Wirtschaft zum Hanskarle: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Bild:Lustnauer_Tor_mit_dem_Blick_aufs_Gerichtsgeb%C3%A4ude_H_Sting_1919_(TPk031).jpg|mini|Restaurant Hanskarle, rechts im Bild]]  
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[[Bild:Restaurant Hanskarle in Tübingen.jpg|thumb|mini|Wirtschaft zum Hanskarle, Foto 1919]]  
[[File:Albrecht - Feuerwehrübung im alten Dekanat am 8.7.1899 (TüBl02-15).jpg|thumb|Auf diesem Foto von 1899 ist links das erste "Hanskarle" nur teilweise sichtbar]]
[[File:Restaurant Hanskarle (AK Gebr. Metz ca 1906 TPk198).jpg|thumb|Restaurant Hanskarle, Zeichnung Gebr. Metz ca. 1905. Der Hausteil links vom linken Seitengiebel besteht heute nicht mehr.]]  
[[File:Lustnauer Tor mit dem Blick aufs Gerichtsgebäude H Sting 1919 (TPk031).jpg|mini|Restaurant Hanskarle, rechts im Bild, vor 1919]]
[[Bild:T%C3%BCbingen._Wilhelmstra%C3%9Fe_(AK_H_Sting_1908_TPk085).jpg|mini|Foto des Hanskarle, rechts im Bild angeschnitten]]  
[[File:Restaurant Hanskarle (AK Gebr. Metz ca 1906 TPk198).jpg|thumb|Restaurant Hanskarle. Karte verlegt von Gebr. Metz zur Neueröffnung 1906. Die Zeichnung orientiert sich nach dem Plan, von dem sich die Ausführung in manchen Details unterschied. Der Hausteil links vom linken Seitengiebel besteht heute nicht mehr.]]
[[File:Tübingen. Wilhelmstraße (AK H Sting 1908 TPk085).jpg|mini|''Wilhelmstraße'', Hanskarle rechts im Bild angeschnitten]]
[[File:Tübingen. Restaurant Hanskarle (AK 1787 F Schimpf 1921).jpg|thumb|mini|Restaurant Hanskarle, 1919]]
[[File:Tübingen, Am Lustnauer Tor 3.jpg|mini|Das Gebäude [[Am Lustnauer Tor]] 3 im Jahr 2020]]  
[[File:Tübingen, Am Lustnauer Tor 3.jpg|mini|Das Gebäude [[Am Lustnauer Tor]] 3 im Jahr 2020]]  


Die '''Wirtschaft zum Hanskarle''' befand sich früher im Eckgebäude am [[Lustnauer Tor]] zwischen [[Doblerstraße]] (früher: [[Kaiserstraße]]) und [[Österbergstraße]], in dem heute die [[Kreissparkasse]] ist.
'''Hanskarle''' war der Name von zwei Gaststätten, die sich nacheinander an gleicher Stelle [[Am Lustnauer Tor]] befanden, nämlich links der ''[[Österbergstraße]]''. Das heutige Gebäude ist ein spitzes Eckgebäude zwischen der ''Österbergstraße''  und der ''[[Doblerstraße]]'' (früher: ''[[Kaiserstraße]]''), in dem sich die Hauptfiliale der [[Kreissparkasse]] befindet.


== Das erste „Hanskarle“ ==
Die erste „Wirtschaft zu Hanskarle“ wurde [[1843]] fertiggestellt. Es war ein einfaches zweigeschossiges Gebäude (plus Dachgeschoss), das im rechten Winkel zur ''Österbergstraße'' stand. Die Gastwirtschaft war, wie damals sehr häufig, mit eigener Brauerei verbunden, die sich im rückwärtigen Teil des Gebäudes befand.<ref name=“Zacharias“> Antje Zacharias: ''Wirtshäuser mit regem Zuspruch'' (siehe Literatur).</ref>


