Hans Herb

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Portrait von Hans Herb aus dem Jahr 2006 (Foto: Helene Herb)
Jubiläumsfoto 2003: 125 Jahre Drogerie Müller & Co (v.l.n.r.) Hans Herb mit seinem Bruder, dem Drogistengehilfen Helmut Herb, und Karl Nill, ehemaliger Lehrling von Eugen Herb (Foto: Helene Herb)
Hans Herb 1982 vor seiner Drogerie im Gespräch mit einer Frau an der Theke des HotDog Imbiss im selben Haus (Foto: Wolf-Dieter Nill)
Hans Herb vor der Drogerie Müller & Co, 1980 (Foto: privat)
Grabstein von Hans Herb auf dem Stadtfriedhof
Grabstein von Jakob Müller auf dem Stadtfriedhof

Hans Herb (* 18. Juli 1931 Tübingen, † 20. Februar 2009) war gelernter Drogist und Mitbegründer der Partei Die Grünen in Tübingen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans Herb, von Tübingern liebevoll »der lange Hans« genannt, war der Inhaber der ehemaligen Kolonialwarenhandlung und Medizinaldrogerie Müller & Co in der Kirchgasse 10, unweit von der Stiftskirche gelegen.

Der gebürtige Tübinger gehörte in seiner Jugend mit den Architekten Wolfgang Oed und Heinrich Niemeyer zu dem Freundeskreis um den schwäbischen Dichter und ehemaligen Tagblatt-Redakteur Fritz Holder. Niemeyer baute für Herb und seine Familie 1959-1963 in der unteren Neckarhalde eines seiner ersten, ungewöhnlichen Häuser. 1972 erfolgte der Aufbau eines Dachgeschosses, 2009-11 – einige Monate nach dem Tode Hans Herbs – dann am denkmalgeschützten Wohnhaus die umfangreiche Sanierung des Daches, sowie die Kernsannierung des Gartengeschosses.

Die im Jahre 1878 von Otto Kappis gegründete Drogerie in der damals so benannten Neckarstraße 22 (heute Neckargasse), Ecke Clinicumsgasse wurde um 1900 von Jakob Müller (1862–1922), genannt Kappis-Müller, erworben. 1900 wurde ihm vom Württembergischen Hof der Titel eines Königlichen Hoflieferanten verliehen.

Im Jahre 1922 übernahm der aus einer Rottweiler Fabrikantenfamilie (Nudelfabrik Bannhäuser & Herb) stammende und studierte Chemiker Eugen Roman Herb (18881963) - der die Stieftochter Jakob Müllers, Helena Bertha Katharina Herb, geb. Schulden (1900–1990) heiratete – die inzwischen renommierte Drogerie am sogenannten Kappiseck. Der Firmenname änderte sich sodann in »Drogerie Müller & Co«, Inhaber: Eugen Herb.
Aus der Ehe stammen drei Söhne. 1931 kam der jüngste Sohn Hans Werner Herb zur Welt, der ab 1954 bei seinem Vater Eugen in die Lehre zum Drogisten ging. Bis zu seinem Tod 1963 führte Eugen Herb die Geschäfte der Drogerie in der Neckargasse 22. Bereits zu seinen Lebzeiten übergab er seinem jüngsten Sohn Hans das Neckargrundstück Neckarhalde 43, das er selbst bis dahin zur Erholung und botanischen Studien nutzte (mit prachtvollen, seltenen Rosenzuchten). Das großzügige Gartengrundstück direkt am Neckar gelegen wurde nun Bauplatz für das 1961 vom Tübinger Architekten H. Niemeyer entworfene Wohnhaus.

1963/64, nach dem Tode des Firmeninhabers der Drogerie Müller& Co, Eugen Herb, und der darauf erbrechtlichen Anteilsabwicklung des Geschäftshauses Neckargasse 22 (Gründungsort der Drogerie durch Otto Kappis) musste ein neues Geschäftshaus für die Drogerie gefunden und erworben werden. Hans Herb als Firmennachfolger, und von seiner Mutter Helene Herb zu ihrer Lebenszeit als Erbe der Drogerie bestimmt, zog dann samt historischem Inventar des Gründungsjahres 1878 (bestehend aus Apothekermöbeln, Glasvitrinen, Originalbehältnissen aus Glas, Keramik und Holz) in das dann neu erworbene Geschäftshaus in die Kirchgasse 10. 1965 wurde die Außenfassade des Erdgeschosses der Kirchgasse 10 vom Architekten Heinrich Niemeyer baulich so umgestaltet, dass in einem Dreieck unter die ursprüngliche Fassade zurückversetzt ein Unterstand vor der Schaufensterfläche im Eingangsbereich geschaffen wurde (s. Jubiläumsfoto 2003). Dieser Unterstand wurde ab 1983 an Händler verpachtet, die ihre Waren ab überdachter Verkaufsfläche direkt vor der Drogerie anboten. Im EG links, in einer vier Quadratmetern kleinen Ladenfläche, firmierten zudem diverse Imbiss-Anbieter – zuletzt Murat Dogans Döner-Imbiss.
Die kontinuierlichen Einnahmen aus Wohnungsvermietungen und Verpachtung des Imbissstandes des Geschäftshauses Kirchgasse 10 sicherten den Lebensunterhalt des Drogisten Hans Herb – und nur darum konnte diese traditionsreiche, urtümliche Drogerie als Ladengeschäft: trotz der großen Umsatzeinbußen von ihm bis 2009 aufrechterhalten werden. Wegen der teils ausladenden Verkaufsstände vor der eigentlichen Schaufensterfläche zur Kirchgasse 10 war die Drogerie als solche tagsüber kaum mehr einsehbar (siehe Bildergalerie unten), und war als Einkaufsort für traditionelle Drogerieartikel nur noch wenigen zahlungsbereiten Stammkunden bekannt.
Die letzten drei Jahrzehnte der Drogerie Müller & Co, bis zu ihrer Schließung 2009 von Hans Herb selbst so benannt: ein "Gruschtladen mit Museumsreife", war überfüllt mit Fläschchen, Dosen, Pülverchen, Essenzen und Chemikalien. Hans Herb war ebenso ein Original, der alles fand und offenbar auch alles hatte (siehe Weblinks und Bildergalerie). Sie, eine »Tante-Emma-Drogerie« mitten in der Tübinger Altstadt wurde in Fortführung von ihm selbst eher als ideelle Tätigkeit empfunden, denn bereits ab 1982 schrieb die Drogerie rein rechnerisch Verlust. Einzig der alljährliche Verkauf von Feuerwerkskörpern zum Jahreswechsel verschönerte die negativen Jahresbilanzen. Wobei das individuelle Sortiment, das Hans Herb dann mit umfangreicher Beratung zu Knall- und Leuchteffekten, detaillierten Beschreibungen der Leuchtbouquets, sowie auch praktischen Anweisungen zu sicherer Handhabung meist verschmitzt über die Ladentheke reichte: war ein Fest für jeden Feuerwerkliebhaber! Das Ladengeschäft unweit des Holzmarkts blieb stets auch ein Ort menschlicher Begegnungen und Treffpunkt für Gespräche mit dem Drogisten, Menschenfreund und Weltenbummler Hans Herb.

