Eckhaus am Neckartor: Unterschied zwischen den Versionen

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[[File:Tübingen 2014 by-RaBoe 104.jpg|mini|Das Haus und die Neckarfront]]
[[File:P Sinner - Württembergisches Militär auf der Eberhardsbrücke 1895 (TSiW073).jpg|mini|Das Schnaith'sche Haus mit [[Alte Neckarbrücke|alter Neckarbrücke]], d.h. vor [[1899]]]]
Das Eckhaus [[Neckargasse]] 22 / [[Eberhardsbrücke]] bildet den östlichen Abschluss der [[Neckarfront]] und ist ein markanter Blickfang an der Neckarbrücke.  
Das Eckhaus [[Neckargasse]] 22 / [[Eberhardsbrücke]] bildet den östlichen Abschluss der [[Neckarfront]] und ist ein markanter Blickfang an der Neckarbrücke.  


 
Das heutige Haus wurde [[1952]]/[[1953|53]] erbaut und beherbergt im ersten Stock das Restaurant [[Sanbao]]. Im Erdgeschoss befindet sich eine Telekom-Filiale und darunter das italienische Restaurant [[La Torre]]. In den oberen Stockwerken sind Arzt- und Anwaltspraxen.  
Das heutige Haus wurde [[1952]] erbaut und beherbergt im ersten Stock das [[Café Restaurant Bellevue]]. Im Erdgeschoss befindet sich die Apotheke am Neckartor und darunter das Restaurant La Torre. In den oberen Stockwerken sind Arzt- und Anwaltspraxen.  


Dieser Bauplatz hat eine lange Geschichte, es standen hier mehrere Vorgängerbauten.  
Dieser Bauplatz hat eine lange Geschichte, es standen hier mehrere Vorgängerbauten.  
Allen Gebäuden gemeinsam war der Stadtmauerturm, an den sie jeweils angebaut waren und der bis heute, mal niedriger, mal höher, erhalten blieb.  
Allen Gebäuden gemeinsam war der Stadtmauerturm, an den sie jeweils angebaut waren und der bis heute - mal niedriger, mal höher - erhalten blieb.  
 


==Walkmühle==  
==Walkmühle==  
Direkt am Neckar gelegen, war die Walkmühle die unterste der Mühlen am [[Ammerkanal]], von dem ein Arm hier - damals wie heute - in den Neckar mündet und dem Bau seine erste Bestimmung gab. Wann hier zuerst eine Walkmühle errichtet wurde, ist nicht bekannt. Erstmals schriftlich erwähnt ist sie 1544, als sie von einem Walkmüller namens Martin Laupheim betrieben wurde.  
Direkt hinter der Stadtmauer am Neckar gelegen, war die Walkmühle die unterste der Mühlen am [[Ammerkanal]], von dem ein Arm hier - damals wie heute - in den Neckar mündet und dem Bau seine erste Bestimmung gab. Wann hier zuerst eine Walkmühle errichtet wurde, ist nicht bekannt. Erstmals schriftlich erwähnt ist sie 1544, als sie von einem Walkmüller namens Martin Laupheim betrieben wurde.  


Die Mühle wurde in der Folgezeit vielfach erweitert. Nach dem Rückgang der Erträge der Stadtmühlen seit den 1820er Jahren wegen der Konkurrenz der automatisierten Kunstmühlen wurden die vier städtischen Mahlmühlen 1835 an Privat verkauft. Das Gebäude wurde schließlich 1880 abgebrochen. <ref name="Quelle Mühlstraße">''Die Mühlstraße in Tübingen. Zierde der Stadt?'' Materialien einer Ausstellung, bearbeitet von Bernhard Sterra. Kulturamt Tübingen, 1990</ref>  
Die Mühle wurde in der Folgezeit vielfach erweitert. Nach dem Rückgang der Erträge der Stadtmühlen seit den 1820er Jahren wegen der Konkurrenz der automatisierten Kunstmühlen wurden die vier städtischen Mahlmühlen 1835 an Privat verkauft. Der letzte Besitzer, der Stadtrat Louis Schnaith, wollte eine moderne Mühle haben und ließ das Gebäude 1880 abreißen, um an seiner Stelle ein modernes zu erbauen. <ref name="Quelle Mühlstraße">Bernhard Sterra: ''Die Mühlstraße in Tübingen. Zierde der Stadt?'' Materialien einer Ausstellung, Kulturamt Tübingen, 1990.</ref>  


