Theodor Fischer

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Theodor Fischer (1933)
Ehemalige Villa Siebeck, heute Leibnizhaus II, Stauffenbergstraße 30, Eingang
Stauffenbergstraße 30, Gartenseite (siehe Bildbeschreibung)
Villa Siebeck (vor 1921)
Leibnizhaus II (März 2021)

Theodor Fischer (* 28. Mai 1862 in Schweinfurt; † 25. Dezember 1938 in München) war ein deutscher Architekt, Stadtplaner und Hochschullehrer. 


Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Professor an den Technischen Hochschulen in Stuttgart (1901-08) und München (1908-28) war er sehr einflussreich bei der Weiterentwicklung der Architektur vom Historismus und Jugendstil hin zu Strömungen wie „Posthistorismus“, Reformstil, Reduktionsstil und Heimatschutzarchitektur. Diese Stilrichtungen waren vor allem für die Jahre von ca. 1905 bis zum Ersten Weltkrieg kennzeichnend, also einer Zeit wirtschaftlicher Prosperität, in der viel gebaut wurde, auch in Tübingen. In der Fachwelt gibt es keinen eingeführten Oberbegriff für diese Zeit. Fischer selbst lässt sich keinem dieser Stile eindeutig und ausschließlich zuordnen. [1]

Diese Stilrichtungen wandten sich vom Historismus ab, hielten aber an traditionellen Baumaterialien und Bauweisen fest. Einzelne historistische Elemente wie z.B. Säulenportika wurden nur noch als Zitate verwendet.


Theodor Fischer entwickelte einen eigenen, aus den regionalen und sozio-kulturellen Voraussetzungen der jeweiligen Umgebung begründeten Stil, der auch von Fachleuten oft schwer zu beschreiben ist. [2]

Mit der Berufung nach Stuttgart begann Fischers erfolgreichste und intensivste Schaffensperiode als Architekt; zugleich zog er mit seiner neuen, von Werkkunde und Städtebau geprägten Lehrmethode und der Offenheit gegenüber den Ideen seiner Schüler die junge Generation an. Er war, wie der Architekt Fritz Schumacher meinte, „der Erzieher einer ganzen Architektengeneration“, die in der Folge sowohl als Traditionalisten wie als Progressive das Bild der Städte bis nach dem Zweiten Weltkrieg prägten.

In dieser Architekturperiode hatte die „Stuttgarter Schule“ ab 1919 ihre Wurzeln. Deren Hauptvertreter Paul Bonatz, Martin Elsaesser, Paul Schmitthenner und Heinz Wetzel waren Schüler von Fischer, den sie als ihren „geistigen Vater“ bezeichneten. Auch der bedeutende Architekt Bruno Taut zählte zu Fischers Schülern. [3] 

Dem Bauhausstil nach dem Ersten Weltkrieg stand er offen gegenüber. Wiewohl skeptisch gegenüber der Radikalität des Neuen Bauens, verteidigte Fischer diese neue Schule gegen Angriffe nationalistischer Kreise.


Tübingen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Tübingen erbaute Theodor Fischer die Villa des Verlegers Paul Siebeck, heute Leibnizhaus II, Stauffenbergstraße 30 (1908, erster Entwurf 1906) und die Villa des Nationalökonomen Prof. Robert Wilbrandt, Stauffenbergstraße 32 (1909) auf dem Österberg.[4] 1902/03 legte er zwei Entwürfe für den geplanten Bismarckturm vor. Er hatte sich dafür durch seinen Bismarckturm am Starnberger See empfohlen (1895, erbaut bis 1898), einem der ersten Bauten dieses Typs. Er schlug aber schlanke Säulen vor anstelle eines massiveren Turms, wie er dann 1907 gebaut wurde.[5] Ferner konzipierte er den sogenannten Nymphenplatz vor der Neckarmüllerei (1910).

