Zitiert in http://www.zeichen-der-erinnerung.org/n5_1_erlanger_martin.htm</ref> | | Martin Erlanger (* 19. Dezember 1868 in Buchau am Federsee; gest. 24. August 1954 in San Francisco) trat nach einer kaufmännischen Ausbildung in Ulm 1885 in die 1911 gegründete Pferdehandlung seines Vaters ein. Mit Stallungen in Buchau und Ravensburg, die jeweils Platz für dreißig Pferde boten, war diese während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] ein wichtiger Lieferant von Militärpferden. Aus gesundheitlichen Gründe gab Erlanger 1928 das Geschäft vorübergehend auf und zog mit seiner Familie nach Tübingen. Im September 1933 nahm er den Betrieb wieder auf, aber antijüdische Maßnahmen erschwerten seine Arbeit zunehmend. Am 17. Juni 1937 enteigneten die Nationalsozialisten Martin Erlanger. Erlanger emigrierte nach San Francisco zu seinem bereits dort lebenden Sohn Helmut Erlanger. Ohne Englischkenntnisse war es ihm in Amerika aber nicht möglich, kaufmännisch zu arbeiten. Er musste sein Geld daher unter anderem mit Putzarbeiten und als Packer verdienen.<ref>Lilli Zapf: ''Die Tübinger Juden. Eine Dokumentation.'' 3. Auflage. Tübingen 1981, S. 128f. Zitiert in http://www.zeichen-der-erinnerung.org/n5_1_erlanger_martin.htm</ref> | ||
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| Erlanger, Walter | | Erlanger, Walter | ||
| Walter Erlanger (* 19. Januar 1911 Buchau am Federsee; gest. 6. Mai 1972 Dubrovnik) war ein jüdischer Heilpädagoge, Buchhändler und Verleger. Er brach sein Jura-Studium in Tübingen ab, weil er wegen seiner jüdischen Herkunft nicht an den Examina teilnehmen durfte. Er emigrierte um 1934 nach Arlesheim in der Schweiz. Von dort zog er nach Zeist in den Niederlanden um, wo er sich in den Kriegsjahren auf dem Dachboden einer befreundeten Familie versteckte, um der Verhaftung durch die Nazis zu entgehen.<ref>Nel Lievegoed-Schatborn: [http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=1430 ''Walter Erlanger''.] Forschungsstelle Kulturimpuls, Dornach.</ref> | | Walter Erlanger (* 19. Januar 1911 Buchau am Federsee; gest. 6. Mai 1972 Dubrovnik) war ein jüdischer Heilpädagoge, Buchhändler und Verleger. Er brach sein Jura-Studium in Tübingen ab, weil er wegen seiner jüdischen Herkunft nicht an den Examina teilnehmen durfte. Er emigrierte um 1934 nach Arlesheim in der Schweiz. Von dort zog er nach Zeist in den Niederlanden um, wo er sich in den Kriegsjahren auf dem Dachboden einer befreundeten Familie versteckte, um der Verhaftung durch die Nazis zu entgehen.<ref>Nel Lievegoed-Schatborn: [http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=1430 ''Walter Erlanger''.] Forschungsstelle Kulturimpuls, Dornach.</ref> | ||
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{{Coordinate||Latitude=48.514378|Longitude=9.060549|type=landmark}}<br />[[Datei:Stolpersteine in der Tübinger Hechinger Straße 9.jpg|100px]]<br /><br /> | {{Coordinate||Latitude=48.514378|Longitude=9.060549|type=landmark}}<br />[[Datei:Stolpersteine in der Tübinger Hechinger Straße 9.jpg|100px]]<br /><br /> | ||
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| Löwenstein, Ilse | | Löwenstein, Ilse | ||
| Ilse Löwenstein<ref name="elk-wuert" /> wurde durch die Nationalsozialisten arbeitslos und konnte weder Theater, Kino oder Museen besuchen. Es blieb ihr nur das Spazierengehen und von Zeit zu Zeit ein kleiner Ausflug. Ilse Löwenstein schrieb darüber: „Nächstens fahre ich mal wieder nach Stuttgart. Ich freue mich darauf, denn es ist doch eine ganz nette Abwechslung. Meine Sprachen lerne ich auch weiter (Spanisch habe ich neu angefangen), und wenn ich dann noch Zeit habe, lese ich ein bisschen oder mache eine Handarbeit. Und so geht die Zeit da hin.“<ref name="Buck" /> 1943 wurde Ilse Löwenstein mit ihrem Mann Oscar Bloch von [[Stuttgart]] nach Theresienstadt verschleppt.<ref>[http://www.tuebingen.de/147.html#434.440 Geschichte der Juden: Max Löwenstein (1874–1944).]</ref> In Theresienstadt trafen sie ihre Mutter Sofie wieder. Zusammen mit ihrer Mutter wurde sie ins KZ Auschwitz deportiert. Dort wurden sie und ihre Mutter ermordet.<ref name="Buck" /> | | Ilse Löwenstein<ref name="elk-wuert" /> wurde durch die Nationalsozialisten arbeitslos und konnte weder Theater, Kino oder Museen besuchen. Es blieb ihr nur das Spazierengehen und von Zeit zu Zeit ein kleiner Ausflug. Ilse Löwenstein schrieb darüber: „Nächstens fahre ich mal wieder nach Stuttgart. Ich freue mich darauf, denn es ist doch eine ganz nette Abwechslung. Meine Sprachen lerne ich auch weiter (Spanisch habe ich neu angefangen), und wenn ich dann noch Zeit habe, lese ich ein bisschen oder mache eine Handarbeit. Und so geht die Zeit da hin.“<ref name="Buck" /> 1943 wurde Ilse Löwenstein mit ihrem Mann Oscar Bloch von [[Stuttgart]] nach Theresienstadt verschleppt.<ref>[http://www.tuebingen.de/147.html#434.440 Geschichte der Juden: Max Löwenstein (1874–1944).]</ref> In Theresienstadt trafen sie ihre Mutter Sofie wieder. Zusammen mit ihrer Mutter wurde sie ins KZ Auschwitz deportiert. Dort wurden sie und ihre Mutter ermordet.<ref name="Buck" /> | ||
| 2011-11-25 | | 2011-11-25 | ||
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| Löwenstein, Max | | Löwenstein, Max | ||
| Max Löwenstein (geboren 1874 in Rexingen; gestorben am 5. Juni 1944 in Theresienstadt) war Viehhändler. Er heiratete 1903 die Tochter des Viehhändlers Heinrich Liebmann. 1908 kam die Familie nach Tübingen und wohnte dort im Gasthof König. Die Brüder Max und Emil Löwenstein führten dort die Viehhandlung Gebrüder Löwenstein, bis sie 1925 in ein Geschäft in der Hechinger Straße 9 umzogen. Um 1925 kam es bereits zu antisemitischen Vorfällen. Die Löwensteins wurden bei der Vergabe der Gesundheitszeugnisse ihrer Tiere schikaniert, mit falschen Seuchenverdächtigungen wurde versucht, ihren Ruf und ihre Reputation zu ruinieren. Der reichsweite Boykott jüdischer Geschäfte vom 1. April 1933 traf neben anderen Viehhändlern auch die Löwensteins. Bauern kauften bei ihnen nur noch heimlich, in den späten Abendstunden und unter Angst vor Denunziationen, so dass es zu Umsatzeinbußen kam. 1937 musste Max Löwenstein seine Viehhandlung aufgeben. Max und Sofie Löwenstein verkauften ihr Geschäft mit erheblichem finanziellem Verlust an den Tübinger Bäckermeister Christian Lieb. Max Löwenstein prognostizierte 1937: „Bei uns in Tübingen wird es so schlimm schon nicht werden“, als er seine Kinder Walter und Elfriede, die bereits nach Israel emigriert waren, das erste und einzige mal dort besuchte. Sein Sohn Siegfried war zu diesem Zeitpunkt bereits in die USA emigriert.<!--Widersprüchliche Quellen: Unten steht NL--> Max Löwenstein, seine Frau Sofie und die Tochter Ilse blieben in Tübingen. Der Besuch in Palästina hätte Max Löwenstein eine Gelegenheit geboten, aus Deutschland zu emigrieren. Doch Frau und Tochter wollte Max Löwenstein nicht aber zurücklassen. In seinem festen Gottesglauben hoffte er auf eine Besserung. Als die Familie ab 1939 emigrieren wollte, gelang ihnen die Ausreise nicht. Max und Sofie Löwenstein wurden 1942 von Tübingen nach Theresienstadt gebracht. Max Löwenstein starb dort am 5. Juni 1944. 1943 kam seine Tochter Ilse Löwenstein von Stuttgart aus mit ihrem Mann Oscar Bloch nach Theresienstadt. Gemeinsam mit ihrer Mutter wurde sie im Herbst 1944 ins KZ Auschwitz weiterdeportiert und dort ermordet.<ref>Simone Sterr: [http://www.tuebingen.de/147.html#434.440 ''Tübinger Bürger jüdischen Glaubens: Max Löwenstein (1874–1944).''] In: ''Schwäbisches Tagblatt.'' 4. November 2008.</ref><ref name="elk-wuert" /> | | Max Löwenstein (geboren 1874 in Rexingen; gestorben am 5. Juni 1944 in Theresienstadt) war Viehhändler. Er heiratete 1903 die Tochter des Viehhändlers Heinrich Liebmann. 1908 kam die Familie nach Tübingen und wohnte dort im Gasthof König. Die Brüder Max und Emil Löwenstein führten dort die Viehhandlung Gebrüder Löwenstein, bis sie 1925 in ein Geschäft in der Hechinger Straße 9 umzogen. Um 1925 kam es bereits zu antisemitischen Vorfällen. Die Löwensteins wurden bei der Vergabe der Gesundheitszeugnisse ihrer Tiere schikaniert, mit falschen Seuchenverdächtigungen wurde versucht, ihren Ruf und ihre Reputation zu ruinieren. Der reichsweite Boykott jüdischer Geschäfte vom 1. April 1933 traf neben anderen Viehhändlern auch die Löwensteins. Bauern kauften bei ihnen nur noch heimlich, in den späten Abendstunden und unter Angst vor Denunziationen, so dass es zu Umsatzeinbußen kam. 1937 musste Max Löwenstein seine Viehhandlung aufgeben. Max und Sofie Löwenstein verkauften ihr Geschäft mit erheblichem finanziellem Verlust an den Tübinger Bäckermeister Christian Lieb. Max Löwenstein prognostizierte 1937: „Bei uns in Tübingen wird es so schlimm schon nicht werden“, als er seine Kinder Walter und Elfriede, die bereits nach Israel emigriert waren, das erste und einzige mal dort besuchte. Sein Sohn Siegfried war zu diesem Zeitpunkt bereits in die USA emigriert.<!--Widersprüchliche Quellen: Unten steht NL--> Max Löwenstein, seine Frau Sofie und die Tochter Ilse blieben in Tübingen. Der Besuch in Palästina hätte Max Löwenstein eine Gelegenheit geboten, aus Deutschland zu emigrieren. Doch Frau und Tochter wollte Max Löwenstein nicht aber zurücklassen. In seinem festen Gottesglauben hoffte er auf eine Besserung. Als die Familie ab 1939 emigrieren wollte, gelang ihnen die Ausreise nicht. Max und Sofie Löwenstein wurden 1942 von Tübingen nach Theresienstadt gebracht. Max Löwenstein starb dort am 5. Juni 1944. 1943 kam seine Tochter Ilse Löwenstein von Stuttgart aus mit ihrem Mann Oscar Bloch nach Theresienstadt. Gemeinsam mit ihrer Mutter wurde sie im Herbst 1944 ins KZ Auschwitz weiterdeportiert und dort ermordet.<ref>Simone Sterr: [http://www.tuebingen.de/147.html#434.440 ''Tübinger Bürger jüdischen Glaubens: Max Löwenstein (1874–1944).''] In: ''Schwäbisches Tagblatt.'' 4. November 2008.</ref><ref name="elk-wuert" /> | ||
| 2011-11-25 | | 2011-11-25 | ||
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| Löwenstein, Siegfried | | Löwenstein, Siegfried | ||
| Siegfried Löwenstein (* 2. November 1904 in Rexingen; gest. 20. März 1976 in Memphis, Tennessee, USA). Siegfried Löwenstein emigrierte Ende 1936 nach den Vereinigten Staaten und kam am 8. Januar 1937 in New York an. Er beantragte schon 1939 die US-Bürgerschaft und wohnte bis auf seinem Tod in Memphis, Tennessee.<ref>Bundesarchiv Residententlist, US Social Security Death Index (über ancestry.com) und Tennessee, Naturalization Records, 1888–1992 (über ancestry.com)</ref> | | Siegfried Löwenstein (* 2. November 1904 in Rexingen; gest. 20. März 1976 in Memphis, Tennessee, USA). Siegfried Löwenstein emigrierte Ende 1936 nach den Vereinigten Staaten und kam am 8. Januar 1937 in New York an. Er beantragte schon 1939 die US-Bürgerschaft und wohnte bis auf seinem Tod in Memphis, Tennessee.<ref>Bundesarchiv Residententlist, US Social Security Death Index (über ancestry.com) und Tennessee, Naturalization Records, 1888–1992 (über ancestry.com)</ref> | ||
| 2011-11-25 | | 2011-11-25 | ||
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| Löwenstein, Sophie | | Löwenstein, Sophie | ||
| Sophie oder Sofie Löwenstein<ref name="elk-wuert" /> war die Ehefrau von Max Löwenstein. Mit ihm und den gemeinsamen vier Kindern hat sie sich in Tübingen ihre Existenz aufgebaut. Viele Jahre lebte die Familie in der Hechinger Straße 9. Von dort gingen die Kinder täglich zur Schule und später zur Arbeit. Doch ab 1933 wurde die Familie Schritt für Schritt aus dem Alltags- und Arbeitsleben ausgeschlossen. Wegen Ausgrenzungen und Boykottmaßnahmen der Nationalsozialisten verloren beide Ehepartner ihre Arbeitsstellen. Dies zwang die Kinder Löwenstein zur Auswanderung nach Palästina und in die USA.<ref name="Buck">Esther Buck: [https://www.asf-ev.de/fileadmin/Redaktion/Dateien/Zeichen_setzen/Termine_und_Aktuelles/Aus_Briefen_der_Tuebinger_Familie_Loewenstein__2_.pdf Aus Briefen der Tübinger Familie Löwenstein: Zum Gedenken an den 9. November 1938.]</ref> Sophie konnte nicht an der Hochzeit ihres Sohnes Walter und dessen Braut Hilde in Palästina teilnehmen und konnte ihre Glückwünsche und ihren Segen nur schriftlich zum Ausdruck bringen. Ihre Briefe erzählen von tiefer Traurigkeit, so weit entfernt zu sein und von der Sehnsucht, am Leben ihrer Kinder teil zu haben. In einem Brief von Sofie steht: „Natürlich ist es uns sehr leid, dass wir nicht zugegen sein können, aber heute muss man ja so vielem entsagen, so müssen wir uns auch darein schicken. Ihr wisst, dass Ihr meinen mütterlichen Segen zum Gelingen Eurer Ehe habt!“<ref name="Buck" /> | | Sophie oder Sofie Löwenstein<ref name="elk-wuert" /> war die Ehefrau von Max Löwenstein. Mit ihm und den gemeinsamen vier Kindern hat sie sich in Tübingen ihre Existenz aufgebaut. Viele Jahre lebte die Familie in der Hechinger Straße 9. Von dort gingen die Kinder täglich zur Schule und später zur Arbeit. Doch ab 1933 wurde die Familie Schritt für Schritt aus dem Alltags- und Arbeitsleben ausgeschlossen. Wegen Ausgrenzungen und Boykottmaßnahmen der Nationalsozialisten verloren beide Ehepartner ihre Arbeitsstellen. Dies zwang die Kinder Löwenstein zur Auswanderung nach Palästina und in die USA.<ref name="Buck">Esther Buck: [https://www.asf-ev.de/fileadmin/Redaktion/Dateien/Zeichen_setzen/Termine_und_Aktuelles/Aus_Briefen_der_Tuebinger_Familie_Loewenstein__2_.pdf Aus Briefen der Tübinger Familie Löwenstein: Zum Gedenken an den 9. November 1938.]</ref> Sophie konnte nicht an der Hochzeit ihres Sohnes Walter und dessen Braut Hilde in Palästina teilnehmen und konnte ihre Glückwünsche und ihren Segen nur schriftlich zum Ausdruck bringen. Ihre Briefe erzählen von tiefer Traurigkeit, so weit entfernt zu sein und von der Sehnsucht, am Leben ihrer Kinder teil zu haben. In einem Brief von Sofie steht: „Natürlich ist es uns sehr leid, dass wir nicht zugegen sein können, aber heute muss man ja so vielem entsagen, so müssen wir uns auch darein schicken. Ihr wisst, dass Ihr meinen mütterlichen Segen zum Gelingen Eurer Ehe habt!“<ref name="Buck" /> | ||
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| Marx, Ruth | | Marx, Ruth | ||
| [[Ruth-Marx-Straße|Ruth Marx]] (* [[12. Juli]] 1933) ist als achtjähriges Kind deportiert und wenig später bei Riga erschossen worden.<ref>Peter Steinle: [http://www.evangelischer-kirchenbezirk-tuebingen.de/news/2011/11/stolpersteine.php ''26 Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus.'']</ref><ref>[http://www.tuepedia.de/index.php/Ruth-Marx-Stra%C3%9Fe#Der_Stra.C3.9Fenname Ruth Marx] auf TÜpedia.</ref><ref name="elk-wuert" /> | | [[Ruth-Marx-Straße|Ruth Marx]] (* [[12. Juli]] 1933) ist als achtjähriges Kind deportiert und wenig später bei Riga erschossen worden.<ref>Peter Steinle: [http://www.evangelischer-kirchenbezirk-tuebingen.de/news/2011/11/stolpersteine.php ''26 Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus.'']</ref><ref>[http://www.tuepedia.de/index.php/Ruth-Marx-Stra%C3%9Fe#Der_Stra.C3.9Fenname Ruth Marx] auf TÜpedia.</ref><ref name="elk-wuert" /> | ||
| 2011-11-25 | | 2011-11-25 | ||
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| Marx, Victor | | Marx, Victor | ||