==Bau von 1881==  
==Bau von 1881==  
Es folgte die Kunstmühle von Louis Schnaith in einem stattlichen Gründerzeit-Neubau mit Mansardwalmdach. Er hatte ab Straßen-Niveau vier Stockwerke, wenn man die Unter- und Dachgeschosse mitrechnet, acht. Der Turm wurde dabei aufgestockt.
Louis Schnaith ließ einen stattlichen Gründerzeit-Neubau mit Mansardwalmdach errichten, der in seinem unteren Teil die Kunstmühle enthielt. Der alte Eckturm der Stadtmauer wurde in das Gebäude integriert und dabei aufgestockt. Es hatte ab Straßen-Niveau vier Stockwerke, wenn man die Unter- und Dachgeschosse mitrechnet acht.
 
Die Mühle wurde 1899 in die "Tübinger Schwimmhalle" umgebaut, die sich auch "Ludwigsbad" nannte. Es war das erste Tübinger Hallenbad.
 
Aber dies wurde schon bald geschlossen und in das gehobene "Café-Restaurant Ludwigsbad" in der ehemaligen Badehalle umgewandelt.
 
Auch das bestand nicht allzu lang. 1908 wurde hier das erste Tübinger Kino, das "Metropol", eingerichtet.  


In den 1920er Jahren schließlich eröffnete hier das vegetarische "Café-Restaurant Pomona".  
Ende der 1890er Jahre, in der Zeit als man Wasserantrieb durch modernere Antriebsarten ersetzte, ließ die Rentabilität der Kunstmühle so stark nach, dass sie aufgegeben wurde.
[[Datei:Ludwigsbad.jpg|mini|Opulente Inneneinrichtung des [[Ludwigsbad]]s]]
Die Mühle wurde 1899 in die Schwimmhalle umgebaut, die sich "[[Ludwigsbad]]" nannte. Es war das erste Tübinger Hallenbad. Das Hallenbad bewährte sich nicht und wurde schon Anfang 1903 geschlossen. Der nächste Umbau beruhte im Wesentlichen darauf, dass der Schwimmbecken abgedeckt wurde. Im April eröffnete das gehobene „Café Ludwigsbad“ in der ehemaligen Badehalle.  


Das Haus wurde 1944 durch eine alliierte Luftmine teilzerstört. <ref name="Quelle Mühlstraße"/>
Das Café bestand auch nicht allzu lang – nur bis Herbst 1908. 1911 wurde hier das erste Tübinger Kino, das „[[Kino Metropol|Metropol]]“ (später „[[Tübinger Lichtspiele]]“) eingerichtet.  


==Neubau 1952==
1928 schließlich eröffnete hier das vegetarische Restaurant und Tanzcafé „Pomona“, das 1933 als erstes in Tübingen „judenfreies“ Lokal warb und bekannt wurde.  
„Nach [[Kriegsende]] 1945 stand das schwer beschädigte Pomona-Gebäude noch jahrelang als Trümmerkulisse am Neckartor. In der Ruine betrieb das Reisebüro Reder ein Verkehrsbüro im Auftrag der Stadt.
Ende 1947 lagen noch immer Trümmer herum, ragten Ruinen auf. Ihre Beseitigung geriet zu einer lokalpolitischen Posse, bei der sich der Gemeinderat und die Verwaltung gegenseitig die Schuld zuschoben. Obwohl der Schutt noch in den Straßen lag, wurde ein Architektenwettbewerb zur Neugestaltung des Neckartores ausgeschrieben. Die prämierten Entwürfe der Architekten Karl Wägenbaur (2. Preis), Ernst Liedecke (3. Preis) sowie der angekauften Projekte von Karl Weidle, Ulrich Reinhardt und Ernst Breitling wurden Ende Dezember 1947 in der Kepler-Oberschule (heute -Gymnasium) ausgestellt und fanden reges Interesse. Über die Zukunft des Bauskeletts erhitzten sich noch jahrelang die Gemüter: Während die einen dort bereits Parkplätze sahen, wollten andere geschichtsbeflissene Tübinger die Ruine abreißen und originalgetreu wieder aufbauen. Diesem langjährigen Streit, der sich auch wegen eines fehlenden Baulandgesetzes in die Länge zog, setzte der Gemeinderat am Rosenmontag 1952 ein Ende. Mit großer Mehrheit stimmte er einem Vertrag mit dem Eigentümer Rilling zu, der diesen zum Abbruch und Neubau des Gebäudes nach den Plänen des Architekten Liedicke verpflichtete. Zur Entschädigung winkte die Stadt mit 80 000 Mark Zuschuss und einem zinsgünstigen Darlehen von 70 000 Mark.“ <ref>''Udo Rauch, Antje Zacharias (Hg.): Sieben Jahre Landeshauptstadt. Tübingen und Württemberg-Hohenzollern 1945 bis 1952.'' Universitätsstadt Tübingen, Kulturamt, 2002</ref>