Das markante Gebäude mit [[Jugendstil]]einflüssen und eigenwillig-spitzem Fachwerkbiebel ließ [[1904]] der Lustnauer Bierbrauer Louis Heinrich nach Plänen des Tübinger Architekturbüros [[Gustav Stähle|Stähle & Fischer]] errichten, das ebenfalls in den Neubau einzog. Die Wirtschaft bestand schon in einem Vorgängerbau. Sie hatte weichen müssen, damit der Platz am Lustnauer Tor großzügiger gestaltet und der [[Österberg]] besser erschlossen werden konnte.  
Nachdem [[Hermann Haußer]] [[1897]] Oberbürgermeister von Tübingen geworden war, wollte die Stadt viele anstehende Bauangelegenheiten ordnen. Die erste Aufgabe betraf die ''[[Mühlstraße]]'' und den Platz ''Am Lustnauer Tor''. Nachdem durch den Abriss des alten evangelischen Dekanats (1899)  und die darauf folgende Bebauung der Ostseite (bis 1903) die ''Mühlstraße'' zu einer repräsentativen Straße geworden war, wollte man den gleichen Effekt am Lustnauer Tor erreichen. Dabei war der Abriss von „Hanskarle“ unerlässlich. Das vorhandene Gebäude war nicht nur architektonisch einfach und schon alleine aus diesem Grund für die neue Konzeption des Platzes unpassend, sondern inzwischen auch in die Jahre gekommen. Der zweite, mindestens genau so wichtige Grund war der Bau der neuen Zufahrtsstraße auf den [[Österberg]], der ''Kaiserstraße'' (heute ''Doblerstraße'').<ref name=“Zacharias“/> Das Haus stand so, dass es die neue Straße fast versperrte. Die Stadt wünschte sich also, dass das alte „Hanskarle“ durch ein neues Haus ersetzt wird, das einerseits passend zum Straßenverlauf gebaut werden, andererseits auch einen repräsentativen Charakter haben sollte. Da die damaligen Besitzer des „Hanskarle“ betagt und nicht entsprechend bemittelt waren, kamen sie als Bauherren eines neuen Gebäudes nicht in Frage. Der Stadt gelang es aber recht schnell, einen passenden Bauherrn zu finden. Es war der damals expandierende Bierbrauer aus Lustnau, Louis Heinrich. Seine Brauerei war Hoflieferant des Königs von Württemberg und die leistungsstärkste Brauerei im Oberamtsbezirk.<ref name=“Zacharias“/>


Im Erdgeschoss waren sowohl ein Weinlokal als auch eine Bierhalle. Weitere Gasträume gab es im ersten Obergeschoss.
== Das zweite „Hanskarle“ ==
Louis Heinrich beauftragte das Tübinger Architekturbüro Fischer & Stähle,<ref> Außer diesem Bau ist die gemeinsame Tätigkeit von Fischer & Stähle nur bei einem zweiten Gebäude belegt: Haus der [[Landsmannschaft Ulmia Tübingen|Landsmannschaft Ulmia]] (1908). Es handelt sich um [[Gustav Stähle]]. Wer Fischer war, ist nicht sicher – einiges spricht für [[Theodor Fischer]].</ref> Pläne für das neue Gebäude, das sich harmonisch in das bestehende Ensemble – man sollte dabei vor allem an das [[Deutsches Haus|Deutsche Haus]] (1901) und das [[Schimpfhaus]] (1903) denken – einfügen sollte, zu erarbeiten und den Bau zu leiten.<ref name=“Zacharias“/> Nach dem Abbruch des alten „Hanskarle“ wurde der Bau des markanten dreistöckigen Eckgebäudes mit [[Jugendstil]]-Elementen und eigenwillig-spitzem Fachwerkgiebel [[1904]]–[[1906]] durchgeführt, das Architekturbüro Fischer & Stähle zog ebenfalls in den Neubau ein.<ref name=“tagblatt1“> Hans-Joachim Lang: [https://web.archive.org/web/20140826214422/http://www.zeit-zeugnisse.de/Home/index_artikel,-Eine-Zeit-lang-gab-es-in-der-Bank-auch-Bier-_arid,132357.html ''Das Gasthaus „Zum Hanskarle“ wurde schon bald nach dem Neubau zur Zentrale der Sparkasse. Eine Zeit lang gab es in der Bank auch Bier'']. In: „Schwäbisches Tagblatt“, 27. April 2011 (web.archive.org)</ref> 