| Victor | | Victor Marx war ein Textilkaufmann, der mit Marga Marx geb. Rosenfeld verheiratet war und mit ihr am 12. Juli 1933 in Tübingen die Tochter Ruth Marx bekam. Victor Marx wurde bei der [[Reichspogromnacht]] in Stuttgart verhaftet und kam für ein Jahr ins Konzentrationslager in Welzheim. Seine Tochter wurde währenddessen zu ihrer Großmutter nach Frankreich geschickt. Ab 1939 lebte die Familie wieder zusammen, aber wurde 1941 nach Haigerloch abgeschoben. Am 1. Dezember 1941 wurde die Familie über das Sammellager Killesberg nach Riga deportiert, und bleibt dort in der Nähe bis zum 26. März 1942 im Lager Jungferhof, und werden danach getrennt. Der Vater sollte in ein Arbeitslager verschoben werden, seine Frau und Tochter sollten wie alle anderen Frauen und Kinder nach Dünamünde, kamen aber stattdessen in den Hochwald von Riga, wo sie erschossen wurden. Victor Marx war bis 1944 Zwangsarbeiter in Riga. Er überlebte er fünf Konzentrationslager. Er kam 1945 kurz nach Kriegsende frei und kehrte nach Stuttgart zurück. Dort lernt er Hannelore Kahn kennen, die ein ähnliches Schicksal durchlebt hatte und heiratete sie am 25. Dezember 1945. Im Mai 1946 zog er mit seiner neuen Frau nach New York, wo sie mit ihrem gemeinsamen Sohn Larry ein neues Leben begannen. Mit der Errichtung eines Gedenksteins auf dem [[Jüdischer Friedhof|jüdischen Friedhof in Wankheim]] erinnerte Victor Marx als einer der Ersten an die Opfer des Nazi-Regimes, unter ihnen seine Frau Marga und seine Tochter Ruth.<ref>Franziska Beck, Charlotte Jautz, Ana Stevanovic: [http://www.tuebingen.de/147.html#434.441 ''Tübinger Bürger jüdischen Glaubens: Ruth Marx (1933–1942).''] In: ''Schwäbisches Tagblatt.'' 3. November 2008.</ref><ref name="elk-wuert" /> | ||
| 2011-11-25 | | 2011-11-25 | ||
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| Weil, Rosalie | |||
| Rosalie Weil, geb. Herrmann<ref name="BonhoefferJuli18">[https://www.bonhoeffer-gemeinde.de/stolpersteine.php Broschüre: Stolpersteine in Tübingen, verlegt am 10. Juli 2018] Siehe auch: [https://de.wikipedia.org/wiki/Stolpersteine_in_Tübingen_Innenstadt Stolpersteine in Tübingen Innenstadt].</ref> | |||
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| Weil, Rosalie | |||
| Rosalie Herrmann | |||
| 2018-07-10 | | 2018-07-10 | ||
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| Reinauer, Philippine | | Reinauer, Philippine | ||
| Philippine Reinauer wurde am 15. Juli 1860 in Mühringen/Horb geboren als erste Tochter von Marx Reinauer und seiner Ehefrau Fanny Reinauer, geb. Reinauer. Am 22. August 1872 zogen sie nach Tübingen in die Kirchgasse 13. Im Oktober meldete der Vater einen Betrieb als Optiker und Graveur an. (Sein Schwager Leopold Reinauer lebte in der Collegiumsgasse 6 und hatte ein Geschäft mit Landesprodukten.) Er starb bereits am 23.03.1881. Seine Frau Fanny lebte ab 1906 in der [[Kirchgasse]] 8 und ab 1909 in der [[Rappstraße]] 46. Sie starb am 19. März 1919. Philippine Reinauer lebte ab 1909 in der [[Mauerstraße]] 25 zusammen mit ihrer Schwester Sofie. Von ihrem beruflichen Werdegang ist nichts bekannt, als Berufsbezeichnung wurde „Privatière“ angegeben. Am 26. März 1941 wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Sofie in die Pflegeanstalt Heggbach/Laupheim eingeliefert. In dieser Anstalt wurden Juden oft für wenige Monate untergebracht, um anschließend deportiert zu werden. Philippine Reinauer wurde am 11. Juli 1942 in Heggbach abgemeldet und in das Sammellager Stuttgart „verbracht“. Von dort aus ging der Todestransport nach Auschwitz am 13. Juli 1942, wo sich ihre Spur verliert. Vermutlich wurde sie dort ermordet.<ref>[[Jüdischer Friedhof|Der jüdische Friedhof Wankheim]], Frowald Gil Hüttenmeister mit Elke Maier und Jan Maier, Theiss-Verlag Stuttgart, 1995</ref> | | Philippine Reinauer wurde am 15. Juli 1860 in Mühringen/Horb geboren als erste Tochter von Marx Reinauer und seiner Ehefrau Fanny Reinauer, geb. Reinauer. Am 22. August 1872 zogen sie nach Tübingen in die Kirchgasse 13. Im Oktober meldete der Vater einen Betrieb als Optiker und Graveur an. (Sein Schwager Leopold Reinauer lebte in der Collegiumsgasse 6 und hatte ein Geschäft mit Landesprodukten.) Er starb bereits am 23.03.1881. Seine Frau Fanny lebte ab 1906 in der [[Kirchgasse]] 8 und ab 1909 in der [[Rappstraße]] 46. Sie starb am 19. März 1919. Philippine Reinauer lebte ab 1909 in der [[Mauerstraße]] 25 zusammen mit ihrer Schwester Sofie. Von ihrem beruflichen Werdegang ist nichts bekannt, als Berufsbezeichnung wurde „Privatière“ angegeben. Am 26. März 1941 wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Sofie in die Pflegeanstalt Heggbach/Laupheim eingeliefert. In dieser Anstalt wurden Juden oft für wenige Monate untergebracht, um anschließend deportiert zu werden. Philippine Reinauer wurde am 11. Juli 1942 in Heggbach abgemeldet und in das Sammellager Stuttgart „verbracht“. Von dort aus ging der Todestransport nach Auschwitz am 13. Juli 1942, wo sich ihre Spur verliert. Vermutlich wurde sie dort ermordet.<ref>[[Jüdischer Friedhof|Der jüdische Friedhof Wankheim]], Frowald Gil Hüttenmeister mit Elke Maier und Jan Maier, Theiss-Verlag Stuttgart, 1995</ref> | ||
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| {{SortKey| | | {{SortKey|Holzmarkt 1}}Holzmarkt 1<br />{{Coordinate||Latitude=48.519971|Longitude=9.055797|type=landmark}}<br /> | ||
[[Datei:KMD Pfarrer Richard Gölz, Stiftskirche Tübingen.jpg|100px]] | [[Datei:KMD Pfarrer Richard Gölz, Stiftskirche Tübingen.jpg|100px]] | ||
| Gölz, Richard | | Gölz, Richard | ||
| In der Tübinger [[Stiftskirche]] weist ein Stolperstein im Boden der Vorhalle darauf hin, dass der Stifts- und Stiftskirchenmusiker sowie [[Wankheim]]er Pfarrer [[Gölzstraße|Richard Gölz]] hier am [[23. Dezember]] [[1944]] verhaftet und ins KZ Welzheim gebracht wurde, nachdem er 1943/44 im Wankheimer Pfarrhaus wiederholt untergetauchte Juden versteckt hatte. Dieser Stolperstein wurde schon am 31. Oktober 2012 aufgrund eines Beschlusses des Stiftskirchengemeinderats verlegt. In der Tübinger [[Südstadt]] ist eine Straße nach dem Pfarrersehepaar Richard und Hildegard Gölz benannt mit der Erläuterung ''Wankheimer Pfarrerehepaar, das Juden Schutz und Asyl vor nationalsozialistischer Verfolgung gewährte.''<ref>[http://old.stiftskirche-tuebingen.de/aktuelles.php?mId=11091&cId=146 ''„Stolperstein“ für Richard Gölz.'' (nicht mehr online)]</ref> | | In der Tübinger [[Stiftskirche]] weist ein Stolperstein im Boden der Vorhalle darauf hin, dass der Stifts- und Stiftskirchenmusiker sowie [[Wankheim]]er Pfarrer [[Gölzstraße|Richard Gölz]] hier am [[23. Dezember]] [[1944]] verhaftet und ins KZ Welzheim gebracht wurde, nachdem er 1943/44 im Wankheimer Pfarrhaus wiederholt untergetauchte Juden versteckt hatte. Dieser Stolperstein wurde schon am 31. Oktober 2012 aufgrund eines Beschlusses des Stiftskirchengemeinderats verlegt. In der Tübinger [[Südstadt]] ist eine Straße nach dem Pfarrersehepaar Richard und Hildegard Gölz benannt mit der Erläuterung ''Wankheimer Pfarrerehepaar, das Juden Schutz und Asyl vor nationalsozialistischer Verfolgung gewährte.''<ref>[http://old.stiftskirche-tuebingen.de/aktuelles.php?mId=11091&cId=146 ''„Stolperstein“ für Richard Gölz.'' (nicht mehr online)]</ref> | ||
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| rowspan=" | |rowspan="10" | {{nowrap|{{SortKey|HolzmarktNeueStraße}}[[Holzmarkt]] / [[Neue Straße]]}}<br />{{Coordinate||Latitude=48.52044|Longitude=9.05648|type=landmark}}<br /><!--[[Datei:ääHAusÄä.jpg|100px]]<br /><br />[[Datei:öööStolperstein(e)äää.jpg|100px]]--> | ||
{{Coordinate||Latitude=48. | | Oppenheim, Jakob | ||
| Oppenheim, Jakob | |||
| Jakob Oppenheim wurde am 27. April 1874 in Bebra/Hessen geboren und kam 1905 nach Tübingen. Er war verheiratet mit Karoline Oppenheim, geb. Seemann aus dem fränkischen Aschbach. In Tübingen kamen 1907 sein Sohn Heinz und 1911 seine Tochter Gertrud zur Welt. Jakob Oppenheim war einer der erfolgreichsten und angesehensten Kaufleute in Tübingen. Er übernahm 1906 das Damenkonfektions- und Aussteuergeschäft „Eduard Degginger u. Co.“ in der Neuen Straße 16; der Name wurde abgeändert in „Eduard Degginger Nachfolger“. Später kaufte er von der Stadt Tübingen das frühere Offizierskasino [[Neue Straße]] 1, ließ es großzügig umbauen und verlegte sein Geschäft dorthin. Gesellschafter wurde sein Schwager Albert Schäfer, der 1911 nach Tübingen kam. Die Firma war für eine Stadt wie Tübingen in dieser Branche ein ungewöhnlich großes und repräsentatives Geschäft. Nach großen Einbußen während des Ersten Weltkrieges kam es Mitte der zwanziger Jahre zu einem erheblichen Aufschwung; entsprechend stiegen der Umfang des Geschäftes und das Ansehen seiner Inhaber. Von 1914 bis 1925 war Jakob Oppenheim Synagogenvorsteher und von 1925 bis 1934 Gemeinde und Stiftungspfleger der Tübinger jüdischen Gemeinde. Schon ab 1930 machte sich der zunächst schleichende , später offene Boykott jüdischer Geschäfte, flankiert von SA Posten vor dem Geschäftshaus bemerkbar und brachte erhebliche Einbußen, die seiner Firma sehr schadeten und schließlich die Firma in den Ruin trieben. Unter enormem politischen Druck vermietete er zunächst sein Geschäft an den NSDAP-Stadtrat Karl Haidt und 1937 wurde bereits der Name „Eduard Degginger Nachfolger“ im Handelsregister gelöscht. Wiederholt fanden Verhöre von Seiten der Gestapo in Stuttgart statt und machten die Ausreise aus Deutschland unvermeidlich. Als letzte der Tübinger Juden gelang ihm und seiner Frau Karoline 1940 die Flucht über Genua in die USA. Der als Fracht aufgegebene Hausrat kam nie am Bestimmungsort an. Jakob Oppenheim lebte in Cleveland/Ohio mit gebrochenem Herzen, wie sein Sohn Heinz schreibt. Er starb dort am 5. März 1947. | | Jakob Oppenheim wurde am 27. April 1874 in Bebra/Hessen geboren und kam 1905 nach Tübingen. Er war verheiratet mit Karoline Oppenheim, geb. Seemann aus dem fränkischen Aschbach. In Tübingen kamen 1907 sein Sohn Heinz und 1911 seine Tochter Gertrud zur Welt. Jakob Oppenheim war einer der erfolgreichsten und angesehensten Kaufleute in Tübingen. Er übernahm 1906 das Damenkonfektions- und Aussteuergeschäft „Eduard Degginger u. Co.“ in der Neuen Straße 16; der Name wurde abgeändert in „Eduard Degginger Nachfolger“. Später kaufte er von der Stadt Tübingen das frühere Offizierskasino [[Neue Straße]] 1, ließ es großzügig umbauen und verlegte sein Geschäft dorthin. Gesellschafter wurde sein Schwager Albert Schäfer, der 1911 nach Tübingen kam. Die Firma war für eine Stadt wie Tübingen in dieser Branche ein ungewöhnlich großes und repräsentatives Geschäft. Nach großen Einbußen während des Ersten Weltkrieges kam es Mitte der zwanziger Jahre zu einem erheblichen Aufschwung; entsprechend stiegen der Umfang des Geschäftes und das Ansehen seiner Inhaber. Von 1914 bis 1925 war Jakob Oppenheim Synagogenvorsteher und von 1925 bis 1934 Gemeinde und Stiftungspfleger der Tübinger jüdischen Gemeinde. Schon ab 1930 machte sich der zunächst schleichende , später offene Boykott jüdischer Geschäfte, flankiert von SA Posten vor dem Geschäftshaus bemerkbar und brachte erhebliche Einbußen, die seiner Firma sehr schadeten und schließlich die Firma in den Ruin trieben. Unter enormem politischen Druck vermietete er zunächst sein Geschäft an den NSDAP-Stadtrat Karl Haidt und 1937 wurde bereits der Name „Eduard Degginger Nachfolger“ im Handelsregister gelöscht. Wiederholt fanden Verhöre von Seiten der Gestapo in Stuttgart statt und machten die Ausreise aus Deutschland unvermeidlich. Als letzte der Tübinger Juden gelang ihm und seiner Frau Karoline 1940 die Flucht über Genua in die USA. Der als Fracht aufgegebene Hausrat kam nie am Bestimmungsort an. Jakob Oppenheim lebte in Cleveland/Ohio mit gebrochenem Herzen, wie sein Sohn Heinz schreibt. Er starb dort am 5. März 1947. | ||
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| Oppenheim, Karoline | | Oppenheim, Karoline | ||
| Karoline Oppenheim, geb. Seemann wurde am 28. Mai 1883 in Aschbach bei Bamberg geboren. Sie war die Ehefrau des Textilkaufmanns Jakob Oppenheim und kam mit ihm 1905 nach Tübingen. Dort wurden 1907 ihr Sohn Heinz und 1911 ihre Tochter Gertrud geboren. Karoline Oppenheim war sozial sehr engagiert, sie war Mitbegründerin des Jüdischen Frauenchores und war im Jüdischen Frauenverein tätig, in dem alle jüdischen Frauen Tübingens organisiert waren. Die Vereinsaufgaben umfassten ein breites Spektrum von Bildungsarbeit über karitative Tätigkeiten bis hin zur gesellschaftlichen Standortbestimmung jüdischer Frauen. Karoline Oppenheim flüchtete 1940 mit ihrem Mann in die USA, zunächst nach Cleveland/Ohio, und zog später zu ihrer Tochter Gertrud nach Pennsylvania. In Philadelphia starb sie am 7. November 1944. | | Karoline Oppenheim, geb. Seemann wurde am 28. Mai 1883 in Aschbach bei Bamberg geboren. Sie war die Ehefrau des Textilkaufmanns Jakob Oppenheim und kam mit ihm 1905 nach Tübingen. Dort wurden 1907 ihr Sohn Heinz und 1911 ihre Tochter Gertrud geboren. Karoline Oppenheim war sozial sehr engagiert, sie war Mitbegründerin des Jüdischen Frauenchores und war im Jüdischen Frauenverein tätig, in dem alle jüdischen Frauen Tübingens organisiert waren. Die Vereinsaufgaben umfassten ein breites Spektrum von Bildungsarbeit über karitative Tätigkeiten bis hin zur gesellschaftlichen Standortbestimmung jüdischer Frauen. Karoline Oppenheim flüchtete 1940 mit ihrem Mann in die USA, zunächst nach Cleveland/Ohio, und zog später zu ihrer Tochter Gertrud nach Pennsylvania. In Philadelphia starb sie am 7. November 1944. | ||
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| Oppenheim, Heinz | | Oppenheim, Heinz | ||
| Heinz Oppenheim wurde am 25. April 1907 in Tübingen geboren. Dort machte er 1925 sein Abitur und studierte anschließend Medizin in Tübingen, München und Wien. 1930 promovierte er. Von 1931 bis Ende April 1933 arbeitete er als Assistenzarzt an der Tübinger [[Alte HNO-Klinik|Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten]]. Ab Mai 1933 konnte er wegen eines inzwischen geltenden Erlasses des Reichsarbeitsministeriums seine Arbeit als Assistenzarzt in Deutschland nicht fortsetzen und bekam als Jude keine Kassenzulassung. Deshalb ging er für ein halbes Jahr nach Straßburg und anschließend in die Schweiz an das Klinisch-Therapeutische Institut in Arlesheim. Da auch in Frankreich und der Schweiz keine Aussicht auf eine erfolgreiche berufliche Tätigkeit bestand, kehrte er nach Tübingen zurück und versuchte, sich in der Neuen Straße 1 eine Privatpraxis als praktischer Arzt aufzubauen. Auch dies erwies sich als aussichtslos, da er als Jude keine Kassenzulassung bekam und weil Privatpatienten nicht wagten, einen jüdischen Arzt zu nehmen. 1935 heiratete er Dorothee Hayum aus der Rechtsanwaltsfamilie Hayum und emigrierte mit ihr 1936 in die USA. Im Jahre 1945 wurde ihre Tochter Lilian geboren. Von 1943 bis 1945 diente Heinz Oppenheim in der Sanitätsabteilung der amerikanischen Armee. In den USA arbeitete Heinz Oppenheim als sehr angesehener Chefarzt und Professor der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und war Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Vereinigungen. Er war in New York, in West-Virginia und in Kentucky als HNO-Spezialist zugelassen. Heinz Oppenheim war Mitglied der jüdischen Gemeinde „Adath Israel Congregation“. Er verstarb plötzlich am 23. November 1969 in seinem Büro in Louisville/Kentucky. | | Heinz Oppenheim wurde am 25. April 1907 in Tübingen geboren. Dort machte er 1925 sein Abitur und studierte anschließend Medizin in Tübingen, München und Wien. 1930 promovierte er. Von 1931 bis Ende April 1933 arbeitete er als Assistenzarzt an der Tübinger [[Alte HNO-Klinik|Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten]]. Ab Mai 1933 konnte er wegen eines inzwischen geltenden Erlasses des Reichsarbeitsministeriums seine Arbeit als Assistenzarzt in Deutschland nicht fortsetzen und bekam als Jude keine Kassenzulassung. Deshalb ging er für ein halbes Jahr nach Straßburg und anschließend in die Schweiz an das Klinisch-Therapeutische Institut in Arlesheim. Da auch in Frankreich und der Schweiz keine Aussicht auf eine erfolgreiche berufliche Tätigkeit bestand, kehrte er nach Tübingen zurück und versuchte, sich in der Neuen Straße 1 eine Privatpraxis als praktischer Arzt aufzubauen. Auch dies erwies sich als aussichtslos, da er als Jude keine Kassenzulassung bekam und weil Privatpatienten nicht wagten, einen jüdischen Arzt zu nehmen. 1935 heiratete er Dorothee Hayum aus der Rechtsanwaltsfamilie Hayum und emigrierte mit ihr 1936 in die USA. Im Jahre 1945 wurde ihre Tochter Lilian geboren. Von 1943 bis 1945 diente Heinz Oppenheim in der Sanitätsabteilung der amerikanischen Armee. In den USA arbeitete Heinz Oppenheim als sehr angesehener Chefarzt und Professor der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und war Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Vereinigungen. Er war in New York, in West-Virginia und in Kentucky als HNO-Spezialist zugelassen. Heinz Oppenheim war Mitglied der jüdischen Gemeinde „Adath Israel Congregation“. Er verstarb plötzlich am 23. November 1969 in seinem Büro in Louisville/Kentucky. | ||
