Tübinger Lichtenstein

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Haus Lichtenstein
Haus Lichtenstein in Tübingen.JPG
AdresseSchwabstraße 6
72074 Tübingen

Der/Das Tübinger Lichtenstein (auch Lichti genannt) wird je nach Perspektive als studentische Verbindung der anderen Art, große Wohngemeinschaft oder selbstverwaltetes Projekt gesehen.

Einfahrt zum Tübinger Lichtenstein während einer Entrümpelungsaktion

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geschichte des Tübinger Lichtenstein geht zurück auf die Gründung eines Stiftskreises am 29. Juni 1873 auf den Stuben Neapel und Hohenheim durch 8 Stiftler (Feucht, Osiander, Feldweg, Reuss, Plieninger, Schüz, Eitle, Zeller). Zusammenkünfte fanden meist in der „Blunsenblase“ im Gasthaus Löwen statt.[1]

Bereits 1880 wurde die "Gesellschaft Lichtenstein" mit dem Motto "Freiheit, Freundschaft, Wissenschaft" bei der Universität angemeldet, womit einerseits anfangs eine deutliche Distanz zum damaligen Verbindungswesen aufgezeigt wurde, obwohl andererseits allmählich etliche Bräuche und Riten des Verbindungswesens auch in den Tübinger Lichtenstein aufgenommen wurden.

1907/08 wurde das eigene Haus von Mack & Klass, Stuttgart, erbaut. Es ist ein "zweigeschossiger Putzbau in Hanglage über Rustikasockel und mit neubarocken Hausteindetails; Mansardkrüppelwalmdach; Anbauten, Treppenturm, Erker." [2]

Im Juli 1913 bildeten einige Tübinger Verbindungen - unter ihnen auch Lichtenstein - als Reaktion auf den im Februar gegründeten Waffenring der schlagenden Verbindungen einen hiergegen gerichteten Lokalverband und erklärten den Waffenverruf, um von jenen nicht mehr belegt werden zu können.[3]

Nach der Machtergreifung Hitlers musste der Lichtenstein die Gleichschaltung ebenso fürchten wie alle anderen Verbindungen, gab sich deshalb den Namen Landsmannschaft und schloss sich schließlich mit der ATV Arminia und der Verbindung Luginsland zur Kameradschaft York zusammen.[4]

Lichtenstein hatte ursprünglich die Farben blau-weiss und gehörte ab 1949 zum Schwarzen Bund.[5]

Im Jahr 1956 wurde das Tübinger Stocherkahnrennen von Mitgliedern des Tübinger Lichtenstein ins Leben gerufen. Die Lichtensteiner traten mit ihrem Kahn „Bluthund“ (heute Kahn #77) gegen sechs oder sieben weitere Studentenverbindungen an. Seither wird das Rennen regelmäßig durch den Verlierer des Vorjahres organisiert. Es zählt zu den Höhepunkten des Sommersemesters, bei schönem Wetter säumen nehr als 10.000 Zuschauer den Neckar.[6]

1975 wurde der Verein zur Erhaltung des Tübinger Lichtensteins e. V gegründet (VEL). Anfang der 90er Jahre wurde der Beschluss gefasst, Frauen aufzunehmen, und die Satzungen der Vereine wurden geändert. Heute ist das Haus von 18 Studenten und Studentinnen bewohnt, und es gibt Raum für zwei Alleinerziehende. Der Eintritt in den Verein ist nicht obligatorisch aber gewünscht, da nur so das Generationenprinzip aufrecht erhalten werden kann. Es gibt regelmäßige Aktivitäten, Vorträge, Kulturveranstaltungen, Seminare und Parties im Haus. Der Dialog zwischen ehemaligen Bewohner_innen und aktuellen Bewohner_innen hält an, und die Identitätsfrage ist ein immer wiederkehrendes Thema in diesem Haus, das je nach Perspektive als studentische Verbindung der anderen Art, große Wohngemeinschaft oder selbstverwaltetes Projekt gesehen wird.[7]

Rothenburger Verband schwarzer Verbindungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut anderen Quellen[8] war der Lichtenstein eine Verbindung, denn er war eine der 17 Verbindungen die den Rothenburger Verband schwarzer Verbindungen (RVSV) am 3. August 1919 als Verband schwarzer Verbindungen mit unbedingter Satisfaction und freigestellter Verabredungsmensur gegründet hatten. Lichtenstein Tübingen trat Anfang 1922 aus dem RVSV aus und wurde im Februar 1928 wieder aufgenommen. Am 8. Oktober 1933 wurde der RVSV mit Wirkung zum 15. Februar 1933 aufgelöst, als er aus noch 12 Verbindungen bestand.

