Etymologie des Ortsnamens Tübingen

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Über den Ursprung des Ortsnamens Tübingen

Ursprünglich verfasst von Robert K. Bloomer, Ph.D., Associate Professor, European Languages, Literatures, and Cultures, State University of New York at Stony Brook, gefunden hier bei der Universität Tübingen und zwischenzeitlich ergänzt.


Der Name Tübingen tauchte kurz nachdem in Süddeutschland am Anfang des 10. Jahrhunderts Ortsnamen eingeführt wurden zum ersten Mal im Jahre 1078 als Tuwingen in der Anno Zwifalt Chronik auf.


Später tauchte der Name in mehreren Chroniken als Tuingen (1088), Duiwingen (1117), Thuyngin (1139), Touingen (1162), Tuwingen (1164), Touigen (1165), Doenga (1138), Tuewingen (1275), Tuengen (1287) und Theungen (1333) auf. Bök (1774:6) schreibt, dass der Ursprung dieses Eigennamens in grauer Vorzeit verloren wurde. Laut Schmid (1831:146) ist der Ursprung rätselhaft wie eh und je. Trotzdem ließen sich davon die Gelehrten nicht abhalten und versuchten, das Geheimnis des Ortsnamens Tübingen zu lüften. Dieser Aufsatz liefert vor allem für ehemalige, jetzige und zukünftige Teilnehmer an einem Austauschprogramm zwischen Tübingen und einer amerikanischen Universität einen Überblick über diese fantasievollen wie auch wissenschaftlichen Erklärungsversuche.


Zuerst wollen wir uns den fantasievollen Erklärungsversuchen zuwenden. Johann Ulrich Steinhof (Neue Wirtembergische Chronik, 1744) weist darauf hin, dass die Stadt in alten Chroniken Toingen genannt wird, was wie er meint von Göw oder Gäu abstammt (cf. Eimer 1945:3). Ludwig Uhland leitet den Namen von Tiu ab; dieser Name wiederum soll von Cyuvari (cf. Förstemann 1916) kommen. Von Schmid (1931:146) schreibt, dass der Name wahrscheinlich von Wingen, Wengen, Wangen, winja plus einem Anfangs T wie in Twiel antatt Wiel oder Weil abstammt. Mehrere Meinungen verbinden Tübingen etymologisch mit seinem Zwinger, der 1535 fertiggestellt wurde. Von Zwinger (Mittelhochdeutsch twing = Gerichtsbarkeit) kommt der Name daingean und von daingean kommt das französische Donjon, und noch früher Donjion (große Burg). Das jetzige englische Wort dungeon (Mittelenglich: donjon) gehört auch zu dieser angeblichen Wortfamilie. Zuletzt hat Eisebach (1822:1-2) folgende Geschichte erzählt: Als Caesar Vespasianus Jerusalem besetzte, gab es anscheinend in seinen Truppen einen sogenannten Rabotus, einen Pfalzgrafen aus Tübingen, der so tapfer kämpfte, dass ihm Caesar eine Burg auf dem Bläsiberg schenkte. Die Inschrift T.V.B. (Titi Vespasiani beneficio) wurde an dieser Burg angebracht. Als in der Nähe der Burg im Tal eine Stadt entstand, erhielt sie den Namen Tübingen, was auf Abkürzung in der Inschrift zurückzuführen war. Um ihrer Familie Ruhm zu verleihen, förderten die Grafen diese etymologische Geschichte und behaupteten noch im 16. Jahrhundert, dass sie die Geschichte auf einem Stück Rinde und auf einer Tasse, die ein Geschenk ihres Vorvaters Vespasiani war, niedergeschrieben hatten. Als aber während der Reformation überall in allen Wissenschaften neue Entdeckungen gemacht wurden und Geschichtsforscher danach verlangten, die Beweisstücke zu sehen, waren sie auf einmal verschwunden.[1]

Friedrich Nicolai weist darauf hin, dass es in Württemberg drei einzeln stehende Berge gibt, die den Beinamen Hohen führen und ihre Namen von keltischen Völkern ihrer natürlichen Beschaffenheit wegen bekommen zu haben scheinen: Hohentübingen, Hohentwiel und Hohenasperg. Im Keltischen bedeutet O oder Ho jeden erhabenen Ort oder Berg, Hen die Spitze oder den Kopf des Berges. Twyn und Twyin bedeutet Glanz, weiß, schön glänzend; also Ho-hen-Twyn-gen oder Ho-hen-Twyin-gen heißt beides weiße, glänzende Bergspitze. Twyll bedeutet Dunkelheit, also Ho-hen-Twyll dunkle Bergspitze. Vermutlich war der Tübinger Berg als ein Fels weiß und kahl, der Twiel aber mit düsteren Tannen bedeckt.[2]

Angesichts der Tatsache, dass diese Forscher nur über vage Kenntnisse über Lautverschiebungen und morphologische Grenzen verfügten, sind diese Interpretationen bestenfalls naiv. Mit präziserem linguistischen Handwerkszeug wird bei neueren Erklärungsversuchen wissenschaftlicher an den Namensursprung dieses schwäbischen Städtchens herangegangen.


