Weinbau: Unterschied zwischen den Versionen

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== Besenwirtschaften ==
== Besenwirtschaften ==


Wer eigenen Wein in eigenen Räumen ausschenken möchte, darf eine Besenwirtschaft eröffnen. Vier Monate im Jahr dürfen dann eigene Weine und einfache Speisen angeboten werden. Das Platzangebot ist auf vierzig Sitzplätze begrenzt.  
Wer eigenen Wein in eigenen Räumen ausschenken möchte, darf eine [[Besen]]<nowiki>wirtschaft</nowiki> eröffnen. Vier Monate im Jahr dürfen dann eigene Weine und einfache Speisen angeboten werden. Das Platzangebot ist auf vierzig Sitzplätze begrenzt.  


[[Datei:Altstadtbesen Brenner Haaggasse 22.jpg|thumb|right|Haaggasse 22 in den [[1930]]er Jahren. Heute Altstadtbesen Brenner]]
[[Datei:Altstadtbesen Brenner Haaggasse 22.jpg|thumb|right|Haaggasse 22 in den [[1930]]er Jahren. Heute Altstadtbesen Brenner]]


Anton Brenner und seine Familie betreiben ihren Altstadt-Besen seit 2006 als Familienbetrieb in der Haaggasse 22. In alter Besentradition kann man hier sein Viertele schlotzen (trinken) und ein anständiges Vesper zu sich nehmen. Dabei rückt man im Besen eng zusammen. Ungeniert zu anderen auf die Bank sitzen und neue und oft interessante Leute kennernlernen, ist das Geheimnis der Besenwirtschaften. Da kommen dann oft sehr unterschiedliche Menschen zusammen, vom Studenten über den alten Tübinger Gôgen bis zum “Neigschmeckten”. Und manchmal kommt auch Prominenz, das Tübinger Wochenblatt zitierte am 14. Februar 2009 die Meldung der Stuttgarter Zeitung: "Wenn der Alt-Grüne Rezzo Schlauch seinen Ministerpräsidenten und jung-schwarzen Freund Günther Oettinger in die Besenwirtschaft vom Sohn des tiefroten Stadtrats Anton Brenner in die Haaggasse einlädt, dann freut das jeden Tübinger Lokalpatrioten natürlich. Zumal die "Stuttgarter Zeitung darüber berichtet."<ref>[http://www.tuebinger-wein.de/index.htm Altstadtbesen Tübingen der Familie Brenner]</ref>        
Anton Brenner und seine Familie betreiben ihren Altstadt-Besen seit 2006 als Familienbetrieb in der Haaggasse 22. In alter Besentradition kann man hier sein Viertele schlotzen (trinken) und ein anständiges Vesper zu sich nehmen. Dabei rückt man im Besen eng zusammen. Ungeniert zu anderen auf die Bank sitzen und neue und oft interessante Leute kennernlernen, ist das Geheimnis der Besenwirtschaften. Da kommen dann oft sehr unterschiedliche Menschen zusammen, vom Studenten über den alten Tübinger Gôgen bis zum “Neigschmeckten”. Und manchmal kommt auch Prominenz, das Tübinger Wochenblatt zitierte am 14. Februar 2009 die Meldung der Stuttgarter Zeitung: "Wenn der Alt-Grüne Rezzo Schlauch seinen Ministerpräsidenten und jung-schwarzen Freund Günther Oettinger in die Besenwirtschaft vom Sohn des tiefroten Stadtrats Anton Brenner in die Haaggasse einlädt, dann freut das jeden Tübinger Lokalpatrioten natürlich. Zumal die "Stuttgarter Zeitung darüber berichtet."<ref>[http://www.tuebinger-wein.de/index.htm Altstadtbesen Tübingen der Familie Brenner]</ref>
 
[http://www.besentermine.de/schonbuch.html Adressen und Termine von Besenwirtschaften in der Gegend von Tübingen]


== Ökonomische Fakten ==
== Ökonomische Fakten ==

Version vom 11. Dezember 2010, 19:27 Uhr

Weinberge hinter Unterjesingen

Früher war der Weinbau ein wichtiges Standbein von Landwirtschaft und Wirtschaft, heute ist Wein aus Tübingen eher ein Nischen-Produkt.

Zur Geschichte des Weinbaus in Tübingen

Ende des 15. Jahrhunderts wurde auf fast 400 Hektar Wein von hoher Qualität angebaut, 2009 waren es in der Nähe der Innenstadt von Tübingen noch zwei.

Wein war wichtig für die Grundversorgung und Teil der Entlohnung. Im 16. Jahrhundert – der „Hauptzechperiode des deutschen Volkes“ – hatte das Evangelische Stift einen Weinvorrat von 72 000 Litern. Für Studenten gab es am Tag einen dreiviertel Liter, für Erwachsene das Doppelte.[1]

300 Jahre Niedergang folgten. Das hatte zum einen klimatische Gründe, eine kleine Eiszeit ließ die Temperaturen sinken. Aber auch politische: In der Reformation wurden die Klöster aufgehoben, die als Grundherren einen ertragreichen Weinbau organisierten.

Der drastische Bevölkerungsrückgang im Dreißigjährigen Krieg (in Württemberg von 450 000 auf 160 000) setzte die Abwärtsspirale fort. Kaffee, Tee, Bier und Apfelmost machten dem Wein seine Rolle streitig.[1] Mit zunehmend besseren Verkehrsverbindungen, die den Import wohlschmeckenderer Weine förderten, wurde allerdings der Weinbau wirtschaftlich immer uninteressanter.[2]

Immer mehr Rebflächen wurden anderweitig bepflanzt, zum Beispiel als [Im Hopfengarten|Hopfengarten]] oder als Streuobstwiesen. Letztere lieferten den Most für den Eigenverbrauch. „Trotz des Preisverfalls konnten sich die Weingärtner den eigenen Wein nicht mehr leisten.“ Das führte zu dem ungleichen Verhältnis Oberstadt und untere Stadt und dem Bild von den raubauzigen Gôgen oder Raupen. Auch heute noch findet man an den Hauswänden der Altstadthäuser noch vereinzelt Weinstöcke. Die Reben dieser sogenannten "Simsenkrebsler" rankten an den Fenstersimsen in die Sonne und ihre Wurzeln versorgten sich aus der Abortgrube mit Nährstoffen.

Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Rebkrankheiten dazukamen, hatte die Verelendung einen Höhepunkt erreicht. Der versuchte Sturm auf die Schweickhardtsche Mühle 1847 war der einzige Aufstand. Andere Auswege waren stiller: Auswanderung oder der Raupentod, der Selbstmord.[1]

Spätestens seit dem Jahr 1484 existiert in Tübingen die Urbansbrüderschaft.[3] Seit 1879 gibt es die Tübinger Weingärtner-Genossenschaft (früher Tübinger Kelternverein). Damals zählte der Verein 493 Mitglieder, im Jahr 2004 zum 125. Jubiläum sind es noch 39, von denen 14 ihren eigenen Wein anbauen.[2]

Besonderheiten

Querreihen

Johann Philipp Bronner schrieb 1837 über Besonderheiten des Weinbaus in Tübingen und Wurmlingen: „Was man in ganz Württemberg den Kopf nennt, bezeichnet man hier mit dem Namen das Fiedle. Das was man allenthalben ein Schenkel nennt, heißt hier ein Bein.“

"Der größte Fehler bei der hiesigen Erziehung“, schreibt Bronner, „ist aber der, dass die Zeilen oder Rebstöcke alle verkehrt geführt sind ... Nach der natürlichen Regel sollen sie ... nach der aufsteigenden Richtung des Berges geführt werden ... hier ist aber gerade das Umgekehrte beobachtet, die Bögen sind nämlich alle so gestellt, dass sie eine ziemlich geschlossene grüne Wand bilden, die immer quer über den Weinberg läuft ...“ Deshalb sieht man die Querreihen heute noch an der Wurmlinger Kapelle, wo Anton Brenner seinen „Rote Kapelle“ genannten Rotwein anbaut.[4]

Pilzresistente Reben

In den Weinbergen im Tübinger Buckenloh wachsen noch alte, pilzresistente Reben, z.B. die „Oberlin Noir“. Schlitzohrige Gôgen haben die von den Nationalsozialisten verteufelten Hybriden über das Dritte Reich gerettet. Statt sie auszurotten, schnitten sie die Reben nur ab. Sie konnten also neu austreiben. Heute werden die pilzwiderstandsfähigen Reben anderswo neu entdeckt. Die neuen Sorten wie „Regent“ oder „Merzling“ sind oft weniger resistent und schmecken ungewöhnlicher als die Züchtungen des Elsässers Oberlin, die heute noch in den besten Weinbergen Burgunds zu finden sind.

Aus diesem „Oberlin“ ist Anton Brenners „EcoRouge“, ein wahrer Ökowein, der überhaupt nicht gespritzt werden muss. In der sonstigen Praxis müssen so genannte „Ökoweine“ oft häufiger mit den „milderen“ Mitteln gespritzt werden als im traditionellen Weinbau. Man wird sich daher um die alten pilzwiderstandsfähigen Sorten ebenso kümmern wie um neue Sorten der dritten Generation (von Valentin Blattner in der Schweiz und Georg Weiss in Österreich), die ganz ohne Spritzmittel auskommen.[4]

Besenwirtschaften

Wer eigenen Wein in eigenen Räumen ausschenken möchte, darf eine Besenwirtschaft eröffnen. Vier Monate im Jahr dürfen dann eigene Weine und einfache Speisen angeboten werden. Das Platzangebot ist auf vierzig Sitzplätze begrenzt.

Haaggasse 22 in den 1930er Jahren. Heute Altstadtbesen Brenner

Anton Brenner und seine Familie betreiben ihren Altstadt-Besen seit 2006 als Familienbetrieb in der Haaggasse 22. In alter Besentradition kann man hier sein Viertele schlotzen (trinken) und ein anständiges Vesper zu sich nehmen. Dabei rückt man im Besen eng zusammen. Ungeniert zu anderen auf die Bank sitzen und neue und oft interessante Leute kennernlernen, ist das Geheimnis der Besenwirtschaften. Da kommen dann oft sehr unterschiedliche Menschen zusammen, vom Studenten über den alten Tübinger Gôgen bis zum “Neigschmeckten”. Und manchmal kommt auch Prominenz, das Tübinger Wochenblatt zitierte am 14. Februar 2009 die Meldung der Stuttgarter Zeitung: "Wenn der Alt-Grüne Rezzo Schlauch seinen Ministerpräsidenten und jung-schwarzen Freund Günther Oettinger in die Besenwirtschaft vom Sohn des tiefroten Stadtrats Anton Brenner in die Haaggasse einlädt, dann freut das jeden Tübinger Lokalpatrioten natürlich. Zumal die "Stuttgarter Zeitung darüber berichtet."[5]

Adressen und Termine von Besenwirtschaften in der Gegend von Tübingen

Ökonomische Fakten

Die große Armut der Gôgen hatte mehrere Ursachen. Zum einen ist im Raum Tübingen die Erzeugung hochwertiger Weine aufgrund der Bodenbeschaffenheit nicht möglich, wodurch niemals hohe Preise für Tübinger Wein zu erzielen waren. Auch die heute von Hobbywinzern oder im Nebenerwerb angebauten Reben erreichen trotz moderner Hilfsmittel und Kunstdüngung meist keine hohe Qualität.

Zum anderen sorgte die in Württemberg übliche Realteilung für Bewirtschaftungsflächen, die über die Generationen immer kleiner wurden. Im 19. Jahrhundert stand einer Gôgenfamilie im Durchschnitt eine Fläche von lediglich 3 bis 5 Morgen (= ca. 1 bis 1,5 Hektar) zur Verfügung, was zur Ernährung einer Familie kaum ausreichte. Eine Ausweitung der Rebflächen war nicht möglich, da nur die ohnehin schon vollständig genutzten Südhänge für den Weinbau geeignet waren.[6]

Darüber hinaus lebten die Tübinger Weingärtner bis 1848 in mittelalterlich-feudalen Strukturen. Die bewirtschafteten Flächen waren Eigentum der Feudalherren. Die Weingärtner mussten von ihrer Ernte 25 % als Pachtzins an den Feudalherren abführen. Dazu kam die Abgabe des Zehnten an den Landesherrn und eine Abgabe von 5 % für die Benutzung der Kelter. Dieser Zustand änderte sich erst mit der Weinzehntablösung ab 1848. Die bewirtschafteten Flächen wurden sukzessive in das Eigentum der Weingärtner überführt. Die Gôgen erhielten das Land aber nicht geschenkt, sondern mussten es bis 1873 durch fixe Ratenzahlung an den ehemaligen Feudalherren auslösen.[6]

Aber auch in den Jahren danach lebten die meisten Gôgen in großer Armut, da sich an den ungeeigneten Böden und den zu kleinen Anbauflächen nichts geändert hatte. Außerdem wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund der verbesserten Transportwege vermehrt hochwertige Weine in den Raum Tübingen eingeführt, so dass der Tübinger Wein immer weniger Käufer fand. Daher gaben fast alle Gôgen den Weinanbau in den nachfolgenden Jahrzehnten auf oder betrieben ihn nur noch im Nebenerwerb.

Statistische Daten

Martin Biastoch listet in seiner Dissertation von 1996 folgende Zahlen auf:

In den Jahren 1875-77 hatte Tübingen etwa 10 471 Einwohner, darunter 888 Studenten. Es gab 462 Weingärtner, 691 Handwerker und 95 Händler, also 1148 Gewerbetreibende. Diesen standen 365 Beamte, 21 Freiberufler und 368 Rentner und Pensionäre gegenüber.[7]

Martin Stroh hat in seiner Zulassungsarbeit von 1999 die folgenden Daten zum Weinbau im Kreis Tübingen zusammengestellt:[2]

  • 273 Winzer bearbeiten knapp 33 ha Rebfläche. Davon in
  • Unterjesingen 9,98 ha
  • Hirschau 7,47 ha
  • Wurmlingen 4,07 ha
  • Breitenholz 3,45 ha
  • Wendelsheim 3,44 ha
  • Tübingen 1,93 ha
  • Rottenburg 1,81 ha
  • Entringen 0,44 ha
  • Pfäffingen 0,14 ha
  • Die Weine aus dem Kreis Tübingen teilen sich wie folgt auf:
  • 60% Rotwein (Schwarzriesling, Spätburgunder und Portugieser)
  • 30 % Weißwein (Kerner und Müller-Thurgau)
  • Der Rest ist Rosé, Weißherbst und Schiller.

Bereits 1880 war die Hopfenanbaufläche mit 948 Morgen größer als die Weinanbaufläche mit 330 Morgen. Mehr als die Hälfte des Ackerlands gehörte den Gôgen, der Rest gehörte dem evangelischen Stift, Handwerkern, Händlern, alteingesessenen Professorenfamilien, die die Gôgen für den Wein- und Hopfenanbau als Tagelöhner beschäftigten.[8]

Weblinks

Quellen

Siehe auch