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| Oppenheim, Dorothee | | Oppenheim, Dorothee | ||
| Dorothee Hayum wurde am 28. April 1912 in Tübingen geboren als einzige Tochter des Rechtsanwaltes und liberalen (DDP-)Stadtrats [[Simon Hayum]] und seiner Ehefrau Hermine, geb. Weil. Sie besuchte das humanistische Gymnasium (heute Uhland-Gymnasium) in Tübingen und legte dort das Abitur ab. Anschließend studierte sie Rechtswissenschaften in München, Freiburg und Tübingen. Dort schloss sie 1934 ihr Studium mit der Promotion ab. 1935 heiratete sie Dr. Heinz Oppenheim. Da die Nationalsozialisten durch Gesetze vom 07.04.1933 Berufsverbote gegen jüdische Beamte und Rechtsanwälte verhängt hatten, hatte sie keine Chance auf eine Zulassung als Rechtsanwältin und musste auf eine juristische Laufbahn verzichten. 1936 flüchtete sie mit ihrem Mann in die USA. 1945 wurde dort ihre Tochter Lilian geboren, die in Indiana studierte und jetzt (2018) in Louisville/Kentucky lebt. Dorothee Oppenheim verstarb 1950. | | Dorothee Hayum wurde am 28. April 1912 in Tübingen geboren als einzige Tochter des Rechtsanwaltes und liberalen (DDP-)Stadtrats [[Simon Hayum]] und seiner Ehefrau Hermine, geb. Weil. Sie besuchte das humanistische Gymnasium (heute Uhland-Gymnasium) in Tübingen und legte dort das Abitur ab. Anschließend studierte sie Rechtswissenschaften in München, Freiburg und Tübingen. Dort schloss sie 1934 ihr Studium mit der Promotion ab. 1935 heiratete sie Dr. Heinz Oppenheim. Da die Nationalsozialisten durch Gesetze vom 07.04.1933 Berufsverbote gegen jüdische Beamte und Rechtsanwälte verhängt hatten, hatte sie keine Chance auf eine Zulassung als Rechtsanwältin und musste auf eine juristische Laufbahn verzichten. 1936 flüchtete sie mit ihrem Mann in die USA. 1945 wurde dort ihre Tochter Lilian geboren, die in Indiana studierte und jetzt (2018) in Louisville/Kentucky lebt. Dorothee Oppenheim verstarb 1950. | ||
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| Oppenheim, Gertrud | | Oppenheim, Gertrud | ||
| Gertrud Oppenheim wurde am 17. November 1911 als Tochter von Jakob Oppenheim und seiner Ehefrau Karoline Oppenheim, geb. Seemann in Tübingen geboren. Sie besuchte die Mädchen-Oberrealschule in Tübingen (heute Wildermuth-Gymnasium) und anschließend ein Mädchenpensionat in der französischen Schweiz. Danach half sie im florierenden Textilgeschäft ihres Vaters mit. In Frankfurt/Main heiratete sie 1935 den Juristen Dr. Otto Adler. Mit ihm flüchtete sie 1938 in die USA und lebte in Philadelphia/Pennsylvania. 1940 nahm sie ihre Eltern Jakob und Karoline Oppenheim bei sich auf und bestritt gemeinsam mit ihrem Bruder Heinz Oppenheim ihren Unterhalt. | | Gertrud Oppenheim wurde am 17. November 1911 als Tochter von Jakob Oppenheim und seiner Ehefrau Karoline Oppenheim, geb. Seemann in Tübingen geboren. Sie besuchte die Mädchen-Oberrealschule in Tübingen (heute Wildermuth-Gymnasium) und anschließend ein Mädchenpensionat in der französischen Schweiz. Danach half sie im florierenden Textilgeschäft ihres Vaters mit. In Frankfurt/Main heiratete sie 1935 den Juristen Dr. Otto Adler. Mit ihm flüchtete sie 1938 in die USA und lebte in Philadelphia/Pennsylvania. 1940 nahm sie ihre Eltern Jakob und Karoline Oppenheim bei sich auf und bestritt gemeinsam mit ihrem Bruder Heinz Oppenheim ihren Unterhalt. | ||
| 2018-07-10 | | 2018-07-10 | ||
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| Schäfer, Albert | | Schäfer, Albert | ||
| Albert Schäfer wurde am 26. August 1878 in Hainsfarth/Bayern geboren. Nach der höheren Schule und einer kaufmännischen Ausbildung war er über längere Zeit bei größeren Textilfirmen in Nürnberg, Würzburg und München tätig. 1911 kam er nach Tübingen und übernahm dort zusammen mit seinem Schwager Jakob Oppenheim die Geschäftsführung des Konfektionshauses „Eduard Degginger Nachfolger“. Sie erwarben das ehemalige Offizierskasino in der Neuen Straße 1 und bauten es um zu einem repräsentativen Geschäfts- und Wohnhaus. Schon bald galt es als das renommierteste Konfektionshaus in Tübingen. Von 1913 bis 1933 war „Eduard Degginger Nachfolger“ marktführend in Tübingen, aber bereits 1931 begann zunächst schleichend, dann ab 1. April 1933 auf staatliche Initiative ein Boykott aller jüdischen Geschäfte. Infolgedessen kam es zu rapiden Gewinneinbrüchen, nur wenige treue Kunden waren geblieben. Am Morgen nach der Reichspogromnacht im November 1938 wurde auch Albert Schäfer verhaftet und nach Dachau gebracht. Am Monatsende wurde er aus dem Konzentrationslager entlassen unter der Auflage, Deutschland sofort zu verlassen, und mit dem erzwungenen Versprechen, niemandem von seinen Erlebnissen im KZ zu erzählen. Im Januar 1939 mussten Albert Schäfer und Jakob Oppenheim das inzwischen an den NSDAP-Stadtrat Karl Haidt vermietete Geschäftshaus weit unter dem tatsächlichen Wert an ihn verkaufen. Im März 1939 beraubte die neu eingeführte sogenannte „Silberabgabe“ darüber hinaus die Familie Schäfer fast aller ihrer Wertsachen. Vom Erlös des Hauses gingen weitere Zwangsabgaben an den Staat ab, die sogenannte „Judenvermögensabgabe“, so dass für Jakob Oppenheim und Albert Schäfer jeweils nur 10.000 Reichsmark übrig blieben, auf die sie keinen Zugriff mehr hatten. Albert Schäfer hatte an den KZ-Haftfolgen physisch und psychisch schwer zu leiden und starb am 4. Mai 1941 in Tübingen. Da die jüdische Gemeinde bereits aufgelöst war, fand sich niemand, der sich um die Beerdigung kümmern wollte. Ein unerschrockener Pferdekutscher versteckte ihn unter einer Plane und brachte ihn so auf den Wankheimer Friedhof. Dort wurde er im Beisein seiner Frau und weniger verbliebener Freunde bestattet, beide Töchter waren schon zuvor aus Deutschland geflüchtet – es ist die letzte Bestattung auf diesem kleinen jüdischen Friedhof gewesen. | | Albert Schäfer wurde am 26. August 1878 in Hainsfarth/Bayern geboren. Nach der höheren Schule und einer kaufmännischen Ausbildung war er über längere Zeit bei größeren Textilfirmen in Nürnberg, Würzburg und München tätig. 1911 kam er nach Tübingen und übernahm dort zusammen mit seinem Schwager Jakob Oppenheim die Geschäftsführung des Konfektionshauses „Eduard Degginger Nachfolger“. Sie erwarben das ehemalige Offizierskasino in der Neuen Straße 1 und bauten es um zu einem repräsentativen Geschäfts- und Wohnhaus. Schon bald galt es als das renommierteste Konfektionshaus in Tübingen. Von 1913 bis 1933 war „Eduard Degginger Nachfolger“ marktführend in Tübingen, aber bereits 1931 begann zunächst schleichend, dann ab 1. April 1933 auf staatliche Initiative ein Boykott aller jüdischen Geschäfte. Infolgedessen kam es zu rapiden Gewinneinbrüchen, nur wenige treue Kunden waren geblieben. Am Morgen nach der Reichspogromnacht im November 1938 wurde auch Albert Schäfer verhaftet und nach Dachau gebracht. Am Monatsende wurde er aus dem Konzentrationslager entlassen unter der Auflage, Deutschland sofort zu verlassen, und mit dem erzwungenen Versprechen, niemandem von seinen Erlebnissen im KZ zu erzählen. Im Januar 1939 mussten Albert Schäfer und Jakob Oppenheim das inzwischen an den NSDAP-Stadtrat Karl Haidt vermietete Geschäftshaus weit unter dem tatsächlichen Wert an ihn verkaufen. Im März 1939 beraubte die neu eingeführte sogenannte „Silberabgabe“ darüber hinaus die Familie Schäfer fast aller ihrer Wertsachen. Vom Erlös des Hauses gingen weitere Zwangsabgaben an den Staat ab, die sogenannte „Judenvermögensabgabe“, so dass für Jakob Oppenheim und Albert Schäfer jeweils nur 10.000 Reichsmark übrig blieben, auf die sie keinen Zugriff mehr hatten. Albert Schäfer hatte an den KZ-Haftfolgen physisch und psychisch schwer zu leiden und starb am 4. Mai 1941 in Tübingen. Da die jüdische Gemeinde bereits aufgelöst war, fand sich niemand, der sich um die Beerdigung kümmern wollte. Ein unerschrockener Pferdekutscher versteckte ihn unter einer Plane und brachte ihn so auf den Wankheimer Friedhof. Dort wurde er im Beisein seiner Frau und weniger verbliebener Freunde bestattet, beide Töchter waren schon zuvor aus Deutschland geflüchtet – es ist die letzte Bestattung auf diesem kleinen jüdischen Friedhof gewesen. | ||
| 2018-07-10 | | 2018-07-10 | ||
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| Schäfer, Selma | | Schäfer, Selma | ||
| Selma Schäfer wurde am 14. März 1887 in Aschbach bei Bamberg geboren als jüngere Schwester von Karoline Oppenheim, geb. Seemann und kam zusammen mit ihrem Mann Albert Schäfer 1911 nach Tübingen. Das Ehepaar hatte zwei Töchter, Herta und Liselotte. Selma Schäfer arbeitete im Geschäft ihres Mannes und ihres Schwagers mit. Daneben war sie stadtbekannt für ihr großes soziales Engagement für arme Menschen in Tübingen. Selma Schäfer war Mitglied im Jüdischen Frauenverein Tübingen, der 1924 gegründet wurde und sich im sozialen und kulturellen Bereich betätigte. Nach dem Tode ihres Mannes 1941 wurde Selma Schäfer zwangsumgesiedelt nach Haigerloch. Im November wurde sie von Haigerloch nach Stuttgart gebracht zu der Sammelstelle am Nordbahnhof. Von dort aus wurde sie mit vielen anderen am 01.12.1941 in ungeheizten Güterwagen über drei Tage nach Riga deportiert. Am 26. März 1942 fiel sie dort einem Massaker zum Opfer. Sie hat kein Grab an der Seite ihres Mannes erhalten, aber ihr Name steht auf dem Sammelgedenkstein für die ermordeten Juden aus Tübingen, den Victor Marx nach dem Krieg auf dem Wankheimer Friedhof aufstellen ließ. | | Selma Schäfer wurde am 14. März 1887 in Aschbach bei Bamberg geboren als jüngere Schwester von Karoline Oppenheim, geb. Seemann und kam zusammen mit ihrem Mann Albert Schäfer 1911 nach Tübingen. Das Ehepaar hatte zwei Töchter, Herta und Liselotte. Selma Schäfer arbeitete im Geschäft ihres Mannes und ihres Schwagers mit. Daneben war sie stadtbekannt für ihr großes soziales Engagement für arme Menschen in Tübingen. Selma Schäfer war Mitglied im Jüdischen Frauenverein Tübingen, der 1924 gegründet wurde und sich im sozialen und kulturellen Bereich betätigte. Nach dem Tode ihres Mannes 1941 wurde Selma Schäfer zwangsumgesiedelt nach Haigerloch. Im November wurde sie von Haigerloch nach Stuttgart gebracht zu der Sammelstelle am Nordbahnhof. Von dort aus wurde sie mit vielen anderen am 01.12.1941 in ungeheizten Güterwagen über drei Tage nach Riga deportiert. Am 26. März 1942 fiel sie dort einem Massaker zum Opfer. Sie hat kein Grab an der Seite ihres Mannes erhalten, aber ihr Name steht auf dem Sammelgedenkstein für die ermordeten Juden aus Tübingen, den Victor Marx nach dem Krieg auf dem Wankheimer Friedhof aufstellen ließ. | ||
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| Schäfer, Herta | | Schäfer, Herta | ||
| Herta Schäfer wurde am 27. Oktober 1911 in Tübingen als erste Tochter des Textilhändlers Albert Schäfer und seiner Ehefrau Selma geboren. Sie besuchte die Oberrealschule für Mädchen, (heute [[Wildermuth-Gymnasium]]) in Tübingen und danach ein Mädchenpensionat in der französischen Schweiz. 1935 heiratete sie Gustav Meinhardt, der in Nürnberg ein Textilgeschäft hatte, und zog zu ihm. Unter dem ständig zunehmenden Druck der Nationalsozialisten entschlossen sie sich 1937 zur Flucht nach New York. Bis zu ihrem Tode 1989 lebte sie in Florida. Auf Einladung der Stadt kam sie noch einmal zu Besuch nach Tübingen. | | Herta Schäfer wurde am 27. Oktober 1911 in Tübingen als erste Tochter des Textilhändlers Albert Schäfer und seiner Ehefrau Selma geboren. Sie besuchte die Oberrealschule für Mädchen, (heute [[Wildermuth-Gymnasium]]) in Tübingen und danach ein Mädchenpensionat in der französischen Schweiz. 1935 heiratete sie Gustav Meinhardt, der in Nürnberg ein Textilgeschäft hatte, und zog zu ihm. Unter dem ständig zunehmenden Druck der Nationalsozialisten entschlossen sie sich 1937 zur Flucht nach New York. Bis zu ihrem Tode 1989 lebte sie in Florida. Auf Einladung der Stadt kam sie noch einmal zu Besuch nach Tübingen. | ||
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| Schäfer, Lieselotte | | Schäfer, Lieselotte | ||
| Liselotte Schäfer kam als zweite Tochter von Albert und Selma Schäfer am 22. Juni 1921 in Tübingen zur Welt. Sie besuchte die Oberrealschule für Mädchen (heute [[Wildermuth-Gymnasium]]) in Tübingen. Auf Befragen erinnerte sie sich an keine Diskriminierungen durch Mitschülerinnen oder Lehrerinnen, außer dass sie bei den vielen BDM-Veranstaltungen nie dabei sein durfte und sich insofern oft allein fühlte. Als einzige Tübinger Jüdin schloss sie sich der zionistischen Jugendbewegung an, nachdem sie in einer Zeitung von der organisierten Auswanderung nach Palästina gelesen hatte. Bei München besuchte sie einen sechswöchigen Vorbereitungskurs, in dem man Hebräisch und landwirtschaftliches Arbeiten lernte. 1937 fuhr sie mit dem Zug nach Triest. Zusammen mit anderen Jugendlichen kam sie mit dem Schiff in Palästina an und es gelang ihr schnell, im Kibbuz-Leben Fuß zu fassen. Sie legte ihren deutschen Vornamen Liselotte ab und nahm den hebräischen Vornamen Michal an zur Identifikation mit der neuen Heimat. 1940 gab sie das Kibbuz-Leben auf, um in Tel Aviv Geld zu verdienen für die Flucht ihrer Eltern, zu der es jedoch nicht mehr kam. 1946 heiratete sie Eliahu Wager, dessen Familie aus Odessa kam. Mit ihm hat sie zwei Söhne, eine Tochter und vier Enkel. Mit anderen Familien gründeten sie den Kibbuz „Genosar“ am See Genezareth. 1960 zogen sie zunächst nach Haifa, 1971 nach Jerusalem. Dort arbeitete Michal Wager noch viele Jahre ehrenamtlich als Übersetzerin im Archiv der Gedenkstätte Yad Vashem. | | Liselotte Schäfer kam als zweite Tochter von Albert und Selma Schäfer am 22. Juni 1921 in Tübingen zur Welt. Sie besuchte die Oberrealschule für Mädchen (heute [[Wildermuth-Gymnasium]]) in Tübingen. Auf Befragen erinnerte sie sich an keine Diskriminierungen durch Mitschülerinnen oder Lehrerinnen, außer dass sie bei den vielen BDM-Veranstaltungen nie dabei sein durfte und sich insofern oft allein fühlte. Als einzige Tübinger Jüdin schloss sie sich der zionistischen Jugendbewegung an, nachdem sie in einer Zeitung von der organisierten Auswanderung nach Palästina gelesen hatte. Bei München besuchte sie einen sechswöchigen Vorbereitungskurs, in dem man Hebräisch und landwirtschaftliches Arbeiten lernte. 1937 fuhr sie mit dem Zug nach Triest. Zusammen mit anderen Jugendlichen kam sie mit dem Schiff in Palästina an und es gelang ihr schnell, im Kibbuz-Leben Fuß zu fassen. Sie legte ihren deutschen Vornamen Liselotte ab und nahm den hebräischen Vornamen Michal an zur Identifikation mit der neuen Heimat. 1940 gab sie das Kibbuz-Leben auf, um in Tel Aviv Geld zu verdienen für die Flucht ihrer Eltern, zu der es jedoch nicht mehr kam. 1946 heiratete sie Eliahu Wager, dessen Familie aus Odessa kam. Mit ihm hat sie zwei Söhne, eine Tochter und vier Enkel. Mit anderen Familien gründeten sie den Kibbuz „Genosar“ am See Genezareth. 1960 zogen sie zunächst nach Haifa, 1971 nach Jerusalem. Dort arbeitete Michal Wager noch viele Jahre ehrenamtlich als Übersetzerin im Archiv der Gedenkstätte Yad Vashem. | ||