Das Haus wurde im März 1944 durch eine englische [[Luftangriffe|Luftmine]], die auf das [[Uhlandhaus]] fiel, so stark beschädigt, dass es nicht mehr aufgebaut werden konnte.<ref name="Quelle Mühlstraße"/>


Man hatte sich für einen Kompromiss entschieden: ein modernes Haus, das sich durch seine Form und Gestaltung in die historische Umgebung einpasst. Bis auf die unteren Geschosse wurde auch der Turm abgetragen, aber wieder aufgestockt, aus Proportionsgründen um ein Geschoss niedriger als beim Vorgängerbau. Um den Turm wurde erstmals eine Wendeltreppe angebracht, die eine praktische öffentliche Verbindung zum [[Zwingel]] darstellt. Mit dem Spitzgiebel zur Südseite gliedert sich der Neubau auch optisch in die Giebelhäuserreihe der [[Neckarfront]] ein.  
==Neubau 1953==
„Nach [[Kriegsende]] 1945 stand das schwer beschädigte Pomona-Gebäude noch jahrelang als Trümmerkulisse am Neckartor.  In der Ruine betrieb das Reisebüro Reder ein Verkehrsbüro im Auftrag der Stadt.
Ende 1947 lagen noch immer Trümmer herum, ragten Ruinen auf. Ihre Beseitigung geriet zu einer lokalpolitischen Posse, bei der sich der Gemeinderat und die Verwaltung gegenseitig die Schuld zuschoben. Obwohl der Schutt noch in den Straßen lag, wurde ein Architektenwettbewerb zur Neugestaltung des Neckartores ausgeschrieben. Die prämierten Entwürfe der Architekten Karl Wägenbaur (2. Preis), Ernst Liedecke (3. Preis) sowie der angekauften Projekte von Karl Weidle, Ulrich Reinhardt und Ernst Breitling wurden Ende Dezember 1947 in der Kepler-Oberschule (heute -Gymnasium) ausgestellt und fanden reges Interesse. Über die Zukunft des Bauskeletts erhitzten sich noch jahrelang die Gemüter: Während die einen dort bereits Parkplätze sahen, wollten andere geschichtsbeflissene Tübinger die Ruine abreißen und originalgetreu wieder aufbauen. Diesem langjährigen Streit, der sich auch wegen eines fehlenden Baulandgesetzes in die Länge zog, setzte der Gemeinderat am Rosenmontag 1952 ein Ende. Mit großer Mehrheit stimmte er einem Vertrag mit dem Eigentümer Rilling zu, der diesen zum Abbruch und Neubau des Gebäudes nach den Plänen des Architekten Liedicke verpflichtete. Zur Entschädigung winkte die Stadt mit 80 000 Mark Zuschuss und einem zinsgünstigen Darlehen von 70 000 Mark...“ <ref>Udo Rauch, Antje Zacharias (Hg.): ''Sieben Jahre Landeshauptstadt. Tübingen und Württemberg-Hohenzollern 1945 bis 1952''. Universitätsstadt Tübingen, Kulturamt, 2002.</ref>


1953 eröffnete das "Café Armleder" (''nach anderer Quelle erst 1975''). In den 1990er Jahren folgte das "Neckarbistro", bis nach einer Übergangszeit mit der Bar [[Neckarmaier]] Ende 2011 das [[Café Restaurant Bellevue]] seine Pforten öffnete.  
Man hatte sich für einen Kompromiss entschieden: ein modernes Haus, das sich durch seine Form und Gestaltung in die historische Umgebung einpasst. Bis auf die unteren Geschosse wurde auch der Turm abgetragen, aber wieder aufgestockt - aus Proportionsgründen um ein Geschoss niedriger als beim Vorgängerbau. Um den Turm wurde erstmals eine Wendeltreppe angebracht, die eine praktische öffentliche Verbindung zum [[Zwingel]] darstellt. Mit dem Spitzgiebel an der Südseite gliedert sich der Neubau auch optisch in die Giebelhäuserreihe der [[Neckarfront]] ein.  


