Außenstelle Weißenau der Universität Tübingen: Unterschied zwischen den Versionen

Aus TUEpedia
Wechseln zu:Navigation, Suche
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
Die '''Außenstelle Weißenau der Universität Tübingen''' entstand im Januar [[1983]]. Sie wurde im April [[2001]] aufgelöst. Sie geht auf ein ehemaliges Max-Planck-Institut für Aeronomie zurück.<ref>[http://www.uni-tuebingen.de/neuropsychologie/Chr_Weissenau1.htm Die stelle Weißenau der Universität Tübingen.]</ref> Während des zweiten Weltkrieges war dieses Institut aus dem von Bomben bedrohten Friedrichshafen auf eine abgelegene Waldwiese in der Rasthalde bei Ravensburg-Weißenau verlegt worden. Bis zum Tode des damaligen Direktors wurde in Weißenau unter anderem an der Entwicklung von Höhenmesstechniken z.B. mit Hilfe von Ballonen und V2-Raketen gearbeitet. Nachdem dem Nachfolger von Prof. Regener ein neues Institut in Lindau/Harz gestiftet wurde, verblieben einige der Abteilungen in Weißenau. Diese wurden dem Astronomischen Institut der Universität Tübingen zugeordnet, da die Universitäten Konstanz und Ulm damals noch nicht existierten.
Die '''Außenstelle Weißenau der Universität Tübingen''' entstand im Januar [[1983]]. Sie wurde im April [[2001]] aufgelöst. Sie geht auf ein ehemaliges Max-Planck-Institut für Aeronomie zurück.<ref>[http://www.uni-tuebingen.de/neuropsychologie/Chr_Weissenau1.htm Die Außenstelle Weißenau der Universität Tübingen.]</ref> Während des zweiten Weltkrieges war dieses Institut aus dem von Bomben bedrohten Friedrichshafen auf eine abgelegene Waldwiese in der Rasthalde bei Ravensburg-Weißenau verlegt worden. Bis zum Tode des damaligen Direktors wurde in Weißenau unter anderem an der Entwicklung von Höhenmesstechniken z.B. mit Hilfe von Ballonen und V2-Raketen gearbeitet. Nachdem dem Nachfolger von Prof. Regener ein neues Institut in Lindau/Harz gestiftet wurde, verblieben einige der Abteilungen in Weißenau. Diese wurden dem Astronomischen Institut der Universität Tübingen zugeordnet, da die Universitäten Konstanz und Ulm damals noch nicht existierten.
 


== Ein fast gelungenes Experiment ==
== Ein fast gelungenes Experiment ==
Zeile 26: Zeile 25:
==Quellen==
==Quellen==
<references/>
<references/>
[[Kategorie:Universität]]

Version vom 4. Mai 2012, 23:10 Uhr

Die Außenstelle Weißenau der Universität Tübingen entstand im Januar 1983. Sie wurde im April 2001 aufgelöst. Sie geht auf ein ehemaliges Max-Planck-Institut für Aeronomie zurück.[1] Während des zweiten Weltkrieges war dieses Institut aus dem von Bomben bedrohten Friedrichshafen auf eine abgelegene Waldwiese in der Rasthalde bei Ravensburg-Weißenau verlegt worden. Bis zum Tode des damaligen Direktors wurde in Weißenau unter anderem an der Entwicklung von Höhenmesstechniken z.B. mit Hilfe von Ballonen und V2-Raketen gearbeitet. Nachdem dem Nachfolger von Prof. Regener ein neues Institut in Lindau/Harz gestiftet wurde, verblieben einige der Abteilungen in Weißenau. Diese wurden dem Astronomischen Institut der Universität Tübingen zugeordnet, da die Universitäten Konstanz und Ulm damals noch nicht existierten.

Ein fast gelungenes Experiment

Professor Dr. Bruno Preilowski zog 1983 mit seinen Mitarbeitern in die Räume des astronomischen Instituts und ehemaligen Max-Planck-Instituts für Aeronomie bei Ravensburg-Weißenau. Aus einer als provisorisch geplanten Unterbringung wurde ein längerfristiges Experiment, dessen Ergebnisse unterschiedlich bewertet werden.