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| Weil, Rosalie | | Weil, Rosalie | ||
| Rosalie Herrmann wurde am 20. August 1871 in [[Stuttgart]] in einer jüdischen Familie geboren. Am 9. April 1896 heiratete sie in Stuttgart Sigmund Weil und zog mit ihm am 26. Januar 1903 nach Tübingen. Dort wurde Sigmund Weil zusammen mit seinem Bruder Albert Teilhaber am Verlag der „Tübinger Chronik“. Heimwehkrank nach Stuttgart, wurde sie bereits am 13. November 1903 in die Heil- und Pflegeanstalt Schussenried eingeliefert; die Ehe wurde am 1. Mai 1907 geschieden. Am 9. Juli 1940 wurde sie mit einem Transport von 75 Patienten aus Schussenried in die Tötungsanstalt Grafeneck gebracht, wo sie der „Euthanasie“-Aktion „T4“ zum Opfer fiel. | | Rosalie Herrmann wurde am 20. August 1871 in [[Stuttgart]] in einer jüdischen Familie geboren. Am 9. April 1896 heiratete sie in Stuttgart Sigmund Weil und zog mit ihm am 26. Januar 1903 nach Tübingen. Dort wurde Sigmund Weil zusammen mit seinem Bruder Albert Teilhaber am Verlag der „Tübinger Chronik“. Heimwehkrank nach Stuttgart, wurde sie bereits am 13. November 1903 in die Heil- und Pflegeanstalt Schussenried eingeliefert; die Ehe wurde am 1. Mai 1907 geschieden. Am 9. Juli 1940 wurde sie mit einem Transport von 75 Patienten aus Schussenried in die Tötungsanstalt Grafeneck gebracht, wo sie der „Euthanasie“-Aktion „T4“ zum Opfer fiel. | ||
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| Pagel, Charlotte | | Pagel, Charlotte | ||
| Charlotte Pagel wurde am 29. September 1894 als Tochter des bekannten Medizinhistorikers Julius Leopold Pagel und seiner Frau Marie, geb. Labaschin, in Berlin geboren. Sie war die Schwester von Dr. Albert und Dr. Walter Pagel. Da ihr jüngerer Bruder Walter 1926 in Tübingen eine Assistenzarztstelle als Prosektor am [[Anatomie|Anatomischen Institut der Universität]] annahm, kam Charlotte Pagel mit ihrem kranken Bruder Albert 1927 nach Tübingen; sie wohnten in der [[Kelternstraße]] 8. Charlotte Pagel versorgte und pflegte ihren Bruder, der an einer chronischen Krankheit litt. Zeitzeugen haben die Geschwister Pagel als liebenswürdige Nachbarn in Erinnerung behalten und erzählen, wie Charlotte arme Kinder in der Hölderlinschule mit Vesperbroten versorgte. Ihr Bruder Walter schreibt, sie sei der beste und liebevollste Mensch gewesen, sehr schön und von großer Musikalität; auf eine Karriere als Sängerin und auf eine eigene Familie habe sie verzichtet, um ihren hilflosen Bruder zu versorgen. Beide Geschwister wurden am 20. August 1942 in der Kelternstraße abgeholt und am 23. August von Stuttgart aus nach Theresienstadt deportiert, am 23. Januar 1943 weiter nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. | | Charlotte Pagel wurde am 29. September 1894 als Tochter des bekannten Medizinhistorikers Julius Leopold Pagel und seiner Frau Marie, geb. Labaschin, in Berlin geboren. Sie war die Schwester von Dr. Albert und Dr. Walter Pagel. Da ihr jüngerer Bruder Walter 1926 in Tübingen eine Assistenzarztstelle als Prosektor am [[Anatomie|Anatomischen Institut der Universität]] annahm, kam Charlotte Pagel mit ihrem kranken Bruder Albert 1927 nach Tübingen; sie wohnten in der [[Kelternstraße]] 8. Charlotte Pagel versorgte und pflegte ihren Bruder, der an einer chronischen Krankheit litt. Zeitzeugen haben die Geschwister Pagel als liebenswürdige Nachbarn in Erinnerung behalten und erzählen, wie Charlotte arme Kinder in der Hölderlinschule mit Vesperbroten versorgte. Ihr Bruder Walter schreibt, sie sei der beste und liebevollste Mensch gewesen, sehr schön und von großer Musikalität; auf eine Karriere als Sängerin und auf eine eigene Familie habe sie verzichtet, um ihren hilflosen Bruder zu versorgen. Beide Geschwister wurden am 20. August 1942 in der Kelternstraße abgeholt und am 23. August von Stuttgart aus nach Theresienstadt deportiert, am 23. Januar 1943 weiter nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. | ||
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| Pagel, Dr. Alber | | Pagel, Dr. Alber | ||
| Albert Pagel wurde am 3. Dezember 1885 als Sohn des bekannten Medizinhistorikers Julius Leopold Pagel und seiner Frau Marie, geb. Labaschin, in Berlin geboren. Er besuchte das humanistische Lessing-Gymnasium in Berlin und legte dort das Abitur ab. Danach studierte er Jura und Philosophie in Berlin mit dem Schwerpunkt Rechtsphilosophie. 1907 wurde Albert Pagel Rechtsreferendar und 1911 Assessor und promovierte 1909 an der Universität Gießen. Von 1912 bis 1914 war er Assistent an der juristischen Fakultät der Universität Berlin. Im [[1. Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] leistete er Kriegsdienst als Richter an verschiedenen Orten. Da Albert Pagel unter einer chronischen Krankheit litt, die sich unter den Kriegsbedingungen sehr verschlechtert hatte, kam er in desolatem Gesundheitszustand aus dem Krieg zurück. An eine Laufbahn an der Universität oder in der Justiz war nicht mehr zu denken. Da seine Eltern schon 1909 und 1912 verstorben waren, wurde Albrecht Pagel von seiner jüngeren Schwester Charlotte versorgt und gepflegt. Er arbeitete als Privatgelehrter wissenschaftlich weiter, war Mitglied der (von Hans Vaihinger gegründeten) Kant-Gesellschaft und veröffentlichte Arbeiten zu rechtsphilosophischen und juristischen Themen. Am 21. August 1927 zogen Charlotte und Albert Pagel nach Tübingen in die Kelternstraße 8, wohl weil sein jüngerer Bruder Walter Pagel von 1926 bis 1928 als Assistent am Pathologischen Institut arbeitete. Albert hatte auch dort gute Kontakte zur philosophischen und juristischen Fakultät und nahm am Universitätsleben teil. (Dr. Walter Pagel und seine Frau Dr. Magda Pagel, geb. Koll konnten sich in Tübingen und Heidelberg aufgrund der nationalsozialistischen Gesetze als Juden nicht habilitieren und emigrierten mit ihrem dreijährigen Sohn Bernard 1933 nach Großbritannien. Walter Pagel lebte als angesehener Professor für Pathologie und Medizingeschichte in London und starb 1963.) Dr. Albert Pagel und seine Schwester Charlotte wohnten, inzwischen beide krank, weiter in der Kelternstraße 8, bis sie beide am 20. August 1942 abgeholt wurden. Am 22. August wurden sie von Stuttgart aus nach Theresienstadt deportiert, am 23. Januar 1943 weiter nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. | | Albert Pagel wurde am 3. Dezember 1885 als Sohn des bekannten Medizinhistorikers Julius Leopold Pagel und seiner Frau Marie, geb. Labaschin, in Berlin geboren. Er besuchte das humanistische Lessing-Gymnasium in Berlin und legte dort das Abitur ab. Danach studierte er Jura und Philosophie in Berlin mit dem Schwerpunkt Rechtsphilosophie. 1907 wurde Albert Pagel Rechtsreferendar und 1911 Assessor und promovierte 1909 an der Universität Gießen. Von 1912 bis 1914 war er Assistent an der juristischen Fakultät der Universität Berlin. Im [[1. Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] leistete er Kriegsdienst als Richter an verschiedenen Orten. Da Albert Pagel unter einer chronischen Krankheit litt, die sich unter den Kriegsbedingungen sehr verschlechtert hatte, kam er in desolatem Gesundheitszustand aus dem Krieg zurück. An eine Laufbahn an der Universität oder in der Justiz war nicht mehr zu denken. Da seine Eltern schon 1909 und 1912 verstorben waren, wurde Albrecht Pagel von seiner jüngeren Schwester Charlotte versorgt und gepflegt. Er arbeitete als Privatgelehrter wissenschaftlich weiter, war Mitglied der (von Hans Vaihinger gegründeten) Kant-Gesellschaft und veröffentlichte Arbeiten zu rechtsphilosophischen und juristischen Themen. Am 21. August 1927 zogen Charlotte und Albert Pagel nach Tübingen in die Kelternstraße 8, wohl weil sein jüngerer Bruder Walter Pagel von 1926 bis 1928 als Assistent am Pathologischen Institut arbeitete. Albert hatte auch dort gute Kontakte zur philosophischen und juristischen Fakultät und nahm am Universitätsleben teil. (Dr. Walter Pagel und seine Frau Dr. Magda Pagel, geb. Koll konnten sich in Tübingen und Heidelberg aufgrund der nationalsozialistischen Gesetze als Juden nicht habilitieren und emigrierten mit ihrem dreijährigen Sohn Bernard 1933 nach Großbritannien. Walter Pagel lebte als angesehener Professor für Pathologie und Medizingeschichte in London und starb 1963.) Dr. Albert Pagel und seine Schwester Charlotte wohnten, inzwischen beide krank, weiter in der Kelternstraße 8, bis sie beide am 20. August 1942 abgeholt wurden. Am 22. August wurden sie von Stuttgart aus nach Theresienstadt deportiert, am 23. Januar 1943 weiter nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. | ||
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|Pollak, Rosa | |||
|Pollak, Rosa | |||
| Rosa Pollak wurde am 30. Juni 1898 in Olnhausen an der Jagst als dritte von sechs Schwestern geboren. Sie verbrachte ihre Jugendjahre in Tübingen in der Rümelinstraße 2. Darüber schreibt ihre Schwester Recha rückblickend: „Aber Tübingen war für uns junge Mädchen ein Paradies und wir hatten eine wundervolle Jugendzeit.“ 1922 heiratete Rosa den jüdischen Haigerlocher Kaufmann Benno Kappenmacher. In Haigerloch kam drei Jahre später auch ihre Tochter Therese zur Welt. Nach neun Jahren Ehe verunglückte Rosas Mann tödlich und sie zog mit ihrer Tochter zurück nach Tübingen zu ihrer verwitweten Mutter und ihrer ledigen Schwester in die Keplerstraße 5. 1935 zog Rosa Kappenmacher weiter zu ihrer Schwester Clara nach Karlsruhe. Von dort floh sie zusammen mit ihrer 10-jährigen Tochter noch im selben Jahr nach Palästina. Als erste der Schwestern verließ sie ihr Heimatland unfreiwillig. 1951 emigrierte sie mit ihrer Tochter und ihrer Schwester Selma aus Israel nach New York, um ihre Mutter Pauline nochmals zu sehen, die bald darauf starb. Rosa Pollak heiratete ein zweites Mal, den aus Lohr am Main stammenden A. Strauss. | | Rosa Pollak wurde am 30. Juni 1898 in Olnhausen an der Jagst als dritte von sechs Schwestern geboren. Sie verbrachte ihre Jugendjahre in Tübingen in der Rümelinstraße 2. Darüber schreibt ihre Schwester Recha rückblickend: „Aber Tübingen war für uns junge Mädchen ein Paradies und wir hatten eine wundervolle Jugendzeit.“ 1922 heiratete Rosa den jüdischen Haigerlocher Kaufmann Benno Kappenmacher. In Haigerloch kam drei Jahre später auch ihre Tochter Therese zur Welt. Nach neun Jahren Ehe verunglückte Rosas Mann tödlich und sie zog mit ihrer Tochter zurück nach Tübingen zu ihrer verwitweten Mutter und ihrer ledigen Schwester in die Keplerstraße 5. 1935 zog Rosa Kappenmacher weiter zu ihrer Schwester Clara nach Karlsruhe. Von dort floh sie zusammen mit ihrer 10-jährigen Tochter noch im selben Jahr nach Palästina. Als erste der Schwestern verließ sie ihr Heimatland unfreiwillig. 1951 emigrierte sie mit ihrer Tochter und ihrer Schwester Selma aus Israel nach New York, um ihre Mutter Pauline nochmals zu sehen, die bald darauf starb. Rosa Pollak heiratete ein zweites Mal, den aus Lohr am Main stammenden A. Strauss. | ||
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| Kappenmacher, Therese | | Kappenmacher, Therese | ||
| Therese Kappenmacher wurde am 11. April 1925 in Haigerloch geboren. Sie war die Tochter von Rosa, geb. Pollak, die dort den Kaufmann Benno Kappenmacher geheiratet hatte. Nachdem ihr Vater tödlich verunglückt war, zog ihre Mutter 1931 mit der Sechsjährigen zurück nach Tübingen zur Großmutter Pauline Pollak in die [[Keplerstraße]] 5, wo auch ihre Tante Selma noch wohnte. In der Grundschule machte Therese schlechte Erfahrungen. Als einziges jüdisches Kind in der Klasse wurde sie schon vor 1933 schikaniert. Ihre Lehrerin, Fräulein Merz, eine Pfarrerstochter, war Antisemitin. Nachdem die Klasse 1933 die erste Führerrede hatte gemeinsam anhören müssen, begann die Lehrerin, Therese zu schlagen und auch ihre Klassenkameraden dazu anzuhalten. Therese war die erste jüdische Schülerin in Tübingen, die körperlich angegriffen wurde. Bald traute sie sich gar nicht mehr zur Schule. So sah ihre Mutter Rosa sich gezwungen, Tübingen zu verlassen, und zog mit der 10-Jährigen zunächst zu ihrer Schwester Clara nach Karlsruhe. Noch im selben Jahr flohen die beiden nach Palästina. 1951 verließen sie Israel und zogen zur Familie ihrer Tante Recha in den USA. Wahrscheinlich hat sie dort noch einmal ihre Großmutter Pauline Pollak sehen können, kurz bevor diese starb. Später heiratete Therese Kappenmacher und lebte in Minneapolis/Minnesota. | | Therese Kappenmacher wurde am 11. April 1925 in Haigerloch geboren. Sie war die Tochter von Rosa, geb. Pollak, die dort den Kaufmann Benno Kappenmacher geheiratet hatte. Nachdem ihr Vater tödlich verunglückt war, zog ihre Mutter 1931 mit der Sechsjährigen zurück nach Tübingen zur Großmutter Pauline Pollak in die [[Keplerstraße]] 5, wo auch ihre Tante Selma noch wohnte. In der Grundschule machte Therese schlechte Erfahrungen. Als einziges jüdisches Kind in der Klasse wurde sie schon vor 1933 schikaniert. Ihre Lehrerin, Fräulein Merz, eine Pfarrerstochter, war Antisemitin. Nachdem die Klasse 1933 die erste Führerrede hatte gemeinsam anhören müssen, begann die Lehrerin, Therese zu schlagen und auch ihre Klassenkameraden dazu anzuhalten. Therese war die erste jüdische Schülerin in Tübingen, die körperlich angegriffen wurde. Bald traute sie sich gar nicht mehr zur Schule. So sah ihre Mutter Rosa sich gezwungen, Tübingen zu verlassen, und zog mit der 10-Jährigen zunächst zu ihrer Schwester Clara nach Karlsruhe. Noch im selben Jahr flohen die beiden nach Palästina. 1951 verließen sie Israel und zogen zur Familie ihrer Tante Recha in den USA. Wahrscheinlich hat sie dort noch einmal ihre Großmutter Pauline Pollak sehen können, kurz bevor diese starb. Später heiratete Therese Kappenmacher und lebte in Minneapolis/Minnesota. | ||
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| Pollak, Clara | | Pollak, Clara | ||