Viele Forscher betrachten den Namen als Zusammenfügung eines keltischen Wortstamms und dem Suffix -ingen. Zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert war die Gegend, die heute Süddeutschland ausmacht, in germanischer Hand und es herrschte ein keltisches Substrat vor.


Aus der Zeit vor Caesars Gallischen Kriegen sind Personen und Ortsnamen das einzige Beweismaterial für eine Beziehung zwischen diesen zwei Stämmen. Egli (1893:268) behauptet, dass tub- im Wort Tübingen vom keltischen Wortstamm dubo (= dunkel, schwarz und auch traurig, wild) stammt. Förstermann (1916: 755) dagegen behauptet, dass dubo- nur dunkel und schwarz bedeutet, diesen Wortstamm kann man in den Ortsnamen Dublin (Duibh-linn = 'schwarzes Becken'), Devlin, Dowling, Doolin und Ballindoolin finden. Bahlow (1965:490) behauptet, dass der Name Tübingen ein Element beinhalten muss, das 'dunkles Gewässer' bedeutet, weil das Konzept des 'dunklen' oft bei der Namesgebung von Sumpf- und Moorgebieten vorkommt. Er führt Tubney, Tubbanford, Tub Mead und Tub Hole in England an, um dies zu bestätigen (vgl. Spätes Latein: tubeta = Morast). Bahlow (1955: 9) geht sogar so weit zu behaupten, dass alle süddeutschen Ortsnamen auf keltische Naturbegriffe zurückzuführen sind, wie zum Beispiel das keltische meg = Wiese in Meggingen. Die Erklärung mit dubo stimmt mit den phonologischen Gesetzmäßigkeiten der keltischen und germanischen Sprachstämme überein: das keltische d- (das im Irischen stimmlos wurde) < das Indo-Europäische *dh- oder *d-, und das Germanische t- < Indo- Europäisches *-bh; das Keltische -u- und das Germanische -u- ( das -ü- in Tübingen weist einen i- Umlaut auf) < das Indoeuropäische *-eu-. Diese Rekonstruktion führt zum Indo- Europäischen *dheubh 'dunkel, schwarz'. Im Keltischen erscheint diese Wurzel im Altirischen dub, im modernen Irischen dubh, im Altwalischen dub, im modernen Walisischen du, im Altkornischen duw, im Mittelkornischen du, im Bretonischen du und im Gallischen dubis. Diese Wörter bedeuten alle 'schwarz'. Die Wurzel erscheint auch im Gotischen daubs und im Althochdeutschen toub = 'taub'.


Andere Forscher wiederum erkennen ein Element germanischen Ursprungs im Wort Tübingen. Von Rizler (1909: 11) behauptet, dass die Silbe -ing- hauptsächlich an uralte germanische Personennamen angefügt wurde, die schon im 11. und 12. Jahrhundert veraltet waren. Diese Namen waren zum Teil die Namen von Bauern, aber hauptsächlich die von Bewohnern der Stadt, insbesondere von Patriziern, Rittern, und von Edelmännern wie auch von Geistlichen. Da die Pluralendung im Dativ -en wahrscheinlich mit bedeutet, heißt Sigmaringen 'mit dem Volk des Sigmar', Gundelfingen 'mit dem Volk des Gund(W)olf', Onstmettingen 'mit dem Volk des Ausmuot', Tailfingen 'mit dem Volk des Tagwolf', usw. In der Gegend rings um den Fluss Neckar wimmelt es nur so von Ortsnamen wie Bempflingen, Eßlingen, Göppingen, Nürtingen, Reutlingen und Taiflingen. Analog dazu kann man natürlich von einer ähnlichen Bildung des Wortes Tübingen ausgehen: Tübingen = 'mit dem Volk des Tub(o)'.


Aus diesen etymologischen Interpretationen lässt sich das Alter der Stadt Tübingen nur erraten. Wir wissen nur, dass Ortsnamen mit -ing(en) in den ältesten Dokumenten vorkommen. Schwarz ( 1950: 232) behauptet, dass diese Städte schon im 8. Jahrhundert gegründet wurden. Er zitiert den Städtenamen Reinting, der auf den Namen des Rihmunt zurückgeht. Dieser machte in den Jahren 806-818 in die Ortschaften Frauenfels, Elsenbach, Strogen und Velden betreffende Gerichtsprozessen Zeugenaussagen. Die Namen seiner Mitzeugen bildeten auch den Grundstock einiger Ortsnamen wie Liutto > Loiting, Ohhard > Onharting und Sigolf > Siglfing. Andreas Goldmayer behauptet in seiner astrologischen Chronik, dass Tübingen im Jahre 37 nach Christus am 14. Mai um 5:43 gegründet wurde. Goldmayer bewies dies nicht wissenschaftlich, aber damals schickten auch noch keine Universitäten ihre Studierenden zum Austausch nach Tübingen, die Goldmayer das Gegenteil beweisen hätten können.

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Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]