Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Befreiung

Aus TUEpedia
Wechseln zu:Navigation, Suche


Am 8. Mai 2020 fand auf dem Platz des unbekannten Deserteurs und auf dem Holzmarkt jeweils eine Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Befreiung statt.


Veranstaltung auf dem Holzmarkt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Etwa 350 bis 400 Teilnehmer[1] waren bei der Gedenkveranstaltung auf dem Holzmarkt. Mehrere Gruppen wie u.a. die "Gesellschaft der Kultur des Friedens" (GFK) und "Offenen Treffen gegen Faschismus und Rassismus für Tübingen und Region" (OTFR)[1] hatten diese Veranstaltung organisiert. Die anwesenden Mitarbeiter des Ordnungsamts mussten die Einhaltung der Abstandsregeln mehrfach anmahnen.[1]


Veranstaltung auf dem Platz des unbekannten Deserteurs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf der von ca. 60 Personen[2] besuchten Veranstaltung gab es Redebeiträgen von Susanne Hübel, Volker Plass und Udo Grausam. Musikalisch wurde die Gedenkfeier durch Musik vom Gitarristen Dieter Krug und einigen Mitgliedern des Ernst-Bloch-Chors eingerahmt.

Am Ende der Veranstaltung wurde auf den nur 50 m entfernt stehenden Gedenkstein für den unbekannten Kriegsdienstverweigerer hingewiesen, der die Inschrift "8. Mai 1985" trägt.

Während der Veranstaltung waren 4 Polizisten mit im Hintergrund anwesend (auf dem Bild ganz oben am linken Rand im Hintergrund sichtbar) um offenbar die Auflagen wegen der Covid-19 Pandemie zu kontrollieren.


Pressemeldung des Forum Französisches Viertel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(bitte keine Änderungen einfügen, nur eventuell fehlende Links)


8. Mai 2020 – 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Kundgebung auf dem „Platz des Unbekannten Deserteurs“ Am 8. Mai haben BewohnerInnen aus dem Französischen Viertel in Tübingen gezeigt, was Erinnern an diesem Tag für sie bedeutet. Mit einer Kundgebung am „Platz des unbekannten Deserteurs“ brachten sie ihren Willen nach Gedenken und Veränderung zum Ausdruck.

Mehrere Engagierte aus dem „Forum Französisches Viertel“ gestalteten ein vielfältiges Erinnern in Form von sehr persönlichen Reden und von musikalischen Beiträgen. Ein bedeutender Anlass waren aktuelle Forschungen des Kulturwissenschaftlers Udo Grausam zu den Namen und Schicksalen zweier bisher unbekannter Deserteure, welche dort, in der damaligen Hindenburg-Kaserne, von den Nationalsozialisten kurz vor Kriegsende erschossen wurden.

„Uns beschäftigen viele brennende Themen, zum Beispiel Corona, der Klimawandel und die Versagung von Menschlichkeit für geflüchtete Menschen in den griechischen Lagern.“ So setzte die Mitorganisatorin Susanne Hübel zur Begrüßung an.

„Ich“ - so sprach sie ihre persönliche Betroffenheit an - „wurde durch das Kennenlernen des Konzentrationslagers Oberer Kuhberg in meiner Heimatstadt Ulm in den 70iger Jahren mit dem Terror der Nazis konfrontiert. Welche Auswirkungen hat der Zweite Weltkrieg auf uns Kriegskinder, Kriegsenkel und –urenkel? Im Sinn von Ernst Bloch sollten wir an die Auseinandersetzung mit diesem Erbe so herangehen: ‚Nur jenes Erinnern ist fruchtbar, das zugleich erinnert, was noch zu tun ist.“

Ein Ensemble des Ernst-Bloch-Chors stimmte das Lied „Mein Land“ von Reinhard Mey an.

Im Anschluss erinnerte Volker Plass daran, dass erst 40 Jahre nach Kriegsende, am 8. Mai 1985, Bundespräsident Richard v. Weizsäcker als Repräsentant des Deutschen Staats den Mut hatte, von diesem Tag als einem Tag der Befreiung zu sprechen. Von Weizsäcker rief die Deutschen dazu auf, sich nicht in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen treiben zu lassen. Er machte deutlich, dass 40 Jahre nach dem Ende des Terrorregimes es Zeit für eine neue Generation sei, Zuversicht auf eine neue und gute Zukunft zu zeigen. Gleichzeitig bestehe auch die Gefahr, das Grausige zu vergessen.

Mitglieder des Ernst-Bloch-Chores sangen anschließend das Partisanenlied aus dem jüdischen Widerstand in Polen gegen die deutschen Besatzer „Sog nit kejnmol as du gejst dem leztn weg“. Alle Lieder wurden von Dieter Krug gekonnt auf der Gitarre begleitet. Inzwischen hatte sich die Zahl der Zuhörer erheblich auf bis zu 60 Menschen vermehrt.

Der „Platz des unbekannten Deserteurs“ erinnert seit 2007 an Soldaten – selbst damals waren die Namen 60 Jahre nach Ende des Weltkriegs noch unbekannt - die 1945 in Tübingen von der Wehrmacht erschossen wurden. Sie wollten bei dem mörderischen Krieg nicht mehr mitmachen. Die Namen der beiden Männer konnten kürzlich durch langwierigere Recherchen in Tübinger Ämtern herausgefunden werden. Udo Grausam stellte sie in seinem Redebeitrag vor.

Gustav Tafel aus Ehningen nahe Böblingen, Familienvater, Maschineneinsteller, hatte die Vernichtung seiner Kompanie im Winter 1944/45 im Elsass miterleben müssen. Er wurde angeblich wegen „Feigheit vor dem Feind“ erschossen, möglicherweise hatte er nur seinen Urlaub übertreten.

Alfred Geier, ein 20jähriger Metzger aus Stockach am Bodensee, wurde vermutlich „wegen Selbstverstümmelung“ erschossen. Auch er hatte die letzten aussichtslosen Kämpfe im Elsass erleben müssen. Am 7. Februar 1945 wurden sie hingerichtet. Zu der Veranstaltung waren zwei Verwandte von Alfred Geier vom Bodensee eingeladen worden und nach Tübingen gekommen. Sie legten am Platz zum Gedenken an ihren Großonkel eine weiße Rose nieder. Es war bewegend, in ihrer Anwesenheit zum Abschluss, gemeinsam mit den Kundgebungsteilnehmenden das Lied „Imagine“ von John Lennon und Yoko Ono anzustimmen. Dies gab Allen auf dem Platz, vorwiegend Älteren aber auch einzelnen Jüngeren, den Raum zu einem persönlichen Gedenken.

Es ist sehr zu hoffen, dass die Stadt Tübingen dies zum Anlass nimmt, die Tafel am „Platz des unbekannten Deserteurs“ mit den Namen von Gustav Tafel und Alfred Geier zu ergänzen.

Es wird im Öffentlichen Raum ein Merkmal , ein Fingerzeig entstehen, der erinnert, dass im Französischen Viertel junge und ältere Menschen das Geschehene nicht vergessen und heute und in Zukunft darauf achten, dass unsere Grundrechte nicht ausgehöhlt werden.

Volker Plass, für das Forum Französisches Viertel


(TÜpedia dankt für die Erlaubnis diesen Text hier zu veröffentlichen)

Fotos[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 Schwäbisches Tagblatt vom 9. Mai 2020 "Friedenskundgebung auf dem Holzmarkt zum Kriegsende"
  2. Zählung anhand von Fotos