Verpackungssteuer
In Tübingen gilt seit dem 1. Januar 2022 eine Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen, Einweggeschirr und Einwegbesteck. Die Verpackungssteuer muss von Verkaufsstellen bezahlt werden, die Speisen und Getränke für den sofortigen Verzehr oder zum Mitnehmen in Einwegverpackungen, Einweggeschirr und Einwegbesteck ausgeben. Bei der Tübinger Verpackungssteuer handelt es sich um eine „örtliche“ Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Besteuert wird die Abgabe von Einwegverpackungsmaterial, das beim Verkauf von Speisen und Getränken „für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle“ anfällt.
Diese Steuer wurde aufgrund von erheblichen Kosten, die die Universitätsstadt Tübingen für die Müllentsorgung im öffentlichen Raum finanzieren muss, und aus Umweltschutzgründen sowie als Reaktion der zunehmenden Vermüllung des öffentlichen Raums durch Einwegverpackungen eingeführt. So sollen Einnahmen für den städtischen Haushalt generiert werden, damit die Kosten der Stadtreinigung und der Müllentsorgung zumindest teilweise durch die Verursacher beglichen werden. Vor allem jedoch soll die Verpackungssteuer ein Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen sein, um die großen Ressourcen- und späteren Einwegmüllmengen aus dem to-go- und take-away-Verkauf zu reduzieren. Darum legte die Stadtverwaltung Tübingen im Vorlauf zur Einführung der neuen Steuer ein Programm zur finanziellen Förderung von Mehrweg und zur Beratung der Gastronomie auf.
Der Steuerbetrag lautet wie folgt:
- 0,50 Euro (netto) für Einwegverpackungen, wie zum Beispiel Kaffeebecher, der Pappkarton einer mitgenommenen Pizza oder das Papier oder die Alufolie für einen Döner, ein Falafelgericht oder einen Wrap
- 0,50 Euro (netto) für Einweggeschirr wie zum Beispiel Pommesschalen
- 0,20 Euro (netto) für Einwegbesteck und andere Hilfsmittel wie zum Beispiel Trinkhalme oder Eislöffel
Von der Verpackungssteuer befreit hingegen sind alle verpackten Lebensmittel, Speisen und Getränke, die üblicherweise für den Vorrat und späteren Verzehr zu Hause gekauft werden. Beispiel sind Obst und Gemüse vom Markt oder Konserven und Tiefkühlfertiggerichte aus dem Supermarkt. Werden Speisen in Behälter verpackt oder Getränke in Gefäße abgefüllt, die von der Kundschaft mitgebracht werden oder die von den Betrieben als Mehrweg-Pfandsystem (entweder als Insellösung eines Betriebes oder als betriebe-übergreifende Systemlösung) angeboten werden, fällt ebenfalls keine Verpackungssteuer an.
Mehrfachverpackungen wie die im Mai 2025 eingeführten Pizza Mehrwegbehälter oder die bereits seit Jahren angebotenen Pfandbecher sind von der Verpackungssteuer natürlich ausgenommen.
Klagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bundesverwaltungsgericht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am 30. März 2022 wurde die Verpackungssteuer vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit der Begründung, die Verpackungssteuer verstoße gegen das Abfallrecht des Bundes, für unwirksam erklärt. Der Gemeinderat beschloss am 28. April 2022 mehrheitlich, dass die Stadt Tübingen Revision gegen dieses Urteil einlegen wird, womit der Fall beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig landete. Dieses erklärte die Verpackungssteuersatzung im Mai 2023 weitgehend für rechtmäßig (aus der Satzung musste insbesondere die Begrenzung von maximal 1,50 Euro Verpackungssteuer je Mahlzeit gestrichen werden). Gegen die Verpackungssteuer geklagt hatte die Inhaberin der Tübinger McDonald's-Filiale. Gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wendete sich die Klägerin dann noch mit einer Verfassungsbeschwerde.
