Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus
Die Geschehnisse in Tübingen während der Zeit des Nationalsozialismus werden auf verschiedene Weise aufgearbeitet:
- kritisch, symbolisch, bildhaft, texthaft
- in Büchern, Ausstellungen, Vorträgen, Veranstaltungen, Denkmälern, Straßen- und Platzbenennungen
und anderem.
Veranstaltungsreihe 2009/10[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- 2009-10 fand eine Vortragsreihe: Vom braunen Hemd zur weißen Weste? Vom Umgang mit der Vergangenheit in Tübingen nach 1945 statt (8 Abend-Termine), die anschließend in Buchform erschien.[1] Angeregt wurde die Veranstaltung vom Arbeitskreis Moderne Tübinger Stadtgeschichte und der Geschichtswerkstatt[2], die viele weitere Veranstaltungen organisiert.
Veranstaltungsreihe 2015 zur Universität im Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Universität bot 2015 eine Reihe von Veranstaltungen zu diesem Thema. Zum Beispiel liefen die beiden Ausstellungen „In Fleischhackers Händen“ und „Forschung, Lehre, Unrecht“ parallel im Museum der Universität und begleiteten die Vorlesungen des Studium Generale. Die Ausstellung zum Anthropologen Hans Fleischhacker lief bis 28. Juni 2015, die Jahresausstellung zur Universität im Nationalsozialismus bis 13. September 2015.[3]
Der 'augenlose Hitlerkäfer' Anophtalmus hitleri, 1937 im MUT
Stuhl der Tübinger Stuhlfabrik Schäfer mit NS-Seriennummer
Sammelband zur Universität Tübingen im Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Unter dem Titel „Universität Tübingen im Nationalsozialismus“ ist im Juli 2010 ein umfangreicher Sammelband mit neuen Detailstudien über Täter, Opfer, geistige Drahtzieher und Mitläufer auf 1136 Seiten erschienen. Er gibt den gegenwärtigen Forschungsstand zum Thema wieder und enthält zahlreiche neue Details und neue Perspektiven zur Geschichte der Universität während der nationalsozialistischen Diktatur. Der Band umfasst Studien zum Alltag an der Universität, zu Verbrechen und zu Personen, zu einschlägigen Themen des Nationalsozialismus sowie Studien der Aufarbeitung dieser Zeit nach 1945.[4] [5]
Weitere Ausstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- "Nie wieder schweigen", Dauerausstellung im Kellergewölbe der TOS-Gemeinde, Marktplatz. Die Ausstellung befasst sich mit der Rolle Tübingens im Nationalsozialismus und dessen Auswirkung auf Europa sowie mit der Geschichte der Juden in Tübingen. Weiter erzählt sie von der Versöhnungsarbeit durch den "Marsch des Lebens", bei dem Nachfahren der Täter ihr Schweigen brechen.
- "Was damals Recht war... - Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht", Wanderausstellung cim Landratsamt, mit Begleitprogramm (PDF), Frühjahr 2017
- "Jugend im Gleichschritt? Die Hitlerjugend zwischen Anspruch und Wirklichkeit", Wanderausstellung im Landratsamt, 17.1.-22.3.2018, ergänzt durch eine Fotodokumentation des Stadtarchivs zur Hitlerjugend in Tübingen im Rathaus (PDF)
- "Kurt Gerstein - Widerstand in SS-Uniform?", Wanderausstellung mit Ergänzungen zu Gersteins Tübinger Bezügen, 8.11.2019 - 12.2.2020 in der Glashalle des Landratsamts, mit Führungen durch Jugendguides
- "Entgrenzte Anatomie. Eine Tübinger Wissenschaft im Nationalsozialismus", 17.04. - 30.09.2023 in der Alten Anatomie, mit Begleitprogramm
Benennungen (Straßen, Plätze, Kirche)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- 1945: Geschwister-Scholl-Platz (studentische Widerstandskämpfer, 1943 in München hingerichtet)
- 1976: Eugen-Bolz-Straße in Bühl (Rottenburger Zentrumspolitiker, württembergischer Staatspräsident, Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, 1945 in Berlin hingerichtet)
- 1985: Dietrich-Bonhoeffer-Kirche (Theologe, 1923-24 Student in Tübingen, Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet)
- 1992: Jakob-van-Hoddis-Staffel (Schriftsteller, 1922-27 in Tübingen, 1942 im KZ ermordet)
- 1995: Moltkestraße (Umwidmung von dem Feldmarschall des 19. Jahrhunderts auf den gleichnamigen Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime, 1945 in Berlin hingerichtet)
- 1996: Ruth-Marx-Straße (jüngstes Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Tübingen)
- 1996: Lilli-Zapf-Straße (Autorin des ersten Buches zur Geschichte der Tübinger Juden)
- 1996: Gölzstraße (Hildegard und Richard Gölz, Wankheimer Pfarrersleute, die Juden Schutz und Asyl vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten gewährten.)