Seit 1872 bestand die Drogerie als Geschäftsform. Auch dem Drogisten – wie schon dem Apotheker – wurde laut kaiserlicher Verordnung vom 15. März 1872 gestattet mit Gift- und Heilkräutern zu handeln. Ab den 1960er Jahren wich die Drogerie mehr und mehr dem Geschäftsmodell Drogeriemarkt. Das vielfältige Wissen des Drogisten in der Drogen- und Kräuterkunde, der Botanik, sowie das fundierte chemische Wissen, die Kenntnisse der Alchemie – allesamt Grundlagen dieses ehemals anspruchsvollen Ausbildungsberufes – verschwanden bis heute vollständig.

Hans Herb war Friedensaktivist und Mitbegründer der Tübinger Grünen. 1979 wurde er in die bundesweit erste, fünfköpfige grüne Kreistagsfraktion gewählt. Zehn Jahre gehörte er dem Gremium an. 2003 war das 125-jährige Gründungsjubiläum der Drogerie Müller & Co.

Aus dem Tübinger Stadtbild war Hans Herb, zwischen den prallgefüllten Regalen in seinem Laden sitzend, nicht wegzudenken – und täglich dort bis kurz vor seinem Tod anzutreffen. Er verstarb im Februar 2009 mit 77 Jahren an den Folgen seines Herzleidens – kurz nach seinem Bruder Helmut Herb (1927–2008) – der bis 2004 als Drogistengehilfe mit ihm zusammen in einer der letzten und ältesten, traditionellen Drogerien Deutschlands präsent war.

Text und Recherche: Helene Herb

Der Kabarettist Hans Herb[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans Herb als K. Valentin verkleidet (1956)
Hans Herb mit einer Schauspielkollegin (1958/59)

Als Mitglied des Ensembles "Kabarett der Jugend" stand Hans Herb in Tübingen und Umgebung mit 7 weiteren Mimen auf diversen Bühnen. Eine Radioaufzeichnung des SDR in Mitschnitt einer dieser Kabarett-Aufführungen im Jahre 1957, belegt dies. Damals gab das "Kabarett der Jugend" vor über 6500 Zuschauern in Stuttgart Texte von Kurt Tucholsky zum Besten. Auch eigens verfasste Texte von Ensemblemitgliedern (u.a. Fritz Holder) zu damals hochpolitischen Themen wie z. B. der "Wiederbewaffnung" unter Konrad Adenauer, Fahnenweihe, reaktionäre Studenten-Verbindungen, wurden von den jungen Kabarettisten in frischer und provokanter Formulierung dem dortigen Publikum präsentiert. Als Reaktion auf die Ausstrahlung dieser Radioaufzeichnung vom SDR (heute SWR), klagten einige Verbindungsstudenten aus Bonn, und prozessierten sogar gegen eine weitere Ausstrahlung. Der SFB (Sender Freies Berlin) strahlte diese inhaltlich kontrovers wahrgenommene Radioaufzeichnung dennoch ein weiteres Mal aus.


Text und Recherche: Helene Herb

Dokumentation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2004 produzierte das SWR-Fernsehen unter dem Titel »Seife, Puder, Mäusetod: Die Geschichte der Drogerie Müller & Co« eine Dokumentation über Hans Herb und seinen Laden.

Abschied vom langen Hans und seiner Drogerie Müller & Co[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 16. September 2009 gab es in der Drogerie Müller & Co eine Gedenkfeier für Hans Herb mit Gedichten, Geschichten und Musik.

Mitwirkende

Presseartikel: Boot vorm Kamin getrocknet, Schwäbisches Tagblatt (18. September 2009)


Ein Rückblick auf seinen Freund Hans von Helmut Gallus (dem ehemaligen Inhaber des Schallplattenladens Opus 1) Februar 2009: "...auch wenn er meist gegen den Strom schwamm, so grüßte er die ihm entgegen kommenden Menschen dabei stets freundlich."


Bildergalerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelhinweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Recherche und Text zur Geschichte: Helene Herb, Klaus Robert Herb
Fotos Bildergalerie: Helene Herb und privat

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]