1953 eröffnete hinter der großzügigen Glasfront im 1. Obergeschoss eine neue Gastronomie ("Café Neckartor"), ab 1975 das "Café Armleder".<ref>[http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Ulf-Siebert-gruendet-neues-Cafe-_arid,122035.html Tagblatt-Artikel Jan. 2011]</ref> Mitte der 1990er Jahre folgte das "Neckarbistro", das bis 2009 bestand. Nach einer ca. dreivierteljährigen Übergangszeit mit der Bar [[Neckarmaier]] öffnete Ende 2011 das [[Bellevue Restaurant-Café|Café-Restaurant Bellevue]] seine Pforten und blieb bis Mitte 2016. Der Raum im Turm heißt seitdem Hölderlinzimmer. Im September 2016 wurde das Restaurant [[Sanbao]] eröffnet.


==Alte Abbildungen==  
==Alte Abbildungen==  
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Datei:Die Brücke zu Tübingen von J W Stör um 1735.jpg|Die Brücke zu Tübingen um 1753, Walkmühle mit Turm oberhalb der Brücke
Die Brücke zu Tübingen von J W Stör um 1735.jpg|Die Brücke zu Tübingen um [[1753]], Walkmühle mit Turm oberhalb der Brücke
File:Louis Aickelin Neckarbrücke und Neckarfront Salzpapierabzug 1855.jpg|Neckarbrücke, Salzpapierabzug 1855  
Louis Aickelin Neckarbrücke und Neckarfront Salzpapierabzug 1855.jpg|Neckarbrücke, Salzpapierabzug [[1855]]
Datei:Neckartor.jpg|Neckartor von Osten (19. Jhdt.)  
Neckartor.jpg|Neckartor von Osten <br> (19. Jhdt.)  
File:Sinner-Tübingen-Neckartor-Walkmühle- um 1875.jpg|Links die alte Walkmühle (um 1875)  
Sinner-Tübingen-Neckartor-Walkmühle- um 1875.jpg|Links die alte Walkmühle (um [[1875]])
Datei:Ludwigsbad 1903 Sinner.jpg|Das 1881 gebaute Haus, Foto 1903: Restaurant und Café Ludwigsbad  
Sinner-Hölderlinturm-1864.jpg|Rechts der Turm an der Walkmühle ([[1869]])  
Datei:Tübingen_Kinematograf_1915.jpg |Foto 1915: [[Kino Metropol]], später Tübinger Lichtspiele [[TüLi]]  
Ludwigsbad 1903 Sinner.jpg|Das 1881 gebaute Haus, Foto 1903: Restaurant und Café [[Ludwigsbad]]
File:Tübingen um 1917.jpg|Neckarbrücke um 1917
Café-Restaurant Ludwigsbad (AK Gebr. Metz 1908 TPk187A).jpg|Café und Restaurant Ludwigsbad, vor 1908
Datei:Abriss-bei-Neckargasse-Mühlstraße-1952.png|Abriss der Ruine 1952  
Partie an der Neckarbrücke mit Neckargasse (AK 20638 Gebr. Metz 1905).jpg|Tübingen Partie a. d. Neckarbrücke m. Neckargasse, [[1905]]
Kinematograf am Neckartor (AK H Sting 1911).jpg|[[Kino Metropol]], später Tübinger Lichtspiele [[TüLi]] ([[1911]])
Neckarbrücke mit Österberg und Uhlandhaus (Kupferdruck-AK 0.230.82 H Sting).jpg|Neckarbrücke um [[1931]]
Café Pomona (AK Gebr. Metz 1930er TPk187B.jpg|Café Pomona, 1930er Jahre
Abriss-bei-Neckargasse-Mühlstraße-1952.png|Abriss der Ruine [[1952]]
Gaststätte zur Steinlach in der Neckargasse.jpg|Fertiger Neubau vorne links im Bild (nach [[1952]])
Fuhrpark DRK Neckarbruecke 1957.jpg|Café Neckartor [[1957]]
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==Weblinks==
*[http://www.bellevue-tuebingen.de/ Café Restaurant Bellevue], auch mit einer Bilderserie des Gebäudes und seines Vorgängers