- 1998: Synagogenplatz
- 2002: Paul-Schneider-Straße (Pfarrer der "Bekennenden Kirche", 1939 im KZ Buchenwald ermordet)
- 2008: Platz des unbekannten Deserteurs
- 2009: Simon-Hayum-Straße (Rechtsanwalt und Politiker, 1939 emigriert)
- 2017: Hanna-Bernheim-Straße, Josef-Wochenmark-Weg und Max-Löwenstein-Weg
Viele Straßennamen, die im Zusammenhang mit der Nazi-Zeit standen, wurden gleich nach 1945 geändert. Andere Umbenennungen erfolgten etwa ab den 1990er Jahren. Siehe auch Umbenannte Straßen und Plätze.
Aberkannte Ehrenbürgerschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
2013 wurden die Ehrenbürgerschaften von Theodor Haering (Universitätsprofessor), Adolf Scheef (Oberbürgermeister) und Reichspräsident Paul von Hindenburg aberkannt. 2018 erfolgte dies auch bei Hans Gmelin (Oberbürgermeister).
Stolpersteine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Mit Stolpersteinen erinnert der Künstler Gunter Demnig in vielen Städten an das Schicksal der Menschen, die im Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden:[6]
Weiteres[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Seit Anfang der 1990er Jahre werden regelmäßig Gedenkveranstaltungen zur "Reichspogromnacht" am 9. November bei der ehemaligen Synagoge veranstaltet.
2016 richtete die Geschichtswerkstatt e.V. den Geschichtspfad zum Nationalsozialismus[7] mit 16 Stationen in Text und Bild ein. Die Stadt bietet einen "Stadtrundgang zu den Spuren jüdischen Lebens".[8]
In einem Online-Projekt, das mit Beteiligung der Geschichtswerkstatt entwickelt wurde, werden Biographien von Akteuren und Akteurinnen der NS-Zeit in Tübingen vorgestellt. Onlineportal NS-Akteure in Tübingen
Stimmen zur NS-Zeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die große Chance eines Stadtwikis ist es, für die Nachwelt Stimmen online zu bewahren. Wenn Sie z.B. als Zeitzeuge ihren Erfahrungsbericht - z.B. mit der NS-Zeit - jüngeren Tübingern hinterlassen wollen, können Sie das hier machen. Auch ohne Namen, mit anonymisierten Angaben wie z.B. (Tübinger, geboren 1924, Verwaltungsangestellter, wohnte in Tübingen von ... bis ...., Nordstadt)
Weitere Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Ausstellungsprojekt Nationalsozialismus in Tübingen - vorbei und vergessen, Hrsg.: Benigna Schönhagen, Tübingen: Stadtmuseum, 1994
- Benigna Schönhagen: Nationalsozialismus in Tübingen - vorbei und vergessen, Univ.-Stadt Tübingen, Kulturamt, 1992
- Benigna Schönhagen: Tübingen unterm Hakenkreuz, Stuttgart: Theiss, 1991
- Benigna Schönhagen: Das Gräberfeld X [auf dem Tübinger Stadtfriedhof], Tübingen: Kulturamt, 1987
- Uwe-Dietrich Adam, Wilfried Setzler: Hochschule und Nationalsozialismus. Die Universität Tübingen im Dritten Reich. Tübingen: Mohr Siebeck, 1984
- Wilhelm Triebold: Gedenken: Die größten Stolpersteine sind im Rathaus. Eine Tübinger Initiative möchte in der Innenstadt an die vertriebenen und ermordeten Juden erinnern. Tagblatt vom 19. August 2017.
Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Hans-Otto Binder, Martin Ulmer, Daniela Röck, Uta Rathe (Hrsg.): Vom braunen Hemd zur weißen Weste? Vom Umgang mit der Vergangenheit in Tübingen nach 1945, Universitätsstadt Tübingen, 2011
- ↑ geschichtswerkstatt-tuebingen.de
- ↑ Reinrassiges Studium, Ausstellung zur Universität im Nationalsozialismus auf Schloss Hohentübingen, tagblatt.de, 22. Mai 2015
- ↑ Arbeitskreis "Universität Tübingen im Nationalsozialismus"
- ↑ Urban Wiesing, Klaus-Rainer Brintzinger, Bernd Grün, Horst Junginger, Susanne Michl (Herausgeber): Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus. Franz Steiner Verlag, 2010 (Contubernium – Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 73). 1136 S. € 99, ISBN 978-3-515-09706-2. - Der Franz Steiner Verlag dazu
- ↑ Peter Steinle: 26 Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus in Tübingens Südstadt. Gunter Demnigs Kunst gilt als weltgrößtes dezentrales Mahnmal. Pressemitteilung der Evangelischen Landeskirche Württemberg vom 25. November 2011.
- ↑ Geschichtspfad zum Nationalsozialismus, mit Link zum Flyer
- ↑ tuebingen.de/19.html
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Das späte Ende der Verdrängung in: Reutlinger General-Anzeiger, 23.10.2009
- Die Nazis und Netzwerker in: Schwäbisches Tagblatt, 21.10.2009
- Unis in der NS-Zeit - Bei der antisemitischen Hetze ganz vorn, spiegel-online.de, 19.1.2006
- Doch nicht alle im Gleichschritt, zur Ausstellung Hitlerjugend, tagblatt.de 18.1.2018
- Internet-Projekt der Geschichtswerkstatt zur Dokumentation von Lebensläufen Tübinger NS-Akteure