| Clara Pollak wurde am 17. Februar 1900 als vierte von sechs Schwestern in Olnhausen an der Jagst geboren. Sie lebte von 1914 bis 1931 in Tübingen zuerst in der Rümelinstraße 2, dann nach dem Tod ihres Vaters ab 1925 in der Keplerstraße 5 zusammen mit ihrer Mutter und den Schwestern Mathilde und Selma. 1931 heiratete sie Wilhelm Dreyfuss in Karlsruhe. Mit ihm hatte sie eine Tochter, Bertha, und einen Sohn, Leo. Seit 1935 lebte bei ihnen auch ihre Mutter Pauline Pollak. Während diese zu Besuch bei ihrer anderen Tochter Mathilde in Würzburg war, wurde Clara 1940 mit ihrem Mann und den beiden Kindern in das südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. 1942 wurden Clara und ihr Mann von Gurs weiter nach Auschwitz verschleppt. Beide wurden dort ermordet. Ihre beiden vier- und sechsjährigen Kinder kamen aber nicht nach Auschwitz, sondern konnten in Frankreich mithilfe der OSE (Œuvre de Secours aux Enfants) untertauchen und später in die Schweiz geschmuggelt werden. Die beiden Waisenkinder emigrierten 1946 in die USA zu ihrer Tante Recha, der ältesten der Schwestern, welche schon 1940 aus Emmendingen bei Freiburg über die Schweiz nach New York geflohen war, kinderlos geblieben und seit 1945 verwitwet war. | | Clara Pollak wurde am 17. Februar 1900 als vierte von sechs Schwestern in Olnhausen an der Jagst geboren. Sie lebte von 1914 bis 1931 in Tübingen zuerst in der Rümelinstraße 2, dann nach dem Tod ihres Vaters ab 1925 in der Keplerstraße 5 zusammen mit ihrer Mutter und den Schwestern Mathilde und Selma. 1931 heiratete sie Wilhelm Dreyfuss in Karlsruhe. Mit ihm hatte sie eine Tochter, Bertha, und einen Sohn, Leo. Seit 1935 lebte bei ihnen auch ihre Mutter Pauline Pollak. Während diese zu Besuch bei ihrer anderen Tochter Mathilde in Würzburg war, wurde Clara 1940 mit ihrem Mann und den beiden Kindern in das südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. 1942 wurden Clara und ihr Mann von Gurs weiter nach Auschwitz verschleppt. Beide wurden dort ermordet. Ihre beiden vier- und sechsjährigen Kinder kamen aber nicht nach Auschwitz, sondern konnten in Frankreich mithilfe der OSE (Œuvre de Secours aux Enfants) untertauchen und später in die Schweiz geschmuggelt werden. Die beiden Waisenkinder emigrierten 1946 in die USA zu ihrer Tante Recha, der ältesten der Schwestern, welche schon 1940 aus Emmendingen bei Freiburg über die Schweiz nach New York geflohen war, kinderlos geblieben und seit 1945 verwitwet war. | ||
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| Pollak, Mathilde | | Pollak, Mathilde | ||
| Mathilde Pollak wurde am 17. September 1901 in Olnhausen an der Jagst als fünfte von sechs Töchtern geboren. Sie lebte von 1914 bis 1929 in Tübingen, zuerst in der [[Rümelinstraße]] 2, dann nach dem Tod ihres Vaters ab 1925 in der Keplerstraße 5 zusammen mit ihrer Mutter und ihrer jüngsten Schwester Selma, die ersten zwei Jahre auch noch mit Clara. 1929 heiratete sie in Würzburg Max Fechenbach, mit dem sie zwei Kinder hatte, Susan und Walter. Außerdem wohnte seit 1940 ihre Mutter Pauline bei ihr in Würzburg, weil ihre Schwester Clara von Karlsruhe aus nach Gurs deportiert worden war und die Mutter deshalb dort nicht mehr wohnen konnte. Aber am 22. September 1942 wurde auch Mathilde mit ihrer ganzen Familie und der Mutter nach Theresienstadt deportiert. Mathilde berichtet später: „Zweimal im Jahr kam Eichmann und hat die Einwohnerlisten durchgesehen. Sofort nach seinem Weggang gingen dann Transporte mit Tausenden von Menschen in die Vernichtungslager ab.“ Im Frühjahr 1945 wurde Theresienstadt durch die Rote Armee befreit und sie kehrten zunächst alle zurück nach Würzburg, außer ihrem Sohn Walter, der schon 1944 weiter nach Auschwitz deportiert worden war. Auf einem der Todesmärsche nach der Räumung von Auschwitz konnte er fliehen, erkrankte schwer und kämpfte sich schließlich zu Fuß nach Würzburg durch. 1946 wanderten alle Fechenbachs mit der Mutter Pollak nach New York aus, wo Mathildes Schwester Martha lebte und die Schwester Recha mit den Waisenkindern von Clara. Susan Fechenbach heiratete dort Gary Loewenberg aus Berlin, und Walter Fechenbach heiratete Gerda Prifer aus Wien. 2007 starb Walter Fechenbach in New York. | | Mathilde Pollak wurde am 17. September 1901 in Olnhausen an der Jagst als fünfte von sechs Töchtern geboren. Sie lebte von 1914 bis 1929 in Tübingen, zuerst in der [[Rümelinstraße]] 2, dann nach dem Tod ihres Vaters ab 1925 in der Keplerstraße 5 zusammen mit ihrer Mutter und ihrer jüngsten Schwester Selma, die ersten zwei Jahre auch noch mit Clara. 1929 heiratete sie in Würzburg Max Fechenbach, mit dem sie zwei Kinder hatte, Susan und Walter. Außerdem wohnte seit 1940 ihre Mutter Pauline bei ihr in Würzburg, weil ihre Schwester Clara von Karlsruhe aus nach Gurs deportiert worden war und die Mutter deshalb dort nicht mehr wohnen konnte. Aber am 22. September 1942 wurde auch Mathilde mit ihrer ganzen Familie und der Mutter nach Theresienstadt deportiert. Mathilde berichtet später: „Zweimal im Jahr kam Eichmann und hat die Einwohnerlisten durchgesehen. Sofort nach seinem Weggang gingen dann Transporte mit Tausenden von Menschen in die Vernichtungslager ab.“ Im Frühjahr 1945 wurde Theresienstadt durch die Rote Armee befreit und sie kehrten zunächst alle zurück nach Würzburg, außer ihrem Sohn Walter, der schon 1944 weiter nach Auschwitz deportiert worden war. Auf einem der Todesmärsche nach der Räumung von Auschwitz konnte er fliehen, erkrankte schwer und kämpfte sich schließlich zu Fuß nach Würzburg durch. 1946 wanderten alle Fechenbachs mit der Mutter Pollak nach New York aus, wo Mathildes Schwester Martha lebte und die Schwester Recha mit den Waisenkindern von Clara. Susan Fechenbach heiratete dort Gary Loewenberg aus Berlin, und Walter Fechenbach heiratete Gerda Prifer aus Wien. 2007 starb Walter Fechenbach in New York. | ||
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| Pollak, Selma | | Pollak, Selma | ||
| Selma Pollak wurde am 26. Oktober 1903 als jüngste von sechs Schwestern in Olnhausen an der Jagst geboren. Sie erlebte ihre Jugendjahre in Tübingen in der Rümelinstraße 2, nach dem Tod ihres Vaters ab 1925 mit der Mutter und ihren Schwestern Clara und Mathilde in der Keplerstraße 5. Nachdem diese beiden Schwestern geheiratet hatten, zog 1931 ihre verwitwete Schwester Rosa mit der sechsjährigen Tochter Therese wieder ein. Selma blieb ledig. Ab 1933 wohnte sie bei ihrer ältesten Schwester Recha und deren Mann in Emmendingen bei Freiburg. 1936 floh Selma aus Deutschland nach Palästina zu ihrer Schwester Rosa. 1951 zog Selma von Israel nach New York. Sie folgte damit dem Wunsch ihrer Mutter Pauline, die 1946 in die USA gezogen war und dort nochmals alle ihre vier noch lebenden Töchter zu sehen wünschte. In New York wohnte Selma bei ihrer Schwester Rosa. | | Selma Pollak wurde am 26. Oktober 1903 als jüngste von sechs Schwestern in Olnhausen an der Jagst geboren. Sie erlebte ihre Jugendjahre in Tübingen in der Rümelinstraße 2, nach dem Tod ihres Vaters ab 1925 mit der Mutter und ihren Schwestern Clara und Mathilde in der Keplerstraße 5. Nachdem diese beiden Schwestern geheiratet hatten, zog 1931 ihre verwitwete Schwester Rosa mit der sechsjährigen Tochter Therese wieder ein. Selma blieb ledig. Ab 1933 wohnte sie bei ihrer ältesten Schwester Recha und deren Mann in Emmendingen bei Freiburg. 1936 floh Selma aus Deutschland nach Palästina zu ihrer Schwester Rosa. 1951 zog Selma von Israel nach New York. Sie folgte damit dem Wunsch ihrer Mutter Pauline, die 1946 in die USA gezogen war und dort nochmals alle ihre vier noch lebenden Töchter zu sehen wünschte. In New York wohnte Selma bei ihrer Schwester Rosa. | ||
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| Pollak, Pauline | |||
| Pauline Pollak, geb. Heidelberger, wurde am 28. Mai 1868 in Markelsheim bei Mergentheim/Hohenlohe geboren. 1892 heiratete sie Leopold Pollak, der in Olnhausen an der Jagst 26 Jahre lang Lehrer und Kantor war. Dort wurden zwischen 1895 und 1906 sechs Töchter geboren: Recha, Martha, Rosa, Clara, Mathilde und Selma. Die zweitälteste, Martha, wanderte bereits 1912 als 15-Jährige in die USA aus und heiratete dort Justin Loewenberger. 1914 siedelte die Familie nach Tübingen um, in die Rümelinstraße 2. Bevor sie Olnhausen verließen, machte der damalige Götz von Berlichingen dem Kantor Pollak einen Abschiedsbesuch. Die Kinder der beiden hatten oft miteinander gespielt. Auch in Tübingen arbeitete Leopold Pollak als Lehrer und Kantor bis zu seinem Tod 1923. Er wurde auf dem Wankheimer Friedhof beerdigt. Die Witwe zog mit ihren noch drei unverheirateten Töchtern in die Keplerstraße 5 um. Hier lebte sie von 1925 bis 1935, seit 1931 auch mit ihrer Enkelin Therese. Als die zwei zuletzt noch bei ihr lebenden Töchter aus Deutschland fliehen mussten, zog sie 1935 nach Karlsruhe zu ihrer Tochter Clara. Doch während eines Besuchs 1940 bei ihrer in Würzburg verheirateten Tochter Mathilde wurde Clara mit ihrer Familie deportiert. So musste Pauline Pollak bei Mathilde bleiben. Am 22. September 1942 wurde sie mit der Familie ihrer Tochter, die zwei Kinder hatte, nach Theresienstadt deportiert. 1945 wurden sie alle durch die Rote Armee befreit und emigrierten ein Jahr später nach New York. Dort starb sie 1951, nachdem sich ihr Wunsch erfüllt hatte, alle ihre noch lebenden Töchter nochmals zu sehen. | | Pauline Pollak, geb. Heidelberger, wurde am 28. Mai 1868 in Markelsheim bei Mergentheim/Hohenlohe geboren. 1892 heiratete sie Leopold Pollak, der in Olnhausen an der Jagst 26 Jahre lang Lehrer und Kantor war. Dort wurden zwischen 1895 und 1906 sechs Töchter geboren: Recha, Martha, Rosa, Clara, Mathilde und Selma. Die zweitälteste, Martha, wanderte bereits 1912 als 15-Jährige in die USA aus und heiratete dort Justin Loewenberger. 1914 siedelte die Familie nach Tübingen um, in die Rümelinstraße 2. Bevor sie Olnhausen verließen, machte der damalige Götz von Berlichingen dem Kantor Pollak einen Abschiedsbesuch. Die Kinder der beiden hatten oft miteinander gespielt. Auch in Tübingen arbeitete Leopold Pollak als Lehrer und Kantor bis zu seinem Tod 1923. Er wurde auf dem Wankheimer Friedhof beerdigt. Die Witwe zog mit ihren noch drei unverheirateten Töchtern in die Keplerstraße 5 um. Hier lebte sie von 1925 bis 1935, seit 1931 auch mit ihrer Enkelin Therese. Als die zwei zuletzt noch bei ihr lebenden Töchter aus Deutschland fliehen mussten, zog sie 1935 nach Karlsruhe zu ihrer Tochter Clara. Doch während eines Besuchs 1940 bei ihrer in Würzburg verheirateten Tochter Mathilde wurde Clara mit ihrer Familie deportiert. So musste Pauline Pollak bei Mathilde bleiben. Am 22. September 1942 wurde sie mit der Familie ihrer Tochter, die zwei Kinder hatte, nach Theresienstadt deportiert. 1945 wurden sie alle durch die Rote Armee befreit und emigrierten ein Jahr später nach New York. Dort starb sie 1951, nachdem sich ihr Wunsch erfüllt hatte, alle ihre noch lebenden Töchter nochmals zu sehen. | ||
| 2018-07-10 | | 2018-07-10 | ||
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| Wallensteiner, Klara | | Wallensteiner, Klara | ||
| Klara (oder auch Clara) Wallensteiner wurde am 18. Oktober 1869 in Hohenems (Oberamt Feldkirch/Vorarlberg) geboren als drittes und letztes Kind des Weinhändlers und Branntweinfabrikanten Karl Reichenbach und seiner Frau Helene Karoline Lotte, geb. Nathan (aus Laupheim/Württemberg). Die Reichenbachs waren eine alteingesessene, hochangesehene jüdische Familie. 1875 emigrierte Karl Reichenbach mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern Hermann und Klara (das älteste, ein Mädchen, war bereits bei der Geburt gestorben) nach Zürich/Schweiz; 1881 wurden sie naturalisiert und blieben in Zürich, wo Karl Reichenbach schon mit 45 Jahren 1885 starb. Seine Frau übersiedelte nach Ulm und starb dort 1923. Was aus Hermann Reichenbach wurde, ist nicht bekannt. Die Tochter Klara heiratete 1894 Julius Wallensteiner aus Ravensburg (geboren am 10. Augst 1858), ebenfalls aus alteingesessener, angesehener jüdischer Familie. Er war Chemiker in einer Rottweiler Pulverwarenfabrik und trat 1911 zum evangelischen Glauben über. 1912 starb er in Rottweil, vielleicht bei einem chemischen Versuch. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Klara Wallensteiner muss sich vor 1920 in Tübingen niedergelassen haben.[11] Sicher ist, dass auch Klara Wallensteiner zum Zeitpunkt ihres Todes der evangelischen Kirche angehörte. Sie wohnte in der [[Keplerstraße]] 9. Klara Wallensteiner stand bereits im Mai 1942 auf der Deportationsliste. Auf Fürsprache des Tübinger Polizeiamtsvorstands Friedrich Bücheler konnte sie zunächst bleiben. Er hatte darauf hingewiesen, dass die 72-Jährige bettlägerig war und liegend transportiert werden müsste; außerdem könne sie nie mehr am öffentlichen Leben teilnehmen und wohne in einem anderweitig nicht vermietbaren Hinterzimmer. Im August erfuhr sie jedoch vermutlich, dass die Stadt „judenfrei“ gemacht werden sollte. Daraufhin ließ sie sich kurzfristig nach Ludwigsburg verlegen und beging dort am 19.08.1942 Suizid durch Tabletteneinnahme – einen Tag vor der Tübinger Deportation. | | Klara (oder auch Clara) Wallensteiner wurde am 18. Oktober 1869 in Hohenems (Oberamt Feldkirch/Vorarlberg) geboren als drittes und letztes Kind des Weinhändlers und Branntweinfabrikanten Karl Reichenbach und seiner Frau Helene Karoline Lotte, geb. Nathan (aus Laupheim/Württemberg). Die Reichenbachs waren eine alteingesessene, hochangesehene jüdische Familie. 1875 emigrierte Karl Reichenbach mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern Hermann und Klara (das älteste, ein Mädchen, war bereits bei der Geburt gestorben) nach Zürich/Schweiz; 1881 wurden sie naturalisiert und blieben in Zürich, wo Karl Reichenbach schon mit 45 Jahren 1885 starb. Seine Frau übersiedelte nach Ulm und starb dort 1923. Was aus Hermann Reichenbach wurde, ist nicht bekannt. Die Tochter Klara heiratete 1894 Julius Wallensteiner aus Ravensburg (geboren am 10. Augst 1858), ebenfalls aus alteingesessener, angesehener jüdischer Familie. Er war Chemiker in einer Rottweiler Pulverwarenfabrik und trat 1911 zum evangelischen Glauben über. 1912 starb er in Rottweil, vielleicht bei einem chemischen Versuch. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Klara Wallensteiner muss sich vor 1920 in Tübingen niedergelassen haben.[11] Sicher ist, dass auch Klara Wallensteiner zum Zeitpunkt ihres Todes der evangelischen Kirche angehörte. Sie wohnte in der [[Keplerstraße]] 9. Klara Wallensteiner stand bereits im Mai 1942 auf der Deportationsliste. Auf Fürsprache des Tübinger Polizeiamtsvorstands Friedrich Bücheler konnte sie zunächst bleiben. Er hatte darauf hingewiesen, dass die 72-Jährige bettlägerig war und liegend transportiert werden müsste; außerdem könne sie nie mehr am öffentlichen Leben teilnehmen und wohne in einem anderweitig nicht vermietbaren Hinterzimmer. Im August erfuhr sie jedoch vermutlich, dass die Stadt „judenfrei“ gemacht werden sollte. Daraufhin ließ sie sich kurzfristig nach Ludwigsburg verlegen und beging dort am 19.08.1942 Suizid durch Tabletteneinnahme – einen Tag vor der Tübinger Deportation. | ||
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| Reinauer, Sofie | | Reinauer, Sofie | ||
