Im 18. Jahr des Bestehens lädt das Stadtwiki Tüpedia zum Kennenlernen & Mitmachen ein, Übersicht und Infos >hier<.

Zimmertheater Tübingen

Aus TUEpedia
Wechseln zu:Navigation, Suche



Zimmertheater
Zimmertheater-tuebingen-2019.jpg
Theater
AdresseBursagasse 16
72070 Tübingen
Telefon07071.9273-33
Webhttps://www.zimmertheater-tuebingen.de/
BetreiberZimmertheater Tübingen GmbH

Das Zimmertheater Tübingen liegt an der berühmten malerischen Neckarfront, nur wenige Meter vom Hölderlinturm entfernt, in der Bursagasse 16. 1958 fand hier die freie Theatergruppe Thespiskarren eine feste Bühne. Nachdem das Theater zunächst als eingetragener Verein existierte, wurde es in den 70er Jahren in eine GmbH umgewandelt. Hauptgesellschafter ist die Stadt Tübingen.

Gespielt wird in zwei Räumen, dem Gewölbe mit maximal 80 Plätzen und dem Zimmer mit ungefähr 60 Plätzen. Auch das Foyer wurde immer wieder für Lesungen und kleine Konzerte genutzt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lesung im Zimmertheater
Der winzige Zuschauerraum
Szenische Lesung zum 100. Todestag von Alois Alzheimer im Alzheimer-Auditorium am 9.12.2015

Die Anfänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit John Osbornes Blick zurück im Zorn wurde am 6. Dezember 1958 zum ersten Mal das Zimmer bespielt - und damit das Zimmertheater als Zimmertheater "der thespiskarren" eröffnet. "Steile Treppen führen vom Foyer zum Theaterraum im Untergeschoss", schrieb das Schwäbische Tagblatt, "Kein Vorhang, nur Zentimeter trennen die erste Reihe des Zuschauerraums von der Rampe." Die Inszenierung des ersten Zimmertheater-Intendanten Heinz E. Johst galt der Presse damals als theatralischer Paukenschlag - endlich hatte sich auch im süddeutschen Raum ein Theater an die neue englische Dramatik gewagt.

Erinnerung an die Anfänge 2025[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine der drei Gründungsfiguren, Tom Witkowski, kam im Herbst 2025 zum Amtsantritt des neuen Intendanten Thomas Bockelmann und erinnerte sich in einem Tagblatt-Gespräch an die Phase, als sich das mobile Theater Thespiskarren eine fest Location suchte.


[...] Mit dem Thespiskarren gastierten sie auch in Sigmaringen und diversen anderen Orten, auch in Stuttgart, „da spielten wir Ionescos ‚Opfer der Pfllicht‘. Das war so erfolgreich, dass Herterich (der Intendant des Tübinger, damals noch im Museum beheimateten, späteren Landestheaters), uns nicht im Museum spielen ließ.“

Die Angst war nicht unbegründet. Der Thespiskarren spielte damals Avantgarde, von und für junge Leute, im Gegensatz zum bürgerlichen Theater im Museum. Der Theaterkarren suchte nun aber seinerseits nach einer Bleibe und fand sie in der Bursagasse, wo Apotheker Trapp gerade mit seinem Labor auszog. An drei junge Burschen Anfang 20 mit einem Theatertraum wollte der aber nicht vermieten. „Sie wället also Theaterles doo. Jaa, sooo, aha! Ond wer zahlt no dr Mitzens?“ Sie seien ja nicht nur drei, es gäbe sehr viele Freunde und begüterte Förderer, meinten die jungen Theatermacher und boten die Gründung eines Fördervereins an, der rechtlich als Mieter fungieren könnte. Darauf ließ Trapp sich sein.

„Jetzt war das aber noch kein Theater. Das war nur ein Raum mit zwei Säulen drin, eine haben wir ausgebaut und stattdessen einen T-Träger eingebaut.“ Zu zehnt wurde der am Neckar entlanggeschleppt und dann hoch hochgehievt, eine Mauer ausgespannt, dann der Träger eingefügt, justiert, zementiert, alles mit Muskelkraft.