Schon [[1921]] wurde das Haus an die damalige Oberamtssparkasse verkauft, die es zum Bankgebäude umbaute. Bis [[2006]] hatte die [[Kreissparkasse]] hier ihre Hauptverwaltung, als diese ins [[Sparkassen Carré]] auf den [[Mühlbachäcker]]n umzog. Seitdem ist es die Kunden-Hauptfiliale.  
Das neue Restaurant, zu dem der Eingang direkt von der Ecke führte, hatte den alten Namen „Hanskarle“ erhalten. Louis Heinrich wählte ihn sicherlich um der Tradition willen. Das alte „Hanskarle“ hatte offenbar einen guten Ruf, den es zu wahren galt. Das neue Restaurant verfügte über mehrere Säle. Im Erdgeschoss gab es Tageswirtschaft und Bürgerstube, wo die Gäste „beim gemütlichen Schoppen auch noch das Straßenleben am Wilhelmsplatz übersehen“ konnten. Weitere Gasträume gab es im ersten Obergeschoss und im Keller. „Das Herrenstüble lud zum ‚Plaudern, Spielen und Rauchen‘ ein. Gruppen und Vereine trafen sich in der kleinen Bierhalle oder den beiden überwölbten Wein- und Bierkneipen. Neben Tübinger Bürgern und Studenten verkehrten dort auch gerne auswärtige Besucher“ des [[Landgericht|Gerichts]] (Fertigstellung des Gerichtsgebäudes 1905). Louis Heinrich führte das Restaurant nicht selbst, sondern verpachtete es. Am längsten, 1908–1914, pachtete es Martin Lemmer. Zu seiner Zeit spielte im „Hanskarle“ die erste Damenkapelle in Tübingen.<ref name=“Zacharias“/>


Noch bis in die 1940er Jahre behielt die Sparkasse die Gepflogenheit aus der Anfangszeit im Neubau bei, einmal im Jahr Bier auszuschenken. Auf diese Weise konnte sie die Gasthaus-Lizenz aufrecht erhalten.
== „Hanskarle“ als Sparkasse ==
Nachdem die durch den Ersten Weltkrieg geschwächte Brauerei Heinrich [[1919]] geschlossen worden war, musste das Restaurant verkauft werden. [[1921]] wurde das Gebäude von der „Amtskörperschaft“ für die „Oberamtspflege“ und die [[1854]] gegründete Oberamtssparkasse gekauft, die sich damals in der ''Mühlstraße'' 18 (also in unmittelbaren Nähe) befand. Sie baute es zum Bank- und Bürogebäude um<ref>[https://www.tuebingen.de/Dateien/adressbuch1934.pdf Adressbuch Tübingen für 1934], S. XLI–XLII.</ref>: in der ehemaligen Tageswirtschaft entstand die Schalterhalle. Infolge der Umbenennung der Oberämter in Landkreise [[1934]] wurde die Oberamtssparkasse zu [[Kreissparkasse]], die mit der Vergrößerung des Landkreises Tübingen wuchs und das ganze Gebäude einnahm. Sie hatte hier bis [[2006]] ihre Hauptverwaltung. Seitdem diese ins [[Sparkassen Carré]] auf den [[Mühlbachäcker]]n umgezogen ist, befindet sich hier die Kunden-Hauptfiliale.<ref name=“tagblatt1“/>