| Sofie Reinauer wurde am 6. Februar 1864 als drittes Kind der Eheleute Marx und Fanny Reinauer in Mühringen/Horb geboren. Ab 1909 lebte sie in Tübingen zusammen mit ihrer Schwester Philippine in der Mauerstraße 25. Sofie arbeitete von 1922 bis 1937 als Stickerin. Sie hatte dafür einen Gewerbeschein, erzielte aber nur ein sehr bescheidenes Einkommen. Am 26. März 1941 wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Philippine in die Pflegeanstalt Heggbach/Laupheim transportiert. Dort soll Sofie am 11. Januar 1942 an Altersgebrechen gestorben sein. Ihr Grab liegt auf dem Laupheimer jüdischen Friedhof. Von den vier weiteren Geschwistern der beiden Schwestern Philippine und Sofie Reinauer hat nur der letzte Sohn Bernhard Reinauer überlebt, der am 5. Februar 1872 ebenfalls in Mühringen geboren wurde. Bernhard wanderte 16-jährig 1888 in die USA aus. Er lebte in Cook/Illinois und starb 1952. Er hinterließ zwei Söhne. Der ältere, Max Lincoln Reinauer, lebte von 1915 bis 1990 in Los Angeles/Kalifornien und hatte ebenfalls zwei Söhne. Der jüngere, Robert Louis Reinauer, ist 1920 in Chicago/Illinois geboren und 2010 in Kitsap/Washington gestorben, wo er ab 1940 lebte. Er hatte zwei Kinder, Dirk, geb. 1960, und Deonne Roberta, geb. 1961. | | Sofie Reinauer wurde am 6. Februar 1864 als drittes Kind der Eheleute Marx und Fanny Reinauer in Mühringen/Horb geboren. Ab 1909 lebte sie in Tübingen zusammen mit ihrer Schwester Philippine in der Mauerstraße 25. Sofie arbeitete von 1922 bis 1937 als Stickerin. Sie hatte dafür einen Gewerbeschein, erzielte aber nur ein sehr bescheidenes Einkommen. Am 26. März 1941 wurde sie zusammen mit ihrer Schwester Philippine in die Pflegeanstalt Heggbach/Laupheim transportiert. Dort soll Sofie am 11. Januar 1942 an Altersgebrechen gestorben sein. Ihr Grab liegt auf dem Laupheimer jüdischen Friedhof. Von den vier weiteren Geschwistern der beiden Schwestern Philippine und Sofie Reinauer hat nur der letzte Sohn Bernhard Reinauer überlebt, der am 5. Februar 1872 ebenfalls in Mühringen geboren wurde. Bernhard wanderte 16-jährig 1888 in die USA aus. Er lebte in Cook/Illinois und starb 1952. Er hinterließ zwei Söhne. Der ältere, Max Lincoln Reinauer, lebte von 1915 bis 1990 in Los Angeles/Kalifornien und hatte ebenfalls zwei Söhne. Der jüngere, Robert Louis Reinauer, ist 1920 in Chicago/Illinois geboren und 2010 in Kitsap/Washington gestorben, wo er ab 1940 lebte. Er hatte zwei Kinder, Dirk, geb. 1960, und Deonne Roberta, geb. 1961. | ||
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| Pagel, Albert | | Pagel, Albert | ||
| Albert Pagel wurde am 3. Dezember 1885 als Sohn des bekannten Medizinhistorikers Julius Leopold Pagel und seiner Frau Marie, geb. Labaschin, in Berlin geboren. Er besuchte das humanistische Lessing-Gymnasium in Berlin und legte dort das Abitur ab. Danach studierte er Jura und Philosophie in Berlin mit dem Schwerpunkt Rechtsphilosophie. 1907 wurde Albert Pagel Rechtsreferendar und 1911 Assessor und promovierte 1909 an der Universität Gießen. Von 1912 bis 1914 war er Assistent an der juristischen Fakultät der Universität Berlin. Im Ersten Weltkrieg leistete er Kriegsdienst als Richter an verschiedenen Orten. Da Albert Pagel unter einer chronischen Krankheit litt, die sich unter den Kriegsbedingungen sehr verschlechtert hatte, kam er in desolatem Gesundheitszustand aus dem Krieg zurück. An eine Laufbahn an der Universität oder in der Justiz war nicht mehr zu denken. Da seine Eltern schon 1909 und 1912 verstorben waren, wurde Albrecht Pagel von seiner jüngeren Schwester Charlotte versorgt und gepflegt. Er arbeitete als Privatgelehrter wissenschaftlich weiter, war Mitglied der (von Hans Vaihinger gegründeten) Kant-Gesellschaft und veröffentlichte Arbeiten zu rechtsphilosophischen und juristischen Themen. Am 21. August 1927 zogen Charlotte und Albert Pagel nach Tübingen in die Kelternstraße 8, wohl weil sein jüngerer Bruder Walter Pagel von 1926 bis 1928 als Assistent am Pathologischen Institut arbeitete. Albert hatte auch dort gute Kontakte zur philosophischen und juristischen Fakultät und nahm am Universitätsleben teil. (Dr. Walter Pagel und seine Frau Dr. Magda Pagel, geb. Koll konnten sich in Tübingen und Heidelberg aufgrund der nationalsozialistischen Gesetze als Juden nicht habilitieren und emigrierten mit ihrem dreijährigen Sohn Bernard 1933 nach Großbritannien. Walter Pagel lebte als angesehener Professor für Pathologie und Medizingeschichte in London und starb 1963.) Dr. Albert Pagel und seine Schwester Charlotte wohnten, inzwischen beide krank, weiter in der Kelternstraße 8, bis sie beide am 20. August 1942 abgeholt wurden. Am 22. August wurden sie von Stuttgart aus nach Theresienstadt deportiert, am 23. Januar 1943 weiter nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. | | Albert Pagel wurde am 3. Dezember 1885 als Sohn des bekannten Medizinhistorikers Julius Leopold Pagel und seiner Frau Marie, geb. Labaschin, in Berlin geboren. Er besuchte das humanistische Lessing-Gymnasium in Berlin und legte dort das Abitur ab. Danach studierte er Jura und Philosophie in Berlin mit dem Schwerpunkt Rechtsphilosophie. 1907 wurde Albert Pagel Rechtsreferendar und 1911 Assessor und promovierte 1909 an der Universität Gießen. Von 1912 bis 1914 war er Assistent an der juristischen Fakultät der Universität Berlin. Im Ersten Weltkrieg leistete er Kriegsdienst als Richter an verschiedenen Orten. Da Albert Pagel unter einer chronischen Krankheit litt, die sich unter den Kriegsbedingungen sehr verschlechtert hatte, kam er in desolatem Gesundheitszustand aus dem Krieg zurück. An eine Laufbahn an der Universität oder in der Justiz war nicht mehr zu denken. Da seine Eltern schon 1909 und 1912 verstorben waren, wurde Albrecht Pagel von seiner jüngeren Schwester Charlotte versorgt und gepflegt. Er arbeitete als Privatgelehrter wissenschaftlich weiter, war Mitglied der (von Hans Vaihinger gegründeten) Kant-Gesellschaft und veröffentlichte Arbeiten zu rechtsphilosophischen und juristischen Themen. Am 21. August 1927 zogen Charlotte und Albert Pagel nach Tübingen in die Kelternstraße 8, wohl weil sein jüngerer Bruder Walter Pagel von 1926 bis 1928 als Assistent am Pathologischen Institut arbeitete. Albert hatte auch dort gute Kontakte zur philosophischen und juristischen Fakultät und nahm am Universitätsleben teil. (Dr. Walter Pagel und seine Frau Dr. Magda Pagel, geb. Koll konnten sich in Tübingen und Heidelberg aufgrund der nationalsozialistischen Gesetze als Juden nicht habilitieren und emigrierten mit ihrem dreijährigen Sohn Bernard 1933 nach Großbritannien. Walter Pagel lebte als angesehener Professor für Pathologie und Medizingeschichte in London und starb 1963.) Dr. Albert Pagel und seine Schwester Charlotte wohnten, inzwischen beide krank, weiter in der Kelternstraße 8, bis sie beide am 20. August 1942 abgeholt wurden. Am 22. August wurden sie von Stuttgart aus nach Theresienstadt deportiert, am 23. Januar 1943 weiter nach Auschwitz, wo sie ermordet wurden. | ||
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[[Datei:Stolpersteine in der Tübinger Schönbergstraße 1.JPG|100px]]<br /><br />[[Datei:Stolpersteine in der Tübinger Schönbergstraße 1 - Walter Löwenstein.jpg|100px]] | {{Coordinate||Latitude=48.513077|Longitude=9.060127|type=landmark}}<br />[[Datei:Stolpersteine in der Tübinger Schönbergstraße 1.JPG|100px]]<br /><br />[[Datei:Stolpersteine in der Tübinger Schönbergstraße 1 - Walter Löwenstein.jpg|100px]] | ||
| Löwenstein, Walter (* 1908) | | Löwenstein, Walter (* 1908) | ||
| Walter Löwenstein<ref name="elk-wuert" /><!-- Siehe auch Eintrag unter Hechinger Straße 9--> | | Walter Löwenstein<ref name="elk-wuert" /><!-- Siehe auch Eintrag unter Hechinger Straße 9--> | ||
| 2011-11-25 | | 2011-11-25 | ||
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| Bernheim, Adolph | |||
| Bernheim, Adolph | |||
| Adolph Bernheim, geboren am 11. Juli 1880 in [[Hechingen]], war mit zwei Brüdern Teilhaber einer mechanischen Buntweberei in Bronnweiler bei [[Reutlingen]], die ihr Vater 1874 gegründet hatte. Dies war ein solider mittelständischer Betrieb. Adolph Bernheim war Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg und Träger des Eisernen Kreuzes 2. Klasse. Nach seiner Heirat 1921 mit [[Hanna Bernheim|Hanna Bach]] aus Augsburg wohnten sie mit ihren beiden Kindern Doris und Hans bis 1930 im Dorf Bronnweiler. Dann zog die Familie nach Tübingen, um den Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Sie kauften eine stattliche Villa in der [[Staufenstraße]] (seit 1945: [[Stauffenbergstraße]]) 27. Die Bernheims fühlten sich vom intellektuellen Leben in der Universitätsstadt angezogen. Sie lebten in vorsichtiger Zurückhaltung. Zu einigen nichtjüdischen Nachbarn auf dem [[Österberg]] entwickelten sich aber freundschaftliche Beziehungen aufgrund gemeinsamer intellektueller Interessen, z. B. in nachbarschaftlichen Musik- und Literaturkreisen. Adolph blieb aktiver Teilhaber der Fabrik in Bronnweiler. Als „arische“ Spinnereien gezwungen wurden, an „jüdische“ Fabriken kein Garn mehr zu verkaufen, musste 1938 die Fabrik verkauft werden – die Villa ebenfalls. Die Familie zog zunächst nach Stuttgart. Nach vielen Schikanen gelang ihnen im Juli 1939 noch die Auswanderung in die USA nach Cincinnati/Ohio. Hanna Bernheim schreibt darüber: „Wir konnten über unser Bankkonto nicht frei verfügen, sondern nur einen bestimmten Betrag monatlich abheben. Für die Auswanderung mussten wir die Juden-Abgabe in Höhe von 25% des Vermögens bezahlen, außerdem 5 % Sühneabgabe wegen des Pariser Attentats. Die Zollfahndungsstelle schickte zwei Leute ins Haus. Sie sahen alle bereits verpackten Kleidungsstücke durch. Silber und Schmuck mussten wir schon im Frühjahr 1939 abliefern. Schließlich konnten wir nur mit Handgepäck, ohne Winterausrüstung, ohne Bett- und Tischwäsche, ohne Möbel und sonstigen Hausrat abreisen... Ich konnte nur 10 Mark mitnehmen.“ Teile des Mobiliars wurden in Container gepackt, von einer Spedition über Stuttgart nach Hamburg verfrachtet und dort im Hafen eingelagert, um in die USA verschifft zu werden – aber 1940 wurde das Umzugsgut von der Gestapo beschlagnahmt und versteigert. Davon erfuhren die Bernheims erst nach dem Krieg. Das Einleben in den USA war für alle Familienmitglieder sehr schwer. Für Arbeiten in der Textilindustrie wurde Adolph mit 60 als zu alt abgelehnt. Er arbeitete als Vertreter für Papierwaren und für Textilien und fünf Jahre als Fabrikarbeiter. 1952 wurde der erzwungene Hausverkauf in Tübingen rückgängig gemacht und sie konnten ihre Villa 1954 verkaufen. Danach konnte er erst mit 75 Jahren in den Ruhestand gehen. Eine monatliche Rente von 800 DM erhielt er ab 1958. Am 19. März 1966 starb Adolph Bernheim mit 86 Jahren in Cincinnati. | | Adolph Bernheim, geboren am 11. Juli 1880 in [[Hechingen]], war mit zwei Brüdern Teilhaber einer mechanischen Buntweberei in Bronnweiler bei [[Reutlingen]], die ihr Vater 1874 gegründet hatte. Dies war ein solider mittelständischer Betrieb. Adolph Bernheim war Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg und Träger des Eisernen Kreuzes 2. Klasse. Nach seiner Heirat 1921 mit [[Hanna Bernheim|Hanna Bach]] aus Augsburg wohnten sie mit ihren beiden Kindern Doris und Hans bis 1930 im Dorf Bronnweiler. Dann zog die Familie nach Tübingen, um den Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Sie kauften eine stattliche Villa in der [[Staufenstraße]] (seit 1945: [[Stauffenbergstraße]]) 27. Die Bernheims fühlten sich vom intellektuellen Leben in der Universitätsstadt angezogen. Sie lebten in vorsichtiger Zurückhaltung. Zu einigen nichtjüdischen Nachbarn auf dem [[Österberg]] entwickelten sich aber freundschaftliche Beziehungen aufgrund gemeinsamer intellektueller Interessen, z. B. in nachbarschaftlichen Musik- und Literaturkreisen. Adolph blieb aktiver Teilhaber der Fabrik in Bronnweiler. Als „arische“ Spinnereien gezwungen wurden, an „jüdische“ Fabriken kein Garn mehr zu verkaufen, musste 1938 die Fabrik verkauft werden – die Villa ebenfalls. Die Familie zog zunächst nach Stuttgart. Nach vielen Schikanen gelang ihnen im Juli 1939 noch die Auswanderung in die USA nach Cincinnati/Ohio. Hanna Bernheim schreibt darüber: „Wir konnten über unser Bankkonto nicht frei verfügen, sondern nur einen bestimmten Betrag monatlich abheben. Für die Auswanderung mussten wir die Juden-Abgabe in Höhe von 25% des Vermögens bezahlen, außerdem 5 % Sühneabgabe wegen des Pariser Attentats. Die Zollfahndungsstelle schickte zwei Leute ins Haus. Sie sahen alle bereits verpackten Kleidungsstücke durch. Silber und Schmuck mussten wir schon im Frühjahr 1939 abliefern. Schließlich konnten wir nur mit Handgepäck, ohne Winterausrüstung, ohne Bett- und Tischwäsche, ohne Möbel und sonstigen Hausrat abreisen... Ich konnte nur 10 Mark mitnehmen.“ Teile des Mobiliars wurden in Container gepackt, von einer Spedition über Stuttgart nach Hamburg verfrachtet und dort im Hafen eingelagert, um in die USA verschifft zu werden – aber 1940 wurde das Umzugsgut von der Gestapo beschlagnahmt und versteigert. Davon erfuhren die Bernheims erst nach dem Krieg. Das Einleben in den USA war für alle Familienmitglieder sehr schwer. Für Arbeiten in der Textilindustrie wurde Adolph mit 60 als zu alt abgelehnt. Er arbeitete als Vertreter für Papierwaren und für Textilien und fünf Jahre als Fabrikarbeiter. 1952 wurde der erzwungene Hausverkauf in Tübingen rückgängig gemacht und sie konnten ihre Villa 1954 verkaufen. Danach konnte er erst mit 75 Jahren in den Ruhestand gehen. Eine monatliche Rente von 800 DM erhielt er ab 1958. Am 19. März 1966 starb Adolph Bernheim mit 86 Jahren in Cincinnati. | ||
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| Bernheim, Hanna | | Bernheim, Hanna | ||