„Wir hatten schon einen Statiker“, beruhigt Witkowski, als er die vermutlich leicht besorgten Augen seines Gegenübers sieht. „Aber sonst haben wir alles selbst gemacht, Kasse, Kohle schaufeln für die Heizung, alles. Ich kannte mich mit Elektrik aus und habe die Scheinwerfer gebastelt, das waren alte Marmeladengläser, mit zwei Keramikstutzen, an denen wurde das Licht rauf und runter geschoben.“

Die Baronin Irmela von Hoyingen-Huene besorgte zwei alte Sessel, die kamen in die Loge – damals gab es noch eine kleine Loge. Aber außer diesen Sesseln noch keine Stühle. „Da schrieb das Tagblatt, wer Stühle hätte, bekäme eine Freikarte.“ 60 Mal ausverkauft

„John Osbornes ‚Blick zurück im Zorn war nach der Premiere sechzig Mal ausverkauft! Und ja noch kein Klassiker, sondern damals brandaktuell“, sagt Witkowski. Inzwischen hatten sie einige Schauspieler und Schauspielerinnen. Die Dolly, erinnert sich Witkowski, den Fred, die Gerda. Jetzt beginnt eine wilde Episode, und wir wollen nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass der Erzähler natürlich befangen ist. Es war, seinem Bericht nach, so:

Der Tübinger Bauunternehmer Kemmler hatte dem jungen Theater fürs Bühnenbild eines Garcia Lorca-Stücks was ganz bezaubernd Schmiedeeisernes gebaut und gestiftet. Als Dank boten sie ihm an, sie würden ihn in der nächsten Vollversammlung zum Vorsitzenden des neu gegründeten Fördervereins wählen. So kam es auch. Doch dann muss es irgendein Zerwürfnis gegeben haben oder eine schleichende Entfremdung. Vielleicht hatte sie damit zu tun, dass Gerda sich in Kemmler verliebte. Vielleicht auch damit, dass die drei jungen Zimmertheaterpioniere etliche Schulden aufhäuften und einer die Reißleine ziehen wollte. Darauf gibt es zumindest in Bernd Mahls Zimmertheaterchronik Hinweise.

Nicht in Witkowskis Erzählung. Da geht während der Proben zu Genets Zofen die Türe auf, Kemmler kommt mit einem befreundeten Juristen herein und verkündet praktisch aus heiterem Himmel, er sei der vertragliche Mieter und erteile ihnen jetzt Hausverbot. Kemmler, so Witkowski, hatte auch schon eine neue Intendantin in petto. Und zwar Gerda. „Die fuhr plötzlich einen wunderschönen VW-Käfer und wohnte herrschaftlich in Bebenhausen“.

Die Drei probten einfach weiter. „Als wir nach einer Kaffeepause zum Theater zurückkamen, war die Türe mit einem Band amtlich versiegelt.“ Sie probten im späteren Jazzkeller weiter. Und klagten vor Gericht. Die Sache zog sich hin. Das Gericht stand ihnen schließlich das Recht auf den Namen Thespiskarren zu. Mehr aber nicht. „Wir waren so wütend.“ Heinz E. Johst stieg ins Theater ein, schlug alles kurz und klein und wurde zu einem Monat Gefängnis verknackt. [...]

Jetzt, 67 Jahre nach der Gründung, kommt er zum Amtsantritt Thomas Bockelmanns. Alte Liebe eben. Aufregung, Schiffbruch inbegriffen, in gewisser Weise eine Vollkatastrophe. Aber, wie heißt es bei Brecht: „Das Chaos ist aufgebraucht. Es war die beste Zeit.“


die 1960er[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1960 bis 1967 leiteten sieben verschiedene Persönlichkeiten das Zimmertheater, manchmal nur für wenige Wochen, ehe es dann mit Salvatore Poddine zu einer seiner bislang blühendsten Phase fand. Poddine begann seine Laufbahn als Solotänzer in Crankos Stuttgarter Ballett, ehe er als Pantomime in Tübingen auftrat - ab Oktober 1967 war er dann Intendant des Zimmertheaters. Seine größten Erfolge feierte Poddine in Tübingen mit drei zeitgenössischen Inszenierungen - von Peter Weiss' Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats..., Peter Handkes Das Mündel will Vormund sein sowie Michel de Ghelderodes Ballade vom Großen Makabren. Der Erfolg reichte weit über die Grenzen Tübingens hinaus - und Poddine gastierte mit seinem Ensemble in ganz Europa. 1971 wurde mit Die Ballade vom großen Makabren das Gewölbe als zweite Bühne eröffnet. Zwischenzeitlich gab es auch eine weitere Spielstätte in der Bursagasse 2. Der erfolgreichste Intendant des Zimmertheaters hatte allerdings den tragischsten aller Abgänge - er nahm sich im Kellergewölbe der Bursagasse 2 das Leben. Übergangsweise leitete daraufhin George Tabori, der hier gerade die Uraufführung seiner Clowns inszenierte, das Zimmertheater.

die 1970-1990er Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weitere europäische Erfolge erlebte das Theater am Neckar unter dem Intendanten Helfrid Foron, der das Haus von 1972 bis 1979 leitete. In der Spielzeit 1977/78 gastierte das Zimmertheater mit Dario Fos Farce "Nicht alle Diebe kommen zu Schaden" weit verstreut in Europa: u. a. in Stuttgart, Berlin, Paris, Zürich, Liechtenstein, Liège, Malmö, Stockholm, Göteborg, Oslo, Bergen, Helsinki und Kopenhagen.