Prof. Preilowski kam 1972 aus dem Labor des berühmten Neurobiologen Roger W. Sperry am California Institute of Technology an die Universität Konstanz. In Sperrys Labor hatte er mit sogenannte Split-brain Patienten gearbeitet. Aber auch mit Rhesusaffen, an denen die Techniken der Split-brain Operation zur Therapie von schweren, medikamentös nicht zu beherrschenden Epilepsien entwickelt wurden. Sperry erhielt 1981 den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie für seine Arbeiten zur Gehirnasymmetrie, deren Ergebnisse über die unterschiedlichen sich ergänzenden Funktionen der beiden Gehirnhälften heute schon Teil unseres Allgemeinwissens geworden sind. Preilowskis Beitrag bestand aus der Beschreibung von bislang unbekannten Funktionen der vorderen Anteile des Balkens (Corpus callosum), eines dicken Nervenfaserbündels, das die beiden Großhirnhälften unmittelbar miteinander verbindet. Außerdem konnte er als erster nachweisen, daß auch die rechte Hemisphäre der Split-Brain Patienten nichtsprachliche, emotionale Funktionen besitzt, die auf typisch menschliches Bewußtsein schließen lassen. An der Universität Konstanz baute er ein Labor auf, in dem wie in Sperrys Arbeitsgruppe die Möglichkeit bestand, zwischen dem Labor und der Klinik hin- und herzuwechseln und Untersuchungen sowohl mit Tieren als auch Menschen durchzuführen.

Dieses Vorgehen sollte auch nach seiner Berufung an die Universität Tübingen praktiziert werden. Aber es ergaben sich Schwierigkeiten, für einen Psychologen in einer Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften, adäquate naturwissenschaftlich nutzbare Räumlichkeiten bereit gestellt zu bekommen. Während in Konstanz noch unter Mitarbeit von Preilowski ein zentrales Tierlabor geplant und dann wenn auch in einer wesentlich reduzierten Ausführung gebaut wurde, konnte man in Tübingen von solchen Bedingungen nur träumen. Aber in Deutschland ist nun mal kein Bleiben für einen jungen Wissenschaftler an einer Universität. Auch wenn er noch soviel Aufbauarbeit geleistet hat, muß er, nachdem er sich mit der Habilitation für ein Professorenamt qualifiziert hat, diese Universität verlassen. Wenn es gut geht, kann er oder sie eine Professur an einer anderen Universität ergattern. Aber nicht alle bekommen diese Chance: Preilowski sagte: "Es haben schon bessere, erfahrenere Kollegen trotz ja manchmal könnte man sogar sagen wegen - ihres großen Einsatzes für die Universität und für eine vernünftige Lehre und Forschung ihre akademische Karriere begraben müssen, weil sie nicht an der Universität bleiben durften, an der sie soviel investiert hatten, und weil sie innerhalb der gesetzten Fristen keine andere Stelle fanden."[2]

Nach vierjähriger, vergeblicher und für alle Beteiligten sehr frustrierenden Bemühungen, Räume in Tübingen zu finden, ergaben sich durch die Pensionierung des Hagelforschers Professor Mühleisen, Räumlichkeiten in der Außenstelle in Weißenau, die für die Arbeitsgruppe von Preilowski nutzbar gemacht werden konnten. Ausschlaggebend dafür, der provisorischen Auslagerung nach Ravensburg-Weissenau zuzustimmen, war das Angebot des Neurochirurgen Professor Reulen und des Neurologen Professor von Büdingen vom St. Elisabethenkrankenhaus, Forschung und Lehre im Bereich der Klinischen Neuropsychologie zu unterstützen. Beide waren und sind auf ihren Fachgebieten international bekannt und ihr Interesse und kollegiale Unterstützung waren eine große Hilfe für die geplanten Unternehmungen in der neu orientierten Außenstelle.