| [[Hanna Bernheim]], geb. Bach wurde am 11. November 1895 in Augsburg geboren und wuchs mit drei Geschwistern auf. Ihr Vater Max Bach war ein wohlhabender Großhändler. Die Familie praktizierte den jüdischen Glauben und die Eltern lehrten die Kinder, stolz darauf zu sein. Hanna studierte in einer Frauenschule Pädagogik, Psychologie und Kunstgeschichte. Während des Ersten Weltkriegs half sie bei der Jugendfürsorge und der Volksspeisung. Sie absolvierte eine Ausbildung in Sozialfürsorge und arbeitete in der städtischen Fürsorgestelle bis zur Hochzeit mit Adolf Bernheim 1921. Dann zogen sie nach Bronnweiler und 1930 nach Tübingen. Hanna bekannte sich zum aufgeklärten Reformjudentum. Sie engagierte sich in der jüdischen Gemeinde und unterstützte in Tübingen jahrzehntelang Juden und Christen generös. In ihrer Autobiographie „History of my Life“ beschreibt sie lebendig ihr Leben im Dorf Bronnweiler, wo sie einen einfachen Lebensstil pflegte, um nicht als Kapitalistenfrau aufzufallen. Sie lebte aber modern und konnte z. B. autofahren. Ganz unsentimental und ohne Anklage beschreibt Hanna die kleinen Schritte der Ausgrenzung ab 1933. Von 1936 bis 1938 war sie die letzte Vorsitzende des jüdischen Frauenvereins in Tübingen, der oft in ihrer Villa in der Staufenstraße (seit 1945: Stauffenbergstraße) 27 tagte. Sie war für die kulturelle Betreuung der jüdischen Kleingemeinden auf dem Lande aktiv. Im 1924 von Karoline Löwenstein gegründeten Frauenverein waren alle jüdischen Frauen Tübingens organisiert. Er bildete ein Netz wohltätiger Fürsorge mit vielfältigen karitativen Aktivitäten, aber auch gesellschaftspolitischen Diskussionen und kulturellen Vorträgen. Die Frauen übernahmen Besuchsdienste bei Kranken und im Altersheim. Sie nähten, strickten und häkelten für Bedürftige – was auch Christen sowie Menschen außerhalb Tübingens zugutekam. Zum Schluss ihres Berichts beschreibt Hanna Bernheim die bürokratischen Schikanen und die ökonomische Ausplünderung ihrer Familie. Ihr Mann und Sohn verließen Deutschland mit dem Schiff, sie mit dem Flugzeug, um bei ihrer Tochter in London zwischenzulanden: „Und so flog ich aus der Hölle direkt in den Himmel.“ Dort begann aber kein leichtes Leben. Die 45-jährige Hanna, zu deren Lebensstandard in Deutschland ein Kindermädchen und eine Köchin gehört hatten, musste nun kochen lernen und dazuverdienen. Sie hat in den USA als Pflegerin, als Verkäuferin in der Konfektionsbranche und als Chauffeurin sowie als Verkaufshilfe für ihren Mann gearbeitet. Die Emigration in die USA wurde durch die Bürgschaft einer Cousine ihres Mannes ermöglicht, die ihnen durch freundliche Aufnahme die Eingewöhnung im „Exil“ erleichterte. Hanna schreibt in einem Brief: „Wir wohnten zwar sehr bescheiden, aber doch gemütlich. Natürlich arbeiteten wir viele Jahre hart, genossen aber alle Feiertage, oft mit den Verwandten.“ Hanna Bernheim starb 1990 hochbetagt. | | [[Hanna Bernheim]], geb. Bach wurde am 11. November 1895 in Augsburg geboren und wuchs mit drei Geschwistern auf. Ihr Vater Max Bach war ein wohlhabender Großhändler. Die Familie praktizierte den jüdischen Glauben und die Eltern lehrten die Kinder, stolz darauf zu sein. Hanna studierte in einer Frauenschule Pädagogik, Psychologie und Kunstgeschichte. Während des Ersten Weltkriegs half sie bei der Jugendfürsorge und der Volksspeisung. Sie absolvierte eine Ausbildung in Sozialfürsorge und arbeitete in der städtischen Fürsorgestelle bis zur Hochzeit mit Adolf Bernheim 1921. Dann zogen sie nach Bronnweiler und 1930 nach Tübingen. Hanna bekannte sich zum aufgeklärten Reformjudentum. Sie engagierte sich in der jüdischen Gemeinde und unterstützte in Tübingen jahrzehntelang Juden und Christen generös. In ihrer Autobiographie „History of my Life“ beschreibt sie lebendig ihr Leben im Dorf Bronnweiler, wo sie einen einfachen Lebensstil pflegte, um nicht als Kapitalistenfrau aufzufallen. Sie lebte aber modern und konnte z. B. autofahren. Ganz unsentimental und ohne Anklage beschreibt Hanna die kleinen Schritte der Ausgrenzung ab 1933. Von 1936 bis 1938 war sie die letzte Vorsitzende des jüdischen Frauenvereins in Tübingen, der oft in ihrer Villa in der Staufenstraße (seit 1945: Stauffenbergstraße) 27 tagte. Sie war für die kulturelle Betreuung der jüdischen Kleingemeinden auf dem Lande aktiv. Im 1924 von Karoline Löwenstein gegründeten Frauenverein waren alle jüdischen Frauen Tübingens organisiert. Er bildete ein Netz wohltätiger Fürsorge mit vielfältigen karitativen Aktivitäten, aber auch gesellschaftspolitischen Diskussionen und kulturellen Vorträgen. Die Frauen übernahmen Besuchsdienste bei Kranken und im Altersheim. Sie nähten, strickten und häkelten für Bedürftige – was auch Christen sowie Menschen außerhalb Tübingens zugutekam. Zum Schluss ihres Berichts beschreibt Hanna Bernheim die bürokratischen Schikanen und die ökonomische Ausplünderung ihrer Familie. Ihr Mann und Sohn verließen Deutschland mit dem Schiff, sie mit dem Flugzeug, um bei ihrer Tochter in London zwischenzulanden: „Und so flog ich aus der Hölle direkt in den Himmel.“ Dort begann aber kein leichtes Leben. Die 45-jährige Hanna, zu deren Lebensstandard in Deutschland ein Kindermädchen und eine Köchin gehört hatten, musste nun kochen lernen und dazuverdienen. Sie hat in den USA als Pflegerin, als Verkäuferin in der Konfektionsbranche und als Chauffeurin sowie als Verkaufshilfe für ihren Mann gearbeitet. Die Emigration in die USA wurde durch die Bürgschaft einer Cousine ihres Mannes ermöglicht, die ihnen durch freundliche Aufnahme die Eingewöhnung im „Exil“ erleichterte. Hanna schreibt in einem Brief: „Wir wohnten zwar sehr bescheiden, aber doch gemütlich. Natürlich arbeiteten wir viele Jahre hart, genossen aber alle Feiertage, oft mit den Verwandten.“ Hanna Bernheim starb 1990 hochbetagt. | ||
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| Bernheim, Doris | | Bernheim, Doris | ||
| Doris Bernheim, geboren am 11. April 1923 in Tübingen, besuchte dort die Oberrealschule für Mädchen (heute Wildermuth-Gymnasium). Anfang der 30er Jahre war sie noch keinen Diskriminierungen ausgesetzt. Ihre Lehrerinnen waren zum Glück unvoreingenommen und demokratisch gesinnt. Noch 1934 durfte sie an einem von der NS-Volkswohlfahrt organisierten Ferienaufenthalt teilnehmen. Ihre Mutter Hanna schreibt: „Unsere Kinder litten natürlich sehr unter den Diffamierungen, obwohl ihre Lehrer und die meisten Mitschüler sich weit weniger feindselig verhielten als in anderen Städten. Dass im Schwimmbad ‚Hunden und Juden der Zutritt verboten‘ war, ließ tiefe Spuren im Kindergemüt zurück.“ 1938 kam Doris Bernheim mit einem Kindertransport nach England, war dort Internatsschülerin und besuchte kurz eine Haushaltungsschule. Von London aus emigrierte sie 1939 nach New York und zog dann zu ihren Eltern nach Cincinnati/Ohio. Ein Studium war nicht zu finanzieren. Um rasch Geld zu verdienen, absolvierte sie eine sechsmonatige Ausbildung zur Kosmetikerin, besuchte aber Weiterbildungskurse in den Abendstunden. 1947 heiratete sie den Ingenieur Bernard H. Doctor, bekam zwei Töchter, Linda-Jo und Ruth-Diane, und hat vier Enkel. Heute (2018) lebt sie verwitwet in Israel. | | Doris Bernheim, geboren am 11. April 1923 in Tübingen, besuchte dort die Oberrealschule für Mädchen (heute Wildermuth-Gymnasium). Anfang der 30er Jahre war sie noch keinen Diskriminierungen ausgesetzt. Ihre Lehrerinnen waren zum Glück unvoreingenommen und demokratisch gesinnt. Noch 1934 durfte sie an einem von der NS-Volkswohlfahrt organisierten Ferienaufenthalt teilnehmen. Ihre Mutter Hanna schreibt: „Unsere Kinder litten natürlich sehr unter den Diffamierungen, obwohl ihre Lehrer und die meisten Mitschüler sich weit weniger feindselig verhielten als in anderen Städten. Dass im Schwimmbad ‚Hunden und Juden der Zutritt verboten‘ war, ließ tiefe Spuren im Kindergemüt zurück.“ 1938 kam Doris Bernheim mit einem Kindertransport nach England, war dort Internatsschülerin und besuchte kurz eine Haushaltungsschule. Von London aus emigrierte sie 1939 nach New York und zog dann zu ihren Eltern nach Cincinnati/Ohio. Ein Studium war nicht zu finanzieren. Um rasch Geld zu verdienen, absolvierte sie eine sechsmonatige Ausbildung zur Kosmetikerin, besuchte aber Weiterbildungskurse in den Abendstunden. 1947 heiratete sie den Ingenieur Bernard H. Doctor, bekam zwei Töchter, Linda-Jo und Ruth-Diane, und hat vier Enkel. Heute (2018) lebt sie verwitwet in Israel. | ||
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| Bernheim, Hans | | Bernheim, Hans | ||
| Hans Bernheim, wurde am 5. August 1924 in Tübingen geboren und besuchte dort das humanistische Gymnasium (seit 1937 [[Uhland-Gymnasium]]). Ab 1935 gab es nur noch nichtjüdische Freunde, und er wurde zunehmend ausgegrenzt. In der Klasse und in der Fußballmannschaft wurde er noch geduldet, durfte sogar noch 1937 an einer Klassenfahrt teilnehmen. Seine zu absolut zurückhaltendem Auftreten als Jüdin erzogene Mutter erlaubte ihrem Sohn gleichwohl, einen Hitlerjungen jedes Mal zu verprügeln, wenn er ihn als Jude beschimpfte. Im Frühjahr 1938 ging er nach Berlin an eine private jüdische Schule. Rückblickend sagt er: „Wenn man nicht mehr akzeptiert wird, geht man leichter fort. In Berlin konnte ich bei einer Tante wohnen, die auch schulpflichtige Kinder hatte.“[8] Mit seinen Eltern emigrierte er dann 1939 nach Cincinnati/Ohio. Als 15-Jähriger verkaufte er morgens vor dem Schulbesuch Zeitungen. 1943 wurde er zur US-Armee einberufen. Im Zweiten Weltkrieg diente er als „Technical Sergeant“ in einer Panzerdivision, die 1945 bis nach Pilsen in der Tschechoslowakei vorrückte. Danach war er kurzfristig in Stuttgart stationiert, von wo aus er mit dem Jeep und in Uniform die alte Heimat in Tübingen und in Bronnweiler besuchte. Im Frühjahr 1946 kehrte er nach Cincinnati zurück, wo er als Automechaniker arbeitete. 1949 heiratete er dort Jeanne Glaab. Sie bekamen drei Kinder, John-Rudolph, Sue-Ellen und Robert, sowie vier Enkel. Hans (John) Bernheim starb am 27. August 2014 in Cincinnati. | | Hans Bernheim, wurde am 5. August 1924 in Tübingen geboren und besuchte dort das humanistische Gymnasium (seit 1937 [[Uhland-Gymnasium]]). Ab 1935 gab es nur noch nichtjüdische Freunde, und er wurde zunehmend ausgegrenzt. In der Klasse und in der Fußballmannschaft wurde er noch geduldet, durfte sogar noch 1937 an einer Klassenfahrt teilnehmen. Seine zu absolut zurückhaltendem Auftreten als Jüdin erzogene Mutter erlaubte ihrem Sohn gleichwohl, einen Hitlerjungen jedes Mal zu verprügeln, wenn er ihn als Jude beschimpfte. Im Frühjahr 1938 ging er nach Berlin an eine private jüdische Schule. Rückblickend sagt er: „Wenn man nicht mehr akzeptiert wird, geht man leichter fort. In Berlin konnte ich bei einer Tante wohnen, die auch schulpflichtige Kinder hatte.“[8] Mit seinen Eltern emigrierte er dann 1939 nach Cincinnati/Ohio. Als 15-Jähriger verkaufte er morgens vor dem Schulbesuch Zeitungen. 1943 wurde er zur US-Armee einberufen. Im Zweiten Weltkrieg diente er als „Technical Sergeant“ in einer Panzerdivision, die 1945 bis nach Pilsen in der Tschechoslowakei vorrückte. Danach war er kurzfristig in Stuttgart stationiert, von wo aus er mit dem Jeep und in Uniform die alte Heimat in Tübingen und in Bronnweiler besuchte. Im Frühjahr 1946 kehrte er nach Cincinnati zurück, wo er als Automechaniker arbeitete. 1949 heiratete er dort Jeanne Glaab. Sie bekamen drei Kinder, John-Rudolph, Sue-Ellen und Robert, sowie vier Enkel. Hans (John) Bernheim starb am 27. August 2014 in Cincinnati. | ||
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<br /> [[Datei:Stolperstein in der Steinlachallee Tübingen.jpg|100px]] | <br /> [[Datei:Stolperstein in der Steinlachallee Tübingen.jpg|100px]] | ||
| Tichauer, Kurt | | Tichauer, Kurt | ||
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| Wochenmark, Dr. phil. Josef | |||
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| Wochenmark, Dr. phil. Josef | |||
| Im (heute abgerissenen) Haus [[Wöhrdstraße]] 23 wohnte in einer Sechszimmerwohnung im zweiten Stock seit Oktober 1925 der Vorsänger und Lehrer Dr. Josef Wochenmark mit seiner Frau Bella und den beiden Söhnen Alfred und Arnold. Der Vater der Familie war (wie sein Sohn Arnold schreibt) „akademisch gesinnt“, gebildet, belesen, fleißig und sehr bemüht, eine Identität als gebildeter, deutscher Jude auszubilden. Er nahm viele Aufgaben der geistlichen Versorgung und der Betreuung der jüdischen Gemeinde wahr, Schul- und Talmudunterricht der Kinder sowie Krankenbesuche in den Kliniken, und verbrachte lange Stunden in seiner Bibliothek mit der Arbeit an seiner Dissertation; er schloss sie noch 1933 bei Prof. Dr. Jakob Wilhelm Hauer (dem Begründer der „Deutschen Glaubensbewegung“) ab. Josef Wochenmark wurde 1880 in Rozwadow/Galizien geboren in einem der Kronlande der Habsburger Monarchie und musste 1918 wie viele Juden wegen antisemitischer Übergriffe das Land verlassen. Er kannte sehr wohl die starke Ablehnung in der nichtjüdischen deutschen Öffentlichkeit gegenüber den „Ostjuden“, aber auch die Vorbehalte des inzwischen sei der Gleichstellung 1864 integrierten, z. T. assimilierten jüdischen Bürgertums. Obwohl er aus einem orthodoxen Umfeld kam, war Josef Wochenmark innerhalb der Gemeinde betont liberal und innovativ, denn in Tübingen war die Ausübung der jüdischen Religion eher Privatsache. Zu Angehörigen der fast durchgehend nichtjüdischen Universität gab es nur wenige Kontakte, so zum Seminar und Kolloquium seines Doktorvaters und zu den jüdischen Studierenden, die am koscheren Mittagstisch teilnahmen, den seine Frau Bella zusammen mit einer kleinen Pension betrieb. In den täglichen, lebhaften Diskussionen äußerte er offen seine Meinung. Sein Sohn Arnold meinte, sein Vater „hatte das Vertrauen in das deutsche Volk, dass sie zu zivilisiert, zu gescheit sind, um auf einen solchen Halunken wie Hitler einzugehen. Er meinte, wenn man nicht im Kaftan herumlaufe und jiddisch spräche, sondern sich gebildet und angepasst verhalte, würde man auch nicht diskriminiert werden.“ Durch die Auswanderung bzw. Flucht vieler Mitglieder verkleinerte sich Josef Wochenmarks Gemeinde erheblich, weshalb ihn der jüdische Oberrat 1934 nach Schwäbisch Gmünd versetzte. Die beiden Söhne Arnold und Alfred waren inzwischen in die Schweiz emigriert, die Eltern erwogen eine Auswanderung in die USA. Die Verfolgung nahm zu und die Wochenmarks wurden nach Stuttgart versetzt. Dort erreichte Josef Wochenmark mit 61 Jahren noch sein Lebensziel: Er wurde im März 1941 orthodoxer Rabbiner, der letzte Rabbiner von Stuttgart. Auch hier und trotz widriger Umstände bildete er sich weiter. Seine Frau Bella arbeitete in Stuttgart als Hilfsarbeiterin. Beide wurden in einem „Judenhaus“ interniert. Not, Isolation, Kontrolle, Ausgehverbote und das Tragen des Judensterns bestimmten ihren Alltag. Es blieben nur noch verzweifelte Briefe: „Wir machen hier weiter, solange es geht und hoffentlich seid ihr gesund und verliere nicht deinen Gottesglauben“. Vor der Deportation versuchten Josef und Bella Wochenmark sich das Leben zu nehmen; Josef Wochenmark starb am 8. März 1943, doch seine Frau Bella überlebte schwer verletzt und kam im April 1943 nach Theresienstadt, von dort aus am 16. Oktober 1944 nach Auschwitz, wo sie ermordet wurde. | | Im (heute abgerissenen) Haus [[Wöhrdstraße]] 23 wohnte in einer Sechszimmerwohnung im zweiten Stock seit Oktober 1925 der Vorsänger und Lehrer Dr. Josef Wochenmark mit seiner Frau Bella und den beiden Söhnen Alfred und Arnold. Der Vater der Familie war (wie sein Sohn Arnold schreibt) „akademisch gesinnt“, gebildet, belesen, fleißig und sehr bemüht, eine Identität als gebildeter, deutscher Jude auszubilden. Er nahm viele Aufgaben der geistlichen Versorgung und der Betreuung der jüdischen Gemeinde wahr, Schul- und Talmudunterricht der Kinder sowie Krankenbesuche in den Kliniken, und verbrachte lange Stunden in seiner Bibliothek mit der Arbeit an seiner Dissertation; er schloss sie noch 1933 bei Prof. Dr. Jakob Wilhelm Hauer (dem Begründer der „Deutschen Glaubensbewegung“) ab. Josef Wochenmark wurde 1880 in Rozwadow/Galizien geboren in einem der Kronlande der Habsburger Monarchie und musste 1918 wie viele Juden wegen antisemitischer Übergriffe das Land verlassen. Er kannte sehr wohl die starke Ablehnung in der nichtjüdischen deutschen Öffentlichkeit gegenüber den „Ostjuden“, aber auch die Vorbehalte des inzwischen sei der Gleichstellung 1864 integrierten, z. T. assimilierten jüdischen Bürgertums. Obwohl er aus einem orthodoxen Umfeld kam, war Josef Wochenmark innerhalb der Gemeinde betont liberal und innovativ, denn in Tübingen war die Ausübung der jüdischen Religion eher Privatsache. Zu Angehörigen der fast durchgehend nichtjüdischen Universität gab es nur wenige Kontakte, so zum Seminar und Kolloquium seines Doktorvaters und zu den jüdischen Studierenden, die am koscheren Mittagstisch teilnahmen, den seine Frau Bella zusammen mit einer kleinen Pension betrieb. In den täglichen, lebhaften Diskussionen äußerte er offen seine Meinung. Sein Sohn Arnold meinte, sein Vater „hatte das Vertrauen in das deutsche Volk, dass sie zu zivilisiert, zu gescheit sind, um auf einen solchen Halunken wie Hitler einzugehen. Er meinte, wenn man nicht im Kaftan herumlaufe und jiddisch spräche, sondern sich gebildet und angepasst verhalte, würde man auch nicht diskriminiert werden.“ Durch die Auswanderung bzw. Flucht vieler Mitglieder verkleinerte sich Josef Wochenmarks Gemeinde erheblich, weshalb ihn der jüdische Oberrat 1934 nach Schwäbisch Gmünd versetzte. Die beiden Söhne Arnold und Alfred waren inzwischen in die Schweiz emigriert, die Eltern erwogen eine Auswanderung in die USA. Die Verfolgung nahm zu und die Wochenmarks wurden nach Stuttgart versetzt. Dort erreichte Josef Wochenmark mit 61 Jahren noch sein Lebensziel: Er wurde im März 1941 orthodoxer Rabbiner, der letzte Rabbiner von Stuttgart. Auch hier und trotz widriger Umstände bildete er sich weiter. Seine Frau Bella arbeitete in Stuttgart als Hilfsarbeiterin. Beide wurden in einem „Judenhaus“ interniert. Not, Isolation, Kontrolle, Ausgehverbote und das Tragen des Judensterns bestimmten ihren Alltag. Es blieben nur noch verzweifelte Briefe: „Wir machen hier weiter, solange es geht und hoffentlich seid ihr gesund und verliere nicht deinen Gottesglauben“. Vor der Deportation versuchten Josef und Bella Wochenmark sich das Leben zu nehmen; Josef Wochenmark starb am 8. März 1943, doch seine Frau Bella überlebte schwer verletzt und kam im April 1943 nach Theresienstadt, von dort aus am 16. Oktober 1944 nach Auschwitz, wo sie ermordet wurde. | ||