==Quellen==  
==Quellen==  
<references/>  
<references/>  
==Weblinks==
* [[Sanbao]]




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[[Kategorie:Gebäude]] [[Kategorie:Gastronomie]] [[Kategorie:Architektur]] [[Kategorie:Altstadt]] [[Kategorie:Geschichte]] [[Kategorie:Mühlen]]
[[Kategorie:Gebäude]] [[Kategorie:Gastronomie]] [[Kategorie:Architektur]] [[Kategorie:Geschichte]] [[Kategorie:Mühlen]] [[Kategorie:Landmarken]] [[Kategorie:Altstadt]] [[Kategorie:Zentrum]]

Version vom 22. Dezember 2021, 00:10 Uhr

Das Eckhaus von Südwesten
Das Haus und die Neckarfront
Das Schnaith'sche Haus mit alter Neckarbrücke, d.h. vor 1899

Das Eckhaus Neckargasse 22 / Eberhardsbrücke bildet den östlichen Abschluss der Neckarfront und ist ein markanter Blickfang an der Neckarbrücke.

Das heutige Haus wurde 1952/53 erbaut und beherbergt im ersten Stock das Restaurant Sanbao. Im Erdgeschoss befindet sich eine Telekom-Filiale und darunter das italienische Restaurant La Torre. In den oberen Stockwerken sind Arzt- und Anwaltspraxen.

Dieser Bauplatz hat eine lange Geschichte, es standen hier mehrere Vorgängerbauten. Allen Gebäuden gemeinsam war der Stadtmauerturm, an den sie jeweils angebaut waren und der bis heute - mal niedriger, mal höher - erhalten blieb.

Walkmühle

Direkt hinter der Stadtmauer am Neckar gelegen, war die Walkmühle die unterste der Mühlen am Ammerkanal, von dem ein Arm hier - damals wie heute - in den Neckar mündet und dem Bau seine erste Bestimmung gab. Wann hier zuerst eine Walkmühle errichtet wurde, ist nicht bekannt. Erstmals schriftlich erwähnt ist sie 1544, als sie von einem Walkmüller namens Martin Laupheim betrieben wurde.

Die Mühle wurde in der Folgezeit vielfach erweitert. Nach dem Rückgang der Erträge der Stadtmühlen seit den 1820er Jahren wegen der Konkurrenz der automatisierten Kunstmühlen wurden die vier städtischen Mahlmühlen 1835 an Privat verkauft. Der letzte Besitzer, der Stadtrat Louis Schnaith, wollte eine moderne Mühle haben und ließ das Gebäude 1880 abreißen, um an seiner Stelle ein modernes zu erbauen. [1]

Bau von 1881

Louis Schnaith ließ einen stattlichen Gründerzeit-Neubau mit Mansardwalmdach errichten, der in seinem unteren Teil die Kunstmühle enthielt. Der alte Eckturm der Stadtmauer wurde in das Gebäude integriert und dabei aufgestockt. Es hatte ab Straßen-Niveau vier Stockwerke, wenn man die Unter- und Dachgeschosse mitrechnet acht.

Ende der 1890er Jahre, in der Zeit als man Wasserantrieb durch modernere Antriebsarten ersetzte, ließ die Rentabilität der Kunstmühle so stark nach, dass sie aufgegeben wurde.

Opulente Inneneinrichtung des Ludwigsbads

Die Mühle wurde 1899 in die Schwimmhalle umgebaut, die sich "Ludwigsbad" nannte. Es war das erste Tübinger Hallenbad. Das Hallenbad bewährte sich nicht und wurde schon Anfang 1903 geschlossen. Der nächste Umbau beruhte im Wesentlichen darauf, dass der Schwimmbecken abgedeckt wurde. Im April eröffnete das gehobene „Café Ludwigsbad“ in der ehemaligen Badehalle.