Bundesverfassungsgericht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am 22. Januar 2025 wurde auch das abschließende Urteil des höchsten deutschen Gerichtes, des Bundesverfassungsgerichts Karlsruhe. Die Inhaberin der Tübinger McDonald's-Filiale hatte es deswegen angerufen. Insbesondere ging es der Inhaberin um die mit Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Endverkäufer. Doch die Verfassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen:
[...] Das Bundesverfassungsgericht hat die Tübinger Verpackungssteuer gebilligt. Mit einem am Mittwoch in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss wies das Gericht die Verfassungsbeschwerde eines Tübinger McDonalds-Restaurants ab. Die seit 2022 erhobene Abgabe auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck für Mitnahme-Lebensmittel sei als „örtliche Verbrauchsteuer“ zulässig. (Az. 1 BvR 1726/23) [...]
Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Wirkung der Einwegsteuer und der begleitenden Maßnahmen zur Unterstützung von Mehrweg wurden von der Stadt Tübingen wiederholt positiv bewertet: Die Steuer hat sich als Katalysator für die Verbreitung von Mehrweg erwiesen. Der Stadtverwaltung waren Anfang 2025 143 Betriebe bekannt, die Mehrweg anbieten. Damit hat sich seit Beschluss der Satzung die Zahl der Betriebe mit Mehrwegangebot vervierfacht. Mehrwegangebote und das Befüllen privateigener Behälter sind somit außerordentlich gut etabliert und akzeptiert in der Tübinger Gastronomie und dennoch liegen die Steuereinnahmen der ersten Jahre bei rund 1 Million Euro pro Jahr.
Eine anonyme Umfrage der Stadtverwaltung unter der örtlichen Gastronomie ergab, dass die Verwendung von Einwegverpackungen zwischen 2019 (vor Corona) und 2025 in Tübingen deutlich zurückgegangen ist. Kein Betrieb meldete eine Zunahme. Bei 27% der Betrieben ist die Verwendung gleichgeblieben und bei 73% ging sie zurück; im Mittel um 61%. Wobei seither 17% der Betriebe ganz auf Einwegverpackungen verzichten. Dieses Ergebnis wird von den Kommunalen Servicebetrieben bestätigt: Seit 2022 haben sie spürbar weniger Arbeit mit dem Leeren der öffentlichen Mülleimer, da diese seltener überquellen und der herausquellende Müll dadurch seltener eingesammelt werden muss.
Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Eine Umfrage der IHK von März 2025 hat ergeben, dass 56 Prozent der Tübinger Gastronomiebetriebe die Verpackungssteuer negativ bewerten. 22 Prozent sehen sie neutral, weitere 22 Prozent werten sie positiv.
Kritisiert wird vor allem der gestiegene Verwaltungsaufwand und die damit verbundene Notwendigkeit, die Mitarbeiter zu schulen. Viele Betriebe sehen die Regelungen als zu kompliziert an. Außerdem wird bemängelt, dass auswärtige Kunden die Verpackungssteuer nicht kennen und somit erst mal informiert und aufgeklärt werden müssen.
Kritik gibt es auch an den mit der Verpackungssteuer verbundenen Mehrwegsystemen: kritisiert werden die Kosten für die Anschaffung, der Aufwand, den Kunden das System zu erklären, die Rückgabe und die Reinigung des Geschirrs, sowie die Problematik, dass die Mehrwegbehälter oft nicht zurückgebracht werden.[1]
Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
2025 wurde die Verpackungssteuer mit dem "Bewährt vor Ort"-Siegel ausgezeichnet, welches vom Deutschen Städte- und Gemeindebund und "Re:Form", einer Initiative, die den Föderalismus reformieren will, vergeben wird. Mit dem Siegel werden kommunale Projekte gewürdigt, "die in der Praxis nachweislich funktionieren und das Potenzial haben, bundesweit als Vorbild zu dienen." OB Boris Palmer nahm die Auszeichnung für Tübingen in Berlin entgegen.[2]
Im Oktober 2025 erhielt die Stadt Tübingen auf dem Global Zero Waste Forum in Istanbul für die Verpackungssteuer und den konsequenten Ausbau von Mehrwegsystemen den Zero Waste Award. Das Forum entwickelt jährlich mithilfe von Politikern, Wissenschaftlern, Menschen aus der Wirtschaft und Zivilgesellschaft Strategien für Abfallvermeidung und Ressourcenschonung. OB Palmer nahm die Auszeichnung entgegen.[3]