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Der '''Sonderforschungsbereich 1391 „Andere Ästhetik“''' ist ein an der [[Universität|Universität Tübingen]] angesiedelter, geisteswissenschaftlicher Sonderforschungsbereich, der Konzepte und Praktiken vormoderner Kunst untersucht. Das Projekt wird seit dem 1. Juli 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für zunächst vier Jahre gefördert. Insgesamt umfasst der SFB 1391 ''Andere Ästhetik'' 18 Forschungsprojekte, an zwei Projekten ist die Universität Stuttgart beteiligt. Die Einzelprojekte stammen aus 16 verschiedenen Disziplinen (Germanistik, Romanistik, Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Numismatik, Archäologie, Kirchengeschichte u.v.a.). Sprecherin ist die Germanistin Annette Gerok-Reiter.
Der '''Sonderforschungsbereich 1391 „Andere Ästhetik“''' ist ein an der [[Universität|Universität Tübingen]] angesiedelter, geisteswissenschaftlicher Sonderforschungsbereich, der Konzepte und Praktiken vormoderner Kunst untersucht. Das Projekt wird seit dem 1. Juli 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für zunächst vier Jahre gefördert. Insgesamt umfasst der SFB 1391 ''Andere Ästhetik'' 18 Forschungsprojekte, an zwei Projekten ist die Universität Stuttgart beteiligt. Die Einzelprojekte stammen aus 16 verschiedenen Disziplinen (Germanistik, Romanistik, Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Numismatik, Archäologie, Kirchengeschichte u.v.a.). Sprecherin ist die Germanistin Annette Gerok-Reiter.



Version vom 12. August 2019, 07:28 Uhr

Sonderforschungsbereich 1391 „Andere Ästhetik“

Der Sonderforschungsbereich 1391 „Andere Ästhetik“ ist ein an der Universität Tübingen angesiedelter, geisteswissenschaftlicher Sonderforschungsbereich, der Konzepte und Praktiken vormoderner Kunst untersucht. Das Projekt wird seit dem 1. Juli 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für zunächst vier Jahre gefördert. Insgesamt umfasst der SFB 1391 Andere Ästhetik 18 Forschungsprojekte, an zwei Projekten ist die Universität Stuttgart beteiligt. Die Einzelprojekte stammen aus 16 verschiedenen Disziplinen (Germanistik, Romanistik, Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Numismatik, Archäologie, Kirchengeschichte u.v.a.). Sprecherin ist die Germanistin Annette Gerok-Reiter.

Forschungsprogrammatik

Der SFB nimmt seinen Ausgangspunkt bei aktuellen Debatten um die Bedeutung, die Funktion, aber auch die Grenzen der Kunst bzw. der Künste: Ästhetik ist im wissenschaftlichen und feuilletonistischen Diskurs stark präsent. Neurowissenschaften und Evolutionsbiologie untersuchen die genetischen wie neurologischen Grundlagen von Kreativität, Ästhetik und Kunstwahrnehmung. In den Gesellschaftswissenschaften wird beispielsweise die politische Indienstnahme der Kunst thematisiert. Die experimentelle Ästhetik analysiert die Wahrnehmung von Kunst- und Gebrauchsgegenständen. Im Feuilleton werden Fragen nach politischer Indienstnahme von Kunst neu diskutiert, Eugen Gomringers Gedicht „Avendias“ löste einen Skandal aus und warf die Frage „Was darf Kunst?“ erneut auf. Kontrovers geführt wird auch die Debatte um die Rolle künstlicher Intelligenz im Bereich ästhetischer Wahrnehmung und künstlerischer Produktion.

All diese Forschungsansätze und Diskussionen zeigen ein neues Bedürfnis nach und Interesse an Ästhetik. Dabei greifen die genannten Ansätze jedoch oft unreflektiert auf die Idee von der Autonomie des Kunstwerks, die Ende des 18. Jahrhunderts entstand, zurück. Die zentrale Frage nach Rolle und Funktion der Kunst in sozialen Prozessen und Interaktionen gerät dagegen leicht aus dem Blick. Umso dringlicher erscheint es, alternative ästhetische Praktiken, Manifestationen und Konzepte zu entdecken, die nicht von autonomieästhetischen Positionen ausgehen. Eine solche Andere Ästhetik lässt sich – so die These des SFB 1391 – in der Vormoderne finden, d. h. vor dem Zeitalter der philosophischen Ästhetik des 18. Jahrhunderts: in der Antike, im europäischen Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Gerade von einer ‚Ästhetik vor der Ästhetik‘ können entscheidende Impulse für ästhetische Fragestellungen auch in unserer Gegenwart ausgehen.

