Schimpfhaus
Schimpfhaus | |
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Adresse | Am Lustnauer Tor 1 72074 Tübingen |
Architekt | Josef Hennings |
Das Schimpfhaus ist das Gebäude Am Lustnauer Tor 1, am sogenannten Schimpfeck. Der Name kommt von dem Geschäft für Papier und Bürobedarf Fritz Schimpf, das in diesem Gebäude seit 1903 ansässig ist. Unmittelbar davor wurde das Haus im Auftrag von Schimpf umgebaut. Fritz Schimpfs war Nachfolger seines Onkels Fritz Schuler, der die Firma in unmittelbarer Nähe, nämlich im Haus an der Ecke der Pfleghofstraße und der Hafengasse bereits 1880 gründete.
Architektur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Haus wurde nach dem Abriss des Lustnauer Tors 1829 im Auftrag des Medizinprofessors Johann Heinrich Ferdinand von Autenrieth (1772—1835) im klassizistischen Stil gebaut. Er verbrachte darin mit seiner Familie seine letzten Jahre. Danach war der Hauseigentümer dessen Sohn Hermann Friedrich Autenrieth (1799—1874), der darin viele Jahre seines Lebens wohnte. In der Beletage wurde einmal der junge Kronprinz Karl einquartiert. 1861 zog hier das Gymnasium ein. Nach dem Auszug des Gymnasiums in das neuerbaute Gebäude in der Uhlandstraße kaufte es Fritz Schimpf, der es ab 1901 von dem Stuttgarter Architekten Josef Hennings umfangreich zum Wohn- und Geschäftshaus — dem heutigen Schimpfhaus umbauen und vergrößern ließ, so dass sich das bisherige so gut wie nicht mehr erkennen ließ. Das Haus erhielt giebelartige Aufbauten und an der Westseite eine mehrstöckige hölzerne Veranda. Das neugestaltete Gebäude weist neben dem Haus Lange (1902) und dem Haus Melanchthonstraße 16 wohl am deutlichsten charakteristische Merkmale des Jugendstils in Tübingen auf. Fritz Schimpf, der eine Papier- und Tapetenhandlung sowie einen Ansichtskartenverlag betrieb, zog 1903 dort ein. Das Geschäft, das als ein Laden für Papier- und Bürobedarf inzwischen in der fünften Generation fortgeführt wird, existiert in dem Haus weiterhin. 1911 gründete sich im 1. Stock die Anthroposophische Gesellschaft Tübingen.
In den 1970er Jahren wollte die Stadtverwaltung unter Hans Gmelin das Haus abreißen lassen, um die Straßen autogerechter gestalten zu können. Das war schon 1959 mit dem rechts angrenzenden Haus Wilhelmstraße 1 (in dem ursprünglich Friedrich Silcher wohnte) geschehen. Gegen den Abriss wehrte sich Ende der 1970er Jahre erfolgreich eine Bürgerinitiative. In den frühen 1980er Jahren baute der bekannte Tübinger Architekt Heinrich Niemeyer in seiner unverkennbaren Handschrift das Bürobedarfsgeschäft um, einschließlich des zeltdachartigen Anbaus, der die Anbindung der frei gewordenen, ursprünglich nicht als Schauseite gedachten hohen Seitenwand an den öffentlichen Raum geschickt gestaltet. Um eine Abbiegespur zum Österberg einrichten zu können, baute man gleichzeitig an der Platzseite einen Arkadengang, der den Bürgersteig aufnehmen konnte. Durch den Umbau des Geschäftes ist im Erdgeschoss noch Platz für die Filiale der Deutschen Bank entstanden. Die oberen Stockwerke wurden zum Studentenwohnheim umgebaut. Die dominierende Innenfarbe ist, wie oft bei Niemeyer, braun an Wand, Boden und Metallgeländern. Die in der Zeit der Verpönung des Jugendstils entfernten Ornamente wurden 1983 wiederhergestellt. Der kleine Rundturm und das Dächlein auf dem Eck-Erker mit Spitze (siehe Abb. 1903) sind nicht mehr vorhanden.
Bilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Links hinten das noch nicht umgebaute Schimpfhaus 1902
Schimpfhaus, Blick aus der Doblerstraße
Ornamente des Jugendstils an der Giebelseite
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Schimpf-Eck unter Öffentliche Plätze
- Häusergeschichten: Das Schimpf-Eck, Tagblatt-Anzeiger, 17.1.2018