Die Fassade des vielfach veränderten Gebäudes erfuhr bei der Sanierung [[1988]] eine Wiederannäherung an den ursprünglichen Zustand. [[2014]]-[[2017|17]] wurde das Gebäude für 17,5 Mio. € nochmals stark umgestaltet, wobei der Altbau erhalten blieb und die aluverkleideten Anbauten ersetzt wurden.  
Noch bis in die 1940er Jahre behielt die Sparkasse die Gepflogenheit aus der Anfangszeit im Neubau bei, einmal im Jahr Bier auszuschenken. Auf diese Weise konnte sie die Gasthaus-Lizenz aufrecht erhalten.<ref name=“tagblatt1“/>


Die Fassade des vielfach veränderten Gebäudes – zum Beispiel war eine Zeitlang das Fachwerk verputzt – erfuhr bei der Sanierung von [[1988]] eine Wiederannäherung an den ursprünglichen Zustand.<ref name=“tagblatt1“/> [[2014]]–[[2017]] wurde das Gebäude für 17,5 Mio. € nochmals stark umgebaut, wobei der Altbau erhalten blieb, aber im Inneren völlig neu gestaltet wurde und die mit Aluminium verkleideten Seitenflügel komplett ersetzt wurden.<ref> [http://www.tagblatt.de/Nachrichten/Vom-Gasthaus-zum-Geldhaus-63727.html ''Vom Gasthaus zum Geldhaus'']. In: „Schwäbisches Tagblatt“, 2014 (nicht mehr online).</ref>


== Einzelnachweise ==
<references/>


==Quellen==  
== Literatur ==
*[http://www.tagblatt.de/Nachrichten/Eine-Zeit-lang-gab-es-in-der-Bank-auch-Bier--231397.html Zeit-Zeugnisse.de: ''Eine Zeit lang gab es in der Bank auch Bier''], tagblatt.de, 2011
* Antje Zacharias: ''Wirtshäuser mit regem Zuspruch''. In: ''…und grüßen Sie mir die Welt! Tübingen – eine Universitätsstadt auf alten Postkarten'', hrsg. von Udo Rauch und Antje Zacharias, Tübingen : Stadtmuseum 2007, ISBN 978-3-910090-78-1, S. 171–202; hier 198.
*[http://www.tagblatt.de/Nachrichten/Vom-Gasthaus-zum-Geldhaus-63727.html ''Vom Gasthaus zum Geldhaus''], tagblatt.de, 2014
* Albrecht Locker: ''Vom Gasthof zur Bankzentrale''. In: „Tübinger Blätter“ 1988, S. 107–109.
* ''Das 13. Glas ist gratis''. In: „Schwäbisches Tagblatt“, 17. Mai 1952.
* ''Gastwirtschaft zu verkaufen''. In: „Tübinger Chronik“, 15. Mai 1902.


 
[[Kategorie:Ehemalige Gastronomie]]
 
[[Kategorie:Gebäude]]
[[Kategorie: Ehemalige Gastronomie]] [[Kategorie:Gebäude]] [[Kategorie:Architektur]] [[Kategorie:Zentrum]]
[[Kategorie:Architektur]]
[[Kategorie:Zentrum]]

Aktuelle Version vom 14. Dezember 2022, 13:13 Uhr


Auf diesem Foto von 1899 ist links das erste "Hanskarle" nur teilweise sichtbar
Restaurant Hanskarle, rechts im Bild, vor 1919
Restaurant Hanskarle. Karte verlegt von Gebr. Metz zur Neueröffnung 1906. Die Zeichnung orientiert sich nach dem Plan, von dem sich die Ausführung in manchen Details unterschied. Der Hausteil links vom linken Seitengiebel besteht heute nicht mehr.
Wilhelmstraße, Hanskarle rechts im Bild angeschnitten
Restaurant Hanskarle, 1919
Das Gebäude Am Lustnauer Tor 3 im Jahr 2020

Hanskarle war der Name von zwei Gaststätten, die sich nacheinander an gleicher Stelle Am Lustnauer Tor befanden, nämlich links der Österbergstraße. Das heutige Gebäude ist ein spitzes Eckgebäude zwischen der Österbergstraße und der Doblerstraße (früher: Kaiserstraße), in dem sich die Hauptfiliale der Kreissparkasse befindet.