Wohnhäuser[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beide Entwürfe in der Stauffenbergstraße sind Modell für zwei ganz unterschiedliche Haustypen. Eine Jubiläumsschrift lobt 1911 Fischers Wohnhausbauten wegen ihrer schlichten Flächengestaltung und harmonischen Anpassung an die Landschaft als "im besten Sinne bürgerliche Architektur". ... "Auch dem Charakter der ganzen Gegend passen sich die Häuser harmonisch an, jedes ihrer Fenster scheint ein Auge, offen für den unvergleichlichen Fernblick ins Neckartal hinab."[6] Christiana Melk-Haen führt 1989 nach diesen Zitaten dazu weiter aus: Herausgestrichen wird besonders der "Verzicht auf rein äußerlichen Schmuck" und "die schöne rhythmische Gliederung der Flächen." Dabei sieht der zeitgenössische Autor keinen Widerspruch in Fischers Verwendung von historischen Stilmerkmalen wie etwa den Pilastern an der Gartenfront des Hauses Wilbrandt. Im Gegenteil! Die "Biedermeier-Stimmung" der beiden Häuser wird lobend erwähnt. Wie sehr gerade Fischers Bauten Assoziationen zu historischen Stilen anklingen lassen, zeigt sein erster Entwurf für das Haus Siebeck von 1906. Mit seinem turmartigen Aufbau über dem Eingang erinnert er an die Verbindungs-"Burgen", wie man sie in unmittelbarer Nachbarschaft der beiden Fischer-Bauten findet. Ausgeführt wurde schließlich eine weitaus strengere Version mit Ökonomiegebäuden. ... Im Erdgeschoss gruppierten sich die Repräsentationsräume Salon, Musik- und Speisezimmer - alle mit von Fischer entworfenen Stuckdecken - um eine gewölbte Eingangshalle. ... Die großen Räume sind heute wegen ihrer andersartigen Nutzung in kleinere Zimmer unterteilt und nicht mehr erhalten.

Das Haus Wilbrandt ist kleiner als das Haus Siebeck und hat daher eine andere Raumanordnung. ... Die Trennung in Repräsentations- und Privatzimmer ist hier weniger streng. ... Der getäfelte Wohnraum hatte eine Kassettendecke, und in einigen der repräsentativen Räume befanden sich stuckierte Plafonds nach einem Entwurf von Fischer. Zeitgenössische Kritiken loben die "Intimität und den malerischen Reiz des Wohnraums", dessen Vertäfelung an altdeutsche Räume des Historismus erinnert. Auffälligste Merkmale sind eine Art Arkadengang auf der Südseite des Hauses und eine Loggia im Obergeschoss; die Vorteile der Südhanglage werden voll genutzt.[5]

Reutlingen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In und um Reutlingen errichtete Fischer so bekannte Bauten wie die Arbeitersiedlung Gmindersdorf (ab 1903, unter Beteiligung von Paul Bonatz und Bruno Taut), die Pfullinger Hallen (1907-10) und den Schönberg-Turm (1910).[5] In Reutlingen gibt es eine Theodor-Fischer-Straße.

Resümee[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Theodor Fischer scheint zunächst bei oberflächlicher Betrachtung ein widersprüchlicher Charakter. Konservativ national gesinnt setzt er sich dennoch entschieden gegen seine Vermarktung als Heimatkunstarchitekt zur Wehr, ja er kritisiert sogar öffentlich die deutschtümelnde Kunstpolitik des NS-Regimes. Obwohl sein Stil sich nie vollständig von den historischen Bauformen löst, verteidigt er nachdrücklich das Bauhaus und erkennt die Bedeutung dieser Experimentier-Schule. Immer engagiert er sich für Reformideen, ob im Werkbund oder bereits 1897 in der Glaspalastausstellung in München, der dort am 1. April 1898 die Gründung der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk folgte. Kunst und Architektur waren für Fischer Bestandteil einer lebendigen stilistischen Tradition, die sich ständig weiterentwickelt und neuen Bedürfnissen anpasst. Kunst darf nicht für ideologische Zwecke missbraucht werden. Nicht durch Revolution, sondern durch Evolution sollte sie sich [laut Fischer] weiterentwickeln. [5]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Diskussion: Theodor Fischer – Stilistische Einordnung (Wikipedia)
  2. Konservativer Erneuerer erfand unbeschreibliche Formen: Theodor Fischer. Architektur der Stuttgarter Jahre, Architektenkammer Baden-Württemberg, akbw.de 
  3. Theodor Fischer und die Stuttgarter Schule, landeskunde-baden-wuerttemberg.de
  4. Sylvia Paletschek: Die permantente Erfindung einer Tradition. Die Universität Tübingen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Contubernium 53, Franz Steiner Verlag Stuttgart 2001, S. 35
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Christiana Melk-Haen: Vom Nationaldenkmal zum Wohnhausbau. Theodor Fischers Tübinger Entwürfe. in: Tübinger Blätter 76, 1989, S. 13-16
  6. G. Keyssner (Hrsg.): Theodor Fischers Wohnhausbauten, Leipzig 1911, zit. bei Christiana Melk-Haen, a.a.O., 1989

Quellen, Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Commons: Reutlingen-Gmindersdorf, Fotos


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