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| Wochenmark, Bella | | Wochenmark, Bella | ||
| siehe Dr. phil. Josef Wochenmark | | siehe Dr. phil. Josef Wochenmark | ||
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| Wochenmark, Alfred | | Wochenmark, Alfred | ||
| Alfred, der ältere Sohn der Familie Wochenmark, wurde am 20. Juni 1917 in Freudental bei Ludwigsburg geboren. 1925 zog die Familie nach Tübingen um. Wie sein jüngerer Bruder Arnold besuchte er die Grundschule und danach das humanistische Gymnasium (heute Uhland-Gymnasium) in Tübingen. In der Schule waren beide antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. 1932 hatte Alfred ein besonders schlimmes Erlebnis. Er war, als Hitler durch Tübingen fuhr*, aus Neugierde zur [[Neckarbrücke]] gegangen und mischte sich unter die jubelnde Menge. Als er zurückkehrte, fragte ihn die Nachbarin aus dem Parterre: „Na, hast Du den Führer gesehen?“ Alfred antwortete: „Ja, Götz von Berlichingen habe ich auch gesehen“. Hinter ihm stand der SA-Mann, der oben im Haus wohnte. Dieser schlug Alfred blutig und sagte: „Du hast den Führer beleidigt.“ Danach wollte Alfred nicht mehr in Deutschland bleiben und nutzte in den Sommerferien 1933 die Gelegenheit, mit dem Fahrrad zum Bruder seines Vaters nach Basel zu fahren, der dort eine koschere Bäckerei betrieb. Der 16-Jährige war einer der ersten Juden, die 1933 ins Ausland flohen. Die Eltern wollten unbedingt, dass Alfred zurückkommen und in Tübingen das Abitur machen sollte, doch Alfred widersetzte sich. Da er, wie alle Geflohenen, in der Schweiz keine Arbeitserlaubnis bekam, machte er von 1933 bis 1937 eine Lehre als Möbel- und Bauschreiner. Doch mit dem Abschluss seiner Lehre endete seine Aufenthaltserlaubnis. Mit großer Energie schaffte der 20-Jährige die Einwanderung in die USA: Er wandte sich in Basel an die Heilsarmee, die ihm den Kontakt zu einem Verwandten mütterlicherseits namens Sol Freudental in Baltimore/Maryland vermittelte. In den USA angekommen fand er als gelernter Möbelschreiner schnell Arbeit in New York. Dort heiratete er 1940 die jüdische US-Amerikanerin Edith Schulman, mit der er zwei Söhne bekam, Kenneth und Lance. 1941 meldete er sich freiwillig für fünf Jahre zum Militär, um „Deutschland zu besiegen“. Seinen Namen änderte er in Alfred W. Mark. 1958 übernahm er eine Möbelfirma in Manhattan, in der sein Sohn Kenneth mitarbeitete. Lance studierte Jura. 1987 besuchten Alfred W. und Edith Mark Tübingen von ihrem damaligen Wohnsitz in Florida. 1998 starb Alfred W. Mark. | | Alfred, der ältere Sohn der Familie Wochenmark, wurde am 20. Juni 1917 in Freudental bei Ludwigsburg geboren. 1925 zog die Familie nach Tübingen um. Wie sein jüngerer Bruder Arnold besuchte er die Grundschule und danach das humanistische Gymnasium (heute Uhland-Gymnasium) in Tübingen. In der Schule waren beide antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. 1932 hatte Alfred ein besonders schlimmes Erlebnis. Er war, als Hitler durch Tübingen fuhr*, aus Neugierde zur [[Neckarbrücke]] gegangen und mischte sich unter die jubelnde Menge. Als er zurückkehrte, fragte ihn die Nachbarin aus dem Parterre: „Na, hast Du den Führer gesehen?“ Alfred antwortete: „Ja, Götz von Berlichingen habe ich auch gesehen“. Hinter ihm stand der SA-Mann, der oben im Haus wohnte. Dieser schlug Alfred blutig und sagte: „Du hast den Führer beleidigt.“ Danach wollte Alfred nicht mehr in Deutschland bleiben und nutzte in den Sommerferien 1933 die Gelegenheit, mit dem Fahrrad zum Bruder seines Vaters nach Basel zu fahren, der dort eine koschere Bäckerei betrieb. Der 16-Jährige war einer der ersten Juden, die 1933 ins Ausland flohen. Die Eltern wollten unbedingt, dass Alfred zurückkommen und in Tübingen das Abitur machen sollte, doch Alfred widersetzte sich. Da er, wie alle Geflohenen, in der Schweiz keine Arbeitserlaubnis bekam, machte er von 1933 bis 1937 eine Lehre als Möbel- und Bauschreiner. Doch mit dem Abschluss seiner Lehre endete seine Aufenthaltserlaubnis. Mit großer Energie schaffte der 20-Jährige die Einwanderung in die USA: Er wandte sich in Basel an die Heilsarmee, die ihm den Kontakt zu einem Verwandten mütterlicherseits namens Sol Freudental in Baltimore/Maryland vermittelte. In den USA angekommen fand er als gelernter Möbelschreiner schnell Arbeit in New York. Dort heiratete er 1940 die jüdische US-Amerikanerin Edith Schulman, mit der er zwei Söhne bekam, Kenneth und Lance. 1941 meldete er sich freiwillig für fünf Jahre zum Militär, um „Deutschland zu besiegen“. Seinen Namen änderte er in Alfred W. Mark. 1958 übernahm er eine Möbelfirma in Manhattan, in der sein Sohn Kenneth mitarbeitete. Lance studierte Jura. 1987 besuchten Alfred W. und Edith Mark Tübingen von ihrem damaligen Wohnsitz in Florida. 1998 starb Alfred W. Mark. | ||
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| Wochenmark, Arnold | | Wochenmark, Arnold | ||
| Arnold Wochenmark wurde am 31. März 1921 in Crailsheim geboren und kam mit vier Jahren nach Tübingen, wo er die Grundschule und das humanistische Gymnasium (heute [[Uhland-Gymnasium]]) besuchte. Seine Erinnerungen an Tübingen waren später sehr ambivalent: auf der einen Seite die Kinderwelt mit Schlittenfahren auf dem [[Österberg]], Spielen mit der elektrischen Eisenbahn und den herrlichen Sommerferien im Schwarzwald, wo die Familie in einem Ferienhäuschen wohnte und der Vater entspannt war… Die Eltern waren betont „seriös“, es gab wenig Spaß, der Vater schaute streng nach den Hausaufgaben und Arnold musste sich heimlich zum Spielen auf der Straße davonschleichen. Doch im Gymnasium endete diese sorglose Zeit abrupt. Schon vor 1933 waren jüdische Schüler antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, ab 1933 wurde es richtig schlimm: Kein Mitschüler gab ihm mehr die Hand, am Schulausflug wollte keiner neben ihm gehen, niemand sprach mit ihm, auch kein Lehrer, er fühlte sich völlig isoliert. In der Pause wurde er einmal symbolisch gekreuzigt, indem man ihn auf einem Brett festband, die Lehrer schritten nicht ein. Die Freude an der Schule wurde zum Horror, seine Leistungen ließen nach, so dass er in die Realschule versetzt wurde. Sein bester Freund aus der [[Wöhrdstraße]] kannte ihn plötzlich nicht mehr und erklärte ihm heimlich, er dürfe ihn nicht mehr grüßen, die Hitlerjugend habe es ihm verboten; eigentlich habe er gar nichts gegen ihn, aber er müsse die Freundschaft beenden. Arnold verstand nichts mehr. Nach dem Umzug der Familie 1934 nach Schwäbisch Gmünd gab es ausschließlich Kontakte zu Juden, sie mussten ihr Radio abgeben und hatten kein Telefon mehr. Auch das öffentliche Schwimmbad durfte er nicht mehr besuchen, „man hatte keine Freude mehr am Leben“, es war deprimierend, doch die Familie hielt zusammen. 1937 schrieb Alfred aus Basel den Eltern, sein Onkel hätte einen Platz für einen Bäckerlehrling frei. Diesen Brief verheimlichten seine Eltern Arnold, weil sie andere Pläne mit ihm hatten. Doch Arnold rief seinen Bruder in der Schweiz vom Postamt aus an und erfuhr von der Lehrstelle und dass er sich sofort entschließen müsse. Arnold stellte seine Eltern vor vollendete Tatsachen und rettete so sein Leben. Seine Aufenthaltserlaubnis war an die dreijährige Lehre gebunden, danach wurde er nur noch als Volontär befristet geduldet. Ab 1940 musste sich Arnold beim Schweizer Arbeitsdienst melden, wo harte Arbeit beim Straßenbau und in der Landwirtschaft die Flüchtlinge zur Weiterreise bewegen sollte. Mit dem Kriegseintritt der USA 1941 war es ihm jedoch nicht mehr möglich, zum Bruder in die USA auszureisen; seine Eltern konnte er trotz aller Bemühungen nicht mehr in die Schweiz holen. Von der Einwanderungsbehörde bekam er die lapidare Antwort: „Die Einwanderung ihrer Eltern ist unerwünscht.“ 1938 hatte die Schweiz die Visumpflicht für Juden eingeführt und lehnte Einwanderungsgesuche bis auf wenige Ausnahmen prinzipiell ab. In der Schweiz herrschte ein fremdenfeindliches Klima und so war das Zusammenkommen mit anderen jungen Juden am Sabbat und in der Synagoge sehr wichtig, um sich gegenseitig unterstützen zu können, Arnold besuchte regelmäßig den English Club, um sich auf seine Auswanderung vorzubereiten. Am 18. März 1945 heiratete er in Basel die 1942 mit 17 Jahren aus Frankreich geflüchtete Johanna Braunschweig. Alfred half dem jungen Paar bei der Besorgung der Auswanderungspapiere für die USA und so verließen Arnold und Johanna Wochenmark 1946 die Schweiz. Nach einigen Monaten in New York, wo im Juni ihre Tochter Linda geboren wurde, zogen sie um nach San Francisco/Kalifornien. Dort arbeitete Arnold zunächst in einer Pralinenfabrik und stieg rasch ins Management auf. 1949 wurde der Sohn Jeffrey geboren, 1951 der Sohn Bernard. 1951 nahm die Familie den Namen Marque an. Linda, die eine Ausbildung zur Dolmetscherin gemacht hatte, starb mit nur 22 Jahren in Genf bei einem Unfall. Jeffrey studierte Biophysik und heiratete die Japanerin Myako, hat mit ihr zwei Kinder und lebt in San Francisco. Bernard wurde Fotograf und Versicherungskaufmann, heiratete die Deutsch-Engländerin Carol und lebt mit seiner Familie ebenfalls in San Francisco. Ihre beiden Töchter sind heute (2018) 30 und 34 Jahre alt. Arnold Marque legte noch siebzigjährig im Heimstudium ein Diplom als Versicherungskaufmann ab und betrieb eine Versicherungsagentur. Er war der Sprecher der ehemaligen Tübinger Juden, er besuchte 1981 und 1987 Tübingen. Seine Frau und er lebten bis ins hohe Alter in der Nähe von San Francisco ein sehr erfülltes und aktives Leben. Arnold Marque starb am 10. Oktober 2016 mit 95 Jahren einen friedlichen Tod. | | Arnold Wochenmark wurde am 31. März 1921 in Crailsheim geboren und kam mit vier Jahren nach Tübingen, wo er die Grundschule und das humanistische Gymnasium (heute [[Uhland-Gymnasium]]) besuchte. Seine Erinnerungen an Tübingen waren später sehr ambivalent: auf der einen Seite die Kinderwelt mit Schlittenfahren auf dem [[Österberg]], Spielen mit der elektrischen Eisenbahn und den herrlichen Sommerferien im Schwarzwald, wo die Familie in einem Ferienhäuschen wohnte und der Vater entspannt war… Die Eltern waren betont „seriös“, es gab wenig Spaß, der Vater schaute streng nach den Hausaufgaben und Arnold musste sich heimlich zum Spielen auf der Straße davonschleichen. Doch im Gymnasium endete diese sorglose Zeit abrupt. Schon vor 1933 waren jüdische Schüler antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, ab 1933 wurde es richtig schlimm: Kein Mitschüler gab ihm mehr die Hand, am Schulausflug wollte keiner neben ihm gehen, niemand sprach mit ihm, auch kein Lehrer, er fühlte sich völlig isoliert. In der Pause wurde er einmal symbolisch gekreuzigt, indem man ihn auf einem Brett festband, die Lehrer schritten nicht ein. Die Freude an der Schule wurde zum Horror, seine Leistungen ließen nach, so dass er in die Realschule versetzt wurde. Sein bester Freund aus der [[Wöhrdstraße]] kannte ihn plötzlich nicht mehr und erklärte ihm heimlich, er dürfe ihn nicht mehr grüßen, die Hitlerjugend habe es ihm verboten; eigentlich habe er gar nichts gegen ihn, aber er müsse die Freundschaft beenden. Arnold verstand nichts mehr. Nach dem Umzug der Familie 1934 nach Schwäbisch Gmünd gab es ausschließlich Kontakte zu Juden, sie mussten ihr Radio abgeben und hatten kein Telefon mehr. Auch das öffentliche Schwimmbad durfte er nicht mehr besuchen, „man hatte keine Freude mehr am Leben“, es war deprimierend, doch die Familie hielt zusammen. 1937 schrieb Alfred aus Basel den Eltern, sein Onkel hätte einen Platz für einen Bäckerlehrling frei. Diesen Brief verheimlichten seine Eltern Arnold, weil sie andere Pläne mit ihm hatten. Doch Arnold rief seinen Bruder in der Schweiz vom Postamt aus an und erfuhr von der Lehrstelle und dass er sich sofort entschließen müsse. Arnold stellte seine Eltern vor vollendete Tatsachen und rettete so sein Leben. Seine Aufenthaltserlaubnis war an die dreijährige Lehre gebunden, danach wurde er nur noch als Volontär befristet geduldet. Ab 1940 musste sich Arnold beim Schweizer Arbeitsdienst melden, wo harte Arbeit beim Straßenbau und in der Landwirtschaft die Flüchtlinge zur Weiterreise bewegen sollte. Mit dem Kriegseintritt der USA 1941 war es ihm jedoch nicht mehr möglich, zum Bruder in die USA auszureisen; seine Eltern konnte er trotz aller Bemühungen nicht mehr in die Schweiz holen. Von der Einwanderungsbehörde bekam er die lapidare Antwort: „Die Einwanderung ihrer Eltern ist unerwünscht.“ 1938 hatte die Schweiz die Visumpflicht für Juden eingeführt und lehnte Einwanderungsgesuche bis auf wenige Ausnahmen prinzipiell ab. In der Schweiz herrschte ein fremdenfeindliches Klima und so war das Zusammenkommen mit anderen jungen Juden am Sabbat und in der Synagoge sehr wichtig, um sich gegenseitig unterstützen zu können, Arnold besuchte regelmäßig den English Club, um sich auf seine Auswanderung vorzubereiten. Am 18. März 1945 heiratete er in Basel die 1942 mit 17 Jahren aus Frankreich geflüchtete Johanna Braunschweig. Alfred half dem jungen Paar bei der Besorgung der Auswanderungspapiere für die USA und so verließen Arnold und Johanna Wochenmark 1946 die Schweiz. Nach einigen Monaten in New York, wo im Juni ihre Tochter Linda geboren wurde, zogen sie um nach San Francisco/Kalifornien. Dort arbeitete Arnold zunächst in einer Pralinenfabrik und stieg rasch ins Management auf. 1949 wurde der Sohn Jeffrey geboren, 1951 der Sohn Bernard. 1951 nahm die Familie den Namen Marque an. Linda, die eine Ausbildung zur Dolmetscherin gemacht hatte, starb mit nur 22 Jahren in Genf bei einem Unfall. Jeffrey studierte Biophysik und heiratete die Japanerin Myako, hat mit ihr zwei Kinder und lebt in San Francisco. Bernard wurde Fotograf und Versicherungskaufmann, heiratete die Deutsch-Engländerin Carol und lebt mit seiner Familie ebenfalls in San Francisco. Ihre beiden Töchter sind heute (2018) 30 und 34 Jahre alt. Arnold Marque legte noch siebzigjährig im Heimstudium ein Diplom als Versicherungskaufmann ab und betrieb eine Versicherungsagentur. Er war der Sprecher der ehemaligen Tübinger Juden, er besuchte 1981 und 1987 Tübingen. Seine Frau und er lebten bis ins hohe Alter in der Nähe von San Francisco ein sehr erfülltes und aktives Leben. Arnold Marque starb am 10. Oktober 2016 mit 95 Jahren einen friedlichen Tod. | ||
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