Das erste „Hanskarle“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die erste „Wirtschaft zu Hanskarle“ wurde 1843 fertiggestellt. Es war ein einfaches zweigeschossiges Gebäude (plus Dachgeschoss), das im rechten Winkel zur Österbergstraße stand. Die Gastwirtschaft war, wie damals sehr häufig, mit eigener Brauerei verbunden, die sich im rückwärtigen Teil des Gebäudes befand.[1]

Nachdem Hermann Haußer 1897 Oberbürgermeister von Tübingen geworden war, wollte die Stadt viele anstehende Bauangelegenheiten ordnen. Die erste Aufgabe betraf die Mühlstraße und den Platz Am Lustnauer Tor. Nachdem durch den Abriss des alten evangelischen Dekanats (1899) und die darauf folgende Bebauung der Ostseite (bis 1903) die Mühlstraße zu einer repräsentativen Straße geworden war, wollte man den gleichen Effekt am Lustnauer Tor erreichen. Dabei war der Abriss von „Hanskarle“ unerlässlich. Das vorhandene Gebäude war nicht nur architektonisch einfach und schon alleine aus diesem Grund für die neue Konzeption des Platzes unpassend, sondern inzwischen auch in die Jahre gekommen. Der zweite, mindestens genau so wichtige Grund war der Bau der neuen Zufahrtsstraße auf den Österberg, der Kaiserstraße (heute Doblerstraße).[1] Das Haus stand so, dass es die neue Straße fast versperrte. Die Stadt wünschte sich also, dass das alte „Hanskarle“ durch ein neues Haus ersetzt wird, das einerseits passend zum Straßenverlauf gebaut werden, andererseits auch einen repräsentativen Charakter haben sollte. Da die damaligen Besitzer des „Hanskarle“ betagt und nicht entsprechend bemittelt waren, kamen sie als Bauherren eines neuen Gebäudes nicht in Frage. Der Stadt gelang es aber recht schnell, einen passenden Bauherrn zu finden. Es war der damals expandierende Bierbrauer aus Lustnau, Louis Heinrich. Seine Brauerei war Hoflieferant des Königs von Württemberg und die leistungsstärkste Brauerei im Oberamtsbezirk.[1]

Das zweite „Hanskarle“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Louis Heinrich beauftragte das Tübinger Architekturbüro Fischer & Stähle,[2] Pläne für das neue Gebäude, das sich harmonisch in das bestehende Ensemble – man sollte dabei vor allem an das Deutsche Haus (1901) und das Schimpfhaus (1903) denken – einfügen sollte, zu erarbeiten und den Bau zu leiten.[1] Nach dem Abbruch des alten „Hanskarle“ wurde der Bau des markanten dreistöckigen Eckgebäudes mit Jugendstil-Elementen und eigenwillig-spitzem Fachwerkgiebel 19041906 durchgeführt, das Architekturbüro Fischer & Stähle zog ebenfalls in den Neubau ein.[3]

Das neue Restaurant, zu dem der Eingang direkt von der Ecke führte, hatte den alten Namen „Hanskarle“ erhalten. Louis Heinrich wählte ihn sicherlich um der Tradition willen. Das alte „Hanskarle“ hatte offenbar einen guten Ruf, den es zu wahren galt. Das neue Restaurant verfügte über mehrere Säle. Im Erdgeschoss gab es Tageswirtschaft und Bürgerstube, wo die Gäste „beim gemütlichen Schoppen auch noch das Straßenleben am Wilhelmsplatz übersehen“ konnten. Weitere Gasträume gab es im ersten Obergeschoss und im Keller. „Das Herrenstüble lud zum ‚Plaudern, Spielen und Rauchen‘ ein. Gruppen und Vereine trafen sich in der kleinen Bierhalle oder den beiden überwölbten Wein- und Bierkneipen. Neben Tübinger Bürgern und Studenten verkehrten dort auch gerne auswärtige Besucher“ des Gerichts (Fertigstellung des Gerichtsgebäudes 1905). Louis Heinrich führte das Restaurant nicht selbst, sondern verpachtete es. Am längsten, 1908–1914, pachtete es Martin Lemmer. Zu seiner Zeit spielte im „Hanskarle“ die erste Damenkapelle in Tübingen.[1]