Auch Siegfried Bühr, Hartmut Wickert, Thomas Bockelmann und Crescentia Dünßer / Otto Kukla konnten sowohl in Tübingen als auch jenseits der Stadtgrenzen an diese Erfolge anknüpfen. Arbeiteten all diese Intendanten mit einem festen Ensemble, sollte sich dies 1998 ändern.

Ende der 1990er Jahre - Abkehr vom festen Ensemble[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter dem Intendanten Klaus Metzger (1996-2002) und der Intendantin Vera Sturm (2002-2007) konnte man indes ebenso etablierte wie renommierte Theaterschaffende am Zimmertheater hören und sehen. Zu Lesungen, Soloabenden und Inszenierungen kamen Theatergrößen wie Peter Stein, Bruno Ganz, Edith Clever, Therese Affolter, Walter Schmidinger, Angela Winkler, Hermann Beil oder Verena Buss.

Diese Abkehr vom festen Ensemble zu einem Spielplan der oft mit Stars der deutschsprachigen Theaterszene gespickt wurde, sowie die enge Verquickung mit der damaligen Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer war von den Tübingern zwiespältig beobachtet worden. Das mehrmals angekündigte "Europäische Sommertheater-Festival" musste immer wieder wegen Finanzproblemen abgesagt werden und das traditionsreiche Tübinger Sommertheater musste unter Federführung des Zimmertheaters in den Jahren 2002/03 im hartnäckig anvisierten Schlosshof entfallen. Erst 2004 konnte der von Sturm umbenannte "1.Tübinger Theatersommer" unter besonderen Auflagen zum Schutz der im Schlosskeller beheimateten Fledermauspopulation stattfinden.

Die Intendanten Axel Krauße (2007-2018) und Christian Schäfer (2007-2013)[1] knüpften allerdings wieder an alte Traditionen an: sie starteten 2007 unter dem Spielzeitmotto "an die Arbeit" mit einem festen, jungen Ensemble und einem haupsächlich aus Ur- und Erstaufführungen bestehenden Spielplan. 2009 verursachte der schlechte Kartenverkauf der Sommertheaterproduktion des Zimmertheaters eine dringende finanzielle Unterstützung durch die Stadt Tübingen um die drohende Insolvenz abzuwenden.(siehe Weblinks) 2009 war das Zimmertheater erstmals bei den Ruhrfestspielen vertreten - mit Werner Fritschs "Bring mir den Kopf von Kurt Cobain". 2010 erneut mit der deutschsprachigen Erstaufführung "Zastrozzi" von dem kanadischen Dramatiker George F. Walker und mit der Uraufführung "Die Lieb-Haberin" von Zimmertheater-Hausautor Joachim Zelter.[2]

Aufführung "WTF 1770 Hölderlin Beethoven" im Löwen, 2021.

Institut für theatrale Zukunftsforschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 2018 bis 2025 operierte das Tübinger Zimmertheater als "Institut für theatrale Zukunftsforschung (ITZ)" mit den Intendanten Dieter und Peer Mia Ripberger. Das Zimmertheater ist als Mitglied in der Stadttheatergruppe des Deutschen Bühnenvereins das kleinste Stadttheater Deutschlands.

Mit der europaweiten Freien Szene, in Residenzen und mit dem eigenen Ensemble werden gesellschaftspolitisch dringliche Diskurse als Stückentwicklungen am Puls der Zeit ästhetisiert. Das ITZ möchte die gesellschaftliche Zukunft mit den Mitteln des Theaters erforschen und ambitionierte, zeitgenössische Ästhetiken entwickeln und kultivieren, um zu gesellschaftlichen Entwicklungen beizutragen.

In Kooperationen mit der Universität , der Stadt Tübingen und unter Einbezug der Bevölkerung entstanden so zwischen Herbst 2018 und Herbst 2022 bereits über 35 Uraufführungen, die als Stücktexte im Eigenverlag erschienen sind. Über 15 Symposien zum Probenauftakt und über 150 diskursive Veranstaltungen belegen den Ansatz eines diskurs- und gesprächsfreudigen Theaters.

Ein Spielbetrieb im semi-stagione Rhythmus bietet Programm von Mittwoch-Samstag auf insgesamt drei Bühnen: zwei davon im Stammhaus in der Bursagasse mit wunderschöner Neckarterrasse und Theaterbar, die dritte Bühne im ehemaligen Kino Löwen. Eingeweiht nach umfassender Sanierung im Oktober 2020, ist der Löwen mittlerweile das „Große Haus“ des Zimmertheaters mit einer modernen Blackbox-Bühne.

2025 gibt es wieder einen größeren Wechsel in der Leitung des Theaters (gerne ergänzen & ausführen).

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tübinger Sommertheater

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]