Gemeinschaft Deutscher Hochschulverbindungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mai 1952 kam es zur Gründung der Gemeinschaft Deutscher Hochschulverbindungen (GDH). Gründungsmitglied war unter anderem Lichtenstein. In der Präambel der formulierten Grundsätze für die GDH heißt es: "Die GDH ist ein freier Zusammenschluss studentischer Verbindungen und Vereinigungen an deutschen Hochschulen. Die ihr angehörenden Verbindungen und Vereinigungen sind entschlossen, unter Verzicht auf unzeitgemäße Gebräuche und überholte Formen die Kerngedanken des deutschen Verbindungswesens zu verwirklichen und weiterzutragen, insbesondere den Gedanken der sich selbst führenden Gemeinschaft von Studenten, die unter Mithilfe Alter Herren zu einwandfreier Haltung und politischem und sozialem Verantwortungsbewußtsein erziehen wollen." Weiter unten heißt es: "Sie will ... mit allen gleichgesinnten akademischen Verbindungen zusammenarbeiten, die willens sind, das studentische Gemeinschaftsleben in unserer Zeit so zu gestalten, wie Staat und Volk es von der jungen Akademikerschaft erwarten. Sie will dazu beitragen, dass keine sozialen Unterschiede entstehen, und lehnt deshalb auch einen restaurativen Ehrbegriff ab."

Zwar wurde die GDH bereits Mai 1954 wieder aufgelöst, nichts desto Trotz bekannte sich Lichtenstein einst zu diesen Grundsätzen. Beschlüsse wurden auch bei Lichtenstein mit Mehrheit gefasst, also war die Mehrheit der damaligen Mitglieder für die Mitgründung einer solchen Gemeinschaft. Dies legt die Vermutung nahe, dass sich Lichtenstein auch nach dem 2. Weltkrieg als Teil des Tübinger Verbindungswesens gesehen hat. Gleichzeitig wird eine Abgrenzung zu überholtem Verbindungsritus vorgenommen. Vielleicht schließt sich hier der Kreis zur Gründung Lichtensteins.

Überlassungsvertrag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 2007 gab es zunehmende Spannungen über das Selbstverständnis des Tübinger Lichtenstein mit Teilen der Aktivitas und der Mehrheit der Mitglieder des Bundes Alter Tübinger Lichtensteiner (BATL e.V.). Ende des Jahres 2008 sollte deshalb der Überlassungsvertrag für das Haus zwischen BATL e.V. und dem gemeinnützigen Verein zur Erhaltung des Lichtensteinerhauses (VEL e.V.) gekündigt werden. Nachdem eine größere Gruppe die Aktivitas verlassen hatte, konnte der Überlassungsvertrag weiterbestehen, und es begann die komplette Außenrenovierung, Dachstockisolierung sowie Garten– und Hofpflege weitgehend durch die Aktivitas.[1]

Weitere Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 Chronologie des Tübinger Lichtenstein.
  2. Erhaltungssatzung für das Gebiet Vorderer Österberg, 2019, Seite 29 (pdf)
  3. Jahresbericht der Virtembergia 1914, UAT 192/41.
  4. Im Universitätsarchiv Tübingen finden sich unter der Bestandsnummer UAT S 163 neben Semesterbildern, Gästebüchern und Semesterprogrammen sogar zwei Bierzipfel.
  5. Archiv der Verbindung Normannia.
  6. Stocherkahnrennen auf Wikipedia.
  7. Liste Tübinger Wohnprojekte des Mietshäusersyndikats
  8. Gladen: Geschichte d. stud. Korporationsverbände, Bd. 1, S. 228 ff.