„Hanskarle“ als Sparkasse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem die durch den Ersten Weltkrieg geschwächte Brauerei Heinrich 1919 geschlossen worden war, musste das Restaurant verkauft werden. 1921 wurde das Gebäude von der „Amtskörperschaft“ für die „Oberamtspflege“ und die 1854 gegründete Oberamtssparkasse gekauft, die sich damals in der Mühlstraße 18 (also in unmittelbaren Nähe) befand. Sie baute es zum Bank- und Bürogebäude um[4]: in der ehemaligen Tageswirtschaft entstand die Schalterhalle. Infolge der Umbenennung der Oberämter in Landkreise 1934 wurde die Oberamtssparkasse zu Kreissparkasse, die mit der Vergrößerung des Landkreises Tübingen wuchs und das ganze Gebäude einnahm. Sie hatte hier bis 2006 ihre Hauptverwaltung. Seitdem diese ins Sparkassen Carré auf den Mühlbachäckern umgezogen ist, befindet sich hier die Kunden-Hauptfiliale.[3]

Noch bis in die 1940er Jahre behielt die Sparkasse die Gepflogenheit aus der Anfangszeit im Neubau bei, einmal im Jahr Bier auszuschenken. Auf diese Weise konnte sie die Gasthaus-Lizenz aufrecht erhalten.[3]

Die Fassade des vielfach veränderten Gebäudes – zum Beispiel war eine Zeitlang das Fachwerk verputzt – erfuhr bei der Sanierung von 1988 eine Wiederannäherung an den ursprünglichen Zustand.[3] 20142017 wurde das Gebäude für 17,5 Mio. € nochmals stark umgebaut, wobei der Altbau erhalten blieb, aber im Inneren völlig neu gestaltet wurde und die mit Aluminium verkleideten Seitenflügel komplett ersetzt wurden.[5]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Antje Zacharias: Wirtshäuser mit regem Zuspruch (siehe Literatur).
  2. Außer diesem Bau ist die gemeinsame Tätigkeit von Fischer & Stähle nur bei einem zweiten Gebäude belegt: Haus der Landsmannschaft Ulmia (1908). Es handelt sich um Gustav Stähle. Wer Fischer war, ist nicht sicher – einiges spricht für Theodor Fischer.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Hans-Joachim Lang: Das Gasthaus „Zum Hanskarle“ wurde schon bald nach dem Neubau zur Zentrale der Sparkasse. Eine Zeit lang gab es in der Bank auch Bier. In: „Schwäbisches Tagblatt“, 27. April 2011 (web.archive.org)
  4. Adressbuch Tübingen für 1934, S. XLI–XLII.
  5. Vom Gasthaus zum Geldhaus. In: „Schwäbisches Tagblatt“, 2014 (nicht mehr online).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Antje Zacharias: Wirtshäuser mit regem Zuspruch. In: …und grüßen Sie mir die Welt! Tübingen – eine Universitätsstadt auf alten Postkarten, hrsg. von Udo Rauch und Antje Zacharias, Tübingen : Stadtmuseum 2007, ISBN 978-3-910090-78-1, S. 171–202; hier 198.
  • Albrecht Locker: Vom Gasthof zur Bankzentrale. In: „Tübinger Blätter“ 1988, S. 107–109.
  • Das 13. Glas ist gratis. In: „Schwäbisches Tagblatt“, 17. Mai 1952.
  • Gastwirtschaft zu verkaufen. In: „Tübinger Chronik“, 15. Mai 1902.