Das Café bestand auch nicht allzu lang – nur bis Herbst 1908. 1911 wurde hier das erste Tübinger Kino, das „Metropol“ (später „Tübinger Lichtspiele“) eingerichtet.

1928 schließlich eröffnete hier das vegetarische Restaurant und Tanzcafé „Pomona“, das 1933 als erstes in Tübingen „judenfreies“ Lokal warb und bekannt wurde.

Das Haus wurde im März 1944 durch eine englische Luftmine, die auf das Uhlandhaus fiel, so stark beschädigt, dass es nicht mehr aufgebaut werden konnte.[1]

Neubau 1953

„Nach Kriegsende 1945 stand das schwer beschädigte Pomona-Gebäude noch jahrelang als Trümmerkulisse am Neckartor. In der Ruine betrieb das Reisebüro Reder ein Verkehrsbüro im Auftrag der Stadt. Ende 1947 lagen noch immer Trümmer herum, ragten Ruinen auf. Ihre Beseitigung geriet zu einer lokalpolitischen Posse, bei der sich der Gemeinderat und die Verwaltung gegenseitig die Schuld zuschoben. Obwohl der Schutt noch in den Straßen lag, wurde ein Architektenwettbewerb zur Neugestaltung des Neckartores ausgeschrieben. Die prämierten Entwürfe der Architekten Karl Wägenbaur (2. Preis), Ernst Liedecke (3. Preis) sowie der angekauften Projekte von Karl Weidle, Ulrich Reinhardt und Ernst Breitling wurden Ende Dezember 1947 in der Kepler-Oberschule (heute -Gymnasium) ausgestellt und fanden reges Interesse. Über die Zukunft des Bauskeletts erhitzten sich noch jahrelang die Gemüter: Während die einen dort bereits Parkplätze sahen, wollten andere geschichtsbeflissene Tübinger die Ruine abreißen und originalgetreu wieder aufbauen. Diesem langjährigen Streit, der sich auch wegen eines fehlenden Baulandgesetzes in die Länge zog, setzte der Gemeinderat am Rosenmontag 1952 ein Ende. Mit großer Mehrheit stimmte er einem Vertrag mit dem Eigentümer Rilling zu, der diesen zum Abbruch und Neubau des Gebäudes nach den Plänen des Architekten Liedicke verpflichtete. Zur Entschädigung winkte die Stadt mit 80 000 Mark Zuschuss und einem zinsgünstigen Darlehen von 70 000 Mark...“ [2]

Man hatte sich für einen Kompromiss entschieden: ein modernes Haus, das sich durch seine Form und Gestaltung in die historische Umgebung einpasst. Bis auf die unteren Geschosse wurde auch der Turm abgetragen, aber wieder aufgestockt - aus Proportionsgründen um ein Geschoss niedriger als beim Vorgängerbau. Um den Turm wurde erstmals eine Wendeltreppe angebracht, die eine praktische öffentliche Verbindung zum Zwingel darstellt. Mit dem Spitzgiebel an der Südseite gliedert sich der Neubau auch optisch in die Giebelhäuserreihe der Neckarfront ein.

1953 eröffnete hinter der großzügigen Glasfront im 1. Obergeschoss eine neue Gastronomie ("Café Neckartor"), ab 1975 das "Café Armleder".[3] Mitte der 1990er Jahre folgte das "Neckarbistro", das bis 2009 bestand. Nach einer ca. dreivierteljährigen Übergangszeit mit der Bar Neckarmaier öffnete Ende 2011 das Café-Restaurant Bellevue seine Pforten und blieb bis Mitte 2016. Der Raum im Turm heißt seitdem Hölderlinzimmer. Im September 2016 wurde das Restaurant Sanbao eröffnet.

Alte Abbildungen

Quellen

  1. 1,0 1,1 Bernhard Sterra: Die Mühlstraße in Tübingen. Zierde der Stadt? Materialien einer Ausstellung, Kulturamt Tübingen, 1990.
  2. Udo Rauch, Antje Zacharias (Hg.): Sieben Jahre Landeshauptstadt. Tübingen und Württemberg-Hohenzollern 1945 bis 1952. Universitätsstadt Tübingen, Kulturamt, 2002.
  3. Tagblatt-Artikel Jan. 2011

Weblinks




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