Der SFB greift (1) die Debatte um die Allgegenwart und Notwendigkeit von Kunst auf, wie sie die Gesellschaftswissenschaften, Evolutions- und Neurobiologie aufgeworfen haben, verknüpft sie aber (2) mit einem neuen Verständnis ästhetischer Prozesse, das (3) aus der dynamischen Wechselwirkung zwischen technisch-artistischer Eigenlogik („autologische Dimension“) und sozialer Praxis („heterologische Dimension“) gewonnen werden soll. Die konkreten Akteure, Akte und Artefakte im gesellschaftlichen Raum bilden den Ausgangs- und Bezugspunkt. Der SFB bietet durch dieses praxeologische Modell eine neu entwickelte Heuristik an, mit deren Hilfe sich die dynamischen Verflechtungen zwischen autologischer (z. B. Material, Traditionen) und heterologischer Sphäre (z. B. soziale Praxis) differenziert beschreiben lassen. Ziel ist es, eine Andere Ästhetik herausarbeiten, die sich weniger in den theoretischen Entwürfen als ‚im Vollzug’, d.h. in konkreten Akten, Aktionen, Akteuren und Artefakten beobachten lässt. Auf dieser Grundlage will der SFB zu einer Neubewertung vormoderner Ästhetik gelangen.

Struktur und Teilprojekte

Der SFB 1391 Andere Ästhetik gliedert sich in drei Projektbereiche: A („Praktiken“), B („Manifestationen“), C („Konzepte“). Hinzu kommt das Öffentlichkeitsprojekt „AKT – Aktualisierung, Kommunikation und Transfer. Andere Ästhetik im öffentlichen Raum der Gegenwart“.

Projektbereich A „Praktiken“

A01 Prof. Dr. Sebastian Schmidt-Hofner (Alte Geschichte)/Prof. Dr. Richard Posamentir (Klassische Archäologie): Ästhetik der Präsenz und soziopolitische Kommunikation im archaischen und klassischen Griechenland (7.–4. Jh.v. Chr.)

A02 Juniorprof. Dr. Johannes Lipps (Klassische Archäologie): ‚Andere‘ Ästhetik antiker Wirtschaftsräume in der späten Republik und frühen Kaiserzeit

A03 Prof. Dr. Sarah Dessì Schmid (Romanistische Linguistik) /Prof. Dr. Jörg Robert (Neuere deutsche Literatur): Purismus – Diskurse und Praktiken der Sprachreinheit

A04 Prof. Dr. Thomas Schipperges (Musikwissenschaft): Bade- und Kurmusik in der Frühen Neuzeit

A05 Prof. Dr. Dietmar Till (Allgemeine Rhetorik) Die Pragmaästhetik der frühneuzeitlichen Epideiktik im 18. Jahrhundert

Projektbereich B „Manifestationen“

B01 Prof. Dr. Anja Wolkenhauer (Lateinische Philologie): ars et natura: Plinius’ kunstreflexive Mikronarrative im Kontext der Naturalis Historia

B02 Prof. Dr. Stefan Krmnicek (Antike Numismatik): Einprägende Bilder. Die Ästhetik(en) von Münzen in der römischen Kaiserzeit

B03 Prof. Dr. Manuel Braun (Germanistische Mediävistik, Stuttgart)/Prof. Dr. Annette Gerok-Reiter (Germanistische Mediävistik): Semantiken des Ästhetischen in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters

B04 PD Dr. Sandra Linden (Germanistische Mediävistik) /Dr. Daniela Wagner (Kunstgeschichte): Handelnde Personifikationen als ästhetische Reflexionsfigur in der Literatur und Kunst des Mittelalters

B05 Prof. Dr. Stefanie Gropper (Skandinavistik): Narrative (Selbst-) Reflexion in den Isländersagas

B06 Dr. Nils Reiter (Maschinelle Sprachverarbeitung)/PD Dr. Angelika Zirker (Anglistik): Merkmale ästhetischer Reflexionsfiguren: Systematische Annotation und quantitative Analyse

Projektbereich C „Konzepte“

C01 Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert (Griechische Philologie): ‚Andere‘ Poetiken der Ekphrasis in der hellenistischen Dichtung

C02 Prof. Dr. Johannes Lipps (Klassische Archäologie) /Prof. Dr. Anna Pawlak (Kunstgeschichte): Kreative Aneignung. ‚Andere‘ Ästhetik in der vormodernen Architektur und Kunst nördlich der Alpen

C03 Prof. Dr. Annette Gerok-Reiter (Germanistische Mediävistik)/ Prof. Dr. Volker Leppin (Kirchengeschichte): Der schoene schîn in der Mystik

C04 Prof. Dr. Anna Pawlak (Kunstgeschichte) /Prof. Dr. Anja Wolkenhauer (Lateinische Philologie): Intermedialität als Ansatzpunkt ästhetischer Reflexion in der niederländischen Druckgraphik der Frühen Neuzeit

C05 Prof. Dr. Matthias Bauer (Anglistik)/PD Dr. Angelika Zirker (Anglistik): Die Ästhetik gemeinschaftlicher Autorschaft in der englischen Literatur der Frühen Neuzeit (The Aesthetics of Co-Creativity in Early Modern English Literature)

C06 Prof. Dr. Susanne Goumegou (Romanistik)/ Prof. Dr. Jörg Robert (Neuere deutsche Literatur): Augentrug, Traum und Täuschung – Der dämonische Ursprung der Illusion

Weblinks