So entwickelte sich aus dem Provisorium das eigentliche Experiment der Außenstelle: Studenten hatten in Weißenau die Möglichkeit, in Kompaktkursen und Praktika direkten Einblick in die Experimentelle und Klinische Neuropsychologie zu erhalten. Ferner konnten Diplomkandidaten nach dem Abschluß der mündlichen Prüfungen ein halbes Jahr im Wohnheim der Außenstelle zusammen mit Doktoranden kostenfrei wohnen und gemeinsam im Labor oder in den Kliniken ihre Untersuchungen für die Examensarbeiten anfertigen. Es schien eine ideale Verwirklichung der Humboldtschen Idee von der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, erweitert durch die Gemeinschaft der Kliniker und Experimentatoren, möglich zu sein. Etwas später wurde diese innovative Form der Ausbildung noch durch Professor Fröscher und seine neurologische Abteilung sowie die Kollegen des psychiatrischen Landeskrankenhauses Weißenau unterstützt. Auch der Nachfolger von Professor Reulen am St. Elisabethenkrankenhaus, Herr Dr. Pöll, war eine große Hilfe für die Arbeitsgruppe im Rahlenwald. Preilowski sagte: "Insgesamt ist es vielen Personen, mehr als ich jetzt spontan aufzählen kann, zu danken, daß das Experiment Außenstelle Weißenau überhaupt funktionierte. Dazu gehörten auch die technische Unterstützung durch die Fachhochschule und die Universität Konstanz genauso wie Hilfeleistungen einzelner Verwaltungsangestellter, Psychologen und Ärzte, die wir oft mit unkonventionellen Wünschen konfrontieren mussten."[2]

Ein Rhesusaffe hinter Gittern

Das Projekt war aber nur partiell erfolgreich: Es ist nicht gelungen, Forschungsgeldgeber davon zu überzeugen, dass Experimente mit Primaten - wie Rhesusaffen - nicht in einer ex-und-hopp Manier durchzuführen sind. Wenn man mit hochentwickelten Tieren experimentiert, ist es wichtig, ihre Lebens- und Lerngeschichte zu kennen. Man muß sicherstellen können, daß diese Tiere ihr volles Potential während der Entwicklung entfalten konnten. Aussagen über Gehirnfunktionen, die letztlich dem Verständnis unseres eigenen Gehirns dienen sollen, kann man nicht auf Untersuchungen mit Tieren basieren, die durch einen belastenden Tierhandel, die Quarantäne, durch lange Transporte oder durch eine Haltung unter reizverarmten und streßvollen Bedingungen traumatisiert und behindert wurden. In der Weißenauer Tierhaltung wurde versucht, die Zuchtbedingungen so optimal wie möglich zu gestalten und eine Verbindung von Experiment und Tierhaltung herzustellen, die beispielsweise den Tieren erlaubte, die Testaufgaben im Laufe des Tages selbständig zu beginnen und durchzuführen. ... In mancherlei Hinsicht konnten vergleichsweise großzügige Außengehege durchgesetzt werden. Aber letztlich wurde die Haltung einer Tierkolonie als finanziell bedrohliche, langfristige Festlegung angesehen, die alle potentiellen Geldgeber vermeiden wollten. Es ist im Prinzip das gleiche Problem wie die sattsam bekannte Tatsache, daß es viel leichter ist, riesige Summen für ein Gerät zu bekommen, als noch nicht einmal annähernd soviel Geld für Gehälter von Personal. Preilowski sah darin auch eine gewisse Scheinheiligkeit bezüglich Tierexperimenten. Viele Stiftungen und Preise werden jährlich vergeben für Bemühungen, Tierexperimente zu ersetzen - ohne Zweifel ein lobenswerter Einsatz - aber es gibt keinen einzigen Preis und keinerlei Unterstützung für diejenigen, die durch artgerechteres Experimentieren versuchen, verlässlichere wissenschaftliche Ergebnisse zu erarbeiten, dabei die Tiere auch viel weniger zu belasten und letztlich dadurch auch die Anzahl der benötigten Versuche zu verringern.

Das Experiment Außenstelle ist letztlich also an der Unfähigkeit gescheitert, die Gelder für eine personelle Grundversorgung zu sichern. Der Versuch, dieses Problem mit studentischen Hilfskräften zu lösen, versagte spätestens dann, als sich immer mehr abzeichnete, daß die Studierenden immer weniger in der Lage zu sein schienen, sich dem Studium und einer wissenschaftlichen Hilfskrafttätigkeit voll zu widmen. Viele sind spätestens im Hauptstudium bereits erwerbstätig, haben oft Familie und Kinder, deren Betreuung sie sich mit dem Ehepartner teilen; und - was für das Experiment Außenstelle von besonderer Bedeutung ist - sie sind ortsgebunden und nicht mehr bereit oder in der Lage, sich für eine gewisse Zeit in der Außenstelle nur ihrer Ausbildung zu widmen.

Prof. Preilowski sagte: "Forschung - genauso wie Lernen - ist das Aufspüren von Zusammenhängen, das Herstellen von Beziehungen, und dazu braucht es eine Mindestmenge an kontinuierlicher, intensiver Beