Raupen

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Tübinger Weingärtner um 1910

Als Raupen werden umgangssprachlich alle Tübinger Weingärtner bezeichnet, auch wenn diese nicht in der Tübinger Unterstadt wohnen, während der Ausdruck Gôgen in der Regel untrennbar mit den Bewohnern der Unterstadt verbunden ist. Der Ausdruck Raupen ist bereits für das Jahr 1576 bezeugt, wird aber im Vergleich zum Ausdruck Gôgen heute weit weniger gebraucht.[1]

Traditionelle Umzüge

Raupenumzug am Donnerstag nach Fastnacht

Ein Gôgen- oder Raupenfest fand am Donnerstag nach Fastnacht, also dem Tag nach dem Aschermittwoch, statt. Dabei bildete ein festlicher Umzug mittags um 12 Uhr den Höhepunkt: „Voraus wurde ein Kreuz getragen, an einem Arm desselben eine Brezel, am anderen ein Hering, obendrauf eine Flasche“.

Matthias Hafenreffer, Professor für Theologie, ließ den Raupenumzug verbieten

Im Festkleid mit Butten und Hauen folgten die Weingärtner. Es sollte damit die Zeit der wiederbeginnenden Arbeit begrüßt werden. Der Zug hatte einen eigentümlichen Anhang, denn hinter den Alten kamen die Jungen in zwei Haufen an die beiden Enden eines langen Seiles verteilt, an dem sie sich gegenseitig hin und herzerrten. Die Einen zogen, und die Andern ließen nicht fahren, so daß bald die Vordern bald die Hintern gewannen, und der Zug bald vorwärts bald rückwärts ging. Dadurch sollte des Rebwerks Art und Wesen dargestellt werden, das mal nach hinten und mal nach vorne wächst, aber immer erarbeitet sein will. Um jedoch das Vorzeichen nie zu unglücklich werden zu lassen, wurde immer der stärkere Haufe voran ans Seil gespannt und zog die Hinteren mit Gewalt hinter sich her - und wenn die Jungen gar zu sehr benachteiligt waren, kehrten wohl die Hintersten der Männer um, um zu helfen nach hinten ziehen. Dieses Weinbauernfest wurde bis 1590 gefeiert, „dann witterte Kanzler Hafenreffer heidnischen Unfug darin, und wußte die Vögte zum Verbot desselben zu bestimmen.“ [2]

Urbans-Umzug am 25. Mai (um Pfingsten)

Beim Tod des Papst Urban I im Jahr 230 soll es Wein geregnet haben. Urban ist an die Stelle des´Weingottes Bacchhus (Dionysos) getreten. Der 25. Mai ist auch der Tag des Hl. Dionysius und seiner Begleiter Rusticus und Eleutherius. Am 26. Mai ist St. Eleutherius, am 27. Mai St. Liberius (Befreier). Befreier und Landmann waren auch die Beinamen des antiken Weingottes Dionysos. Seine Frühlingsfeste hießen auf dem Lande „Rustica“ und in der Stadt „Urbana“.

Der Urbansumzug gleicht den Dionysos-Umzügen: Voran die Musiker, dann Träger des Weinstocks, St. Urban in Papsttracht und Weinbecher, bei schlechterm Wetter wird er (oder eine Urbansstatue) in den Brunnen geworfen. [3]

„Bonade“ (Bona Dea): Weilheimer Weiberzeche an Maria Magdalena (Mitte Juli)

Bacchantin an der Nord-West-Ecke des Tübinger Rathauses

Maria Magdalena gilt als Schutzpatronin der Weingärtner, weil nach ihrer Beerdigung ein Rebzweig aus ihrem Munde entsprossen sei. Viele Weinfeste finden deshalb an Marienfeiertagen statt.

In vorchristlicher Zeit war Bona Dea, die "Gute Göttin", Weinpatronin. Bis 1789 fand in Tübingen-Weilheim eine Weiberzeche, eine „Bonade“ (bona dea) statt, bei der die Frauen von Bürgermeister und Gemeinderäten bis zum Umfallen mit Wein und Bocksbraten bedient wurden.[3]

Die Ursprünge der Bona Dea Feiern lassen sich bis in die Vor-Römerzeit zurückverfolgen. In der Römischen Religion war Bona Dea die Göttin der Fruchtbarkeit, Heilung, Jungfräulichkeit und Frauen. Ihr wahrer Name wurde von den Priesterinnen geheim gehalten. Sie war die Tochter von Faunus und wurde manchmal auch Fauna genannt. Sie hatte in Rom einen Tempel auf dem Aventin. Ihr Kult bestand in Rom wahrscheinlich seit dem 3. Jahrhundert v. Chr.

Jährlich wurden im Haus eines römischen Magistrats cum imperio geheime Riten zu ihren Ehren abgehalten. Männern war die Teilnahme verboten, selbst Abbildungen von Männern oder männliche Tiere waren hiervon betroffen. Geschmückt war der Festraum mit Weinlaub, die Verwendung von Myrte war hingegen untersagt. Wein, Musik und Tanz müssen als Bestandteil der Feierlichkeiten angesehen werden.[4]

Kalebs-Umzug im September

Der Patron der Raupen und Gôgen war der heilige Urban. An der südöstlichen Ecke des Rathauses ist sein Steinbild zu sehen (heute: das ‚Rebmännle‘). Ihm zu Ehren hat sich bis ans Ende des 19. Jahrhunderts im Herbst ein Umzug erhalten, der 1936 wieder aufgenommen wurde. Dabei erschienen die Weingärtner in ihrer Tracht, gekennzeichnet durch eine rote Weste mit silberglänzenden Knöpfen, und den Mittelpunkt bildete eine mächtige Kalebstraube, gebildet aus vielen einzelnen zusammengebundenen Trauben. Diese Traube wurde dann verlost. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gewann sie einer dreimal hintereinander. Daraufhin bekam er den Beinahmen Kaleb.[3]

Ein zum Thema passender Gôgen-Witz

Nach dem Grund für die Benennung "Raup" gefragt gibt ein Wengerter seinem Sprössling eine ausweichende Antwort und schließt mit der Ermahnung: "Dass Du mir aber fei nia Raup saist, Bua!" Einige Tage später - Vater und Sohn arbeiten im Wengert - kriecht eine Schmetterlingsraupe am Ärmel des Vaters hinauf. Da ruft der Bub: "Vater, luag au, an dir lauft e Wengerter nuf!"[5]

Die Raupen-Hymne

"Karle schmier dae Bruschd mid Lädda,
ziag daen Scheißdrägswammes ah,
dass de ao, wie andre Rauba,
Scheißdrägsbudda draga kosch!"

En dr Näckarhalde sieba
isch as Scheißhaus eba voll
ond do saet dr Herr Profässer,
dass ma s' Scheißhaus läära soll.

Ond dr Karle nemmd saen Schapfa,
ruadld romm en säller Bria
ond des schdengd granadamäßig
scho des morgens en dr Fria.

Ond do ziats dr Frao Profässer
d'Nasa nuff, als ob se's beissd,
ond dr Karle duad 'ra z'wissad,
dass se ao koen Balsam scheißd.

En dr Näckarhalde sieba
isch as Scheißhaus wieder läär,
ond vom Scheißdräg vom Profässer
wärrad d'Bräschdleng graoß ond schwär.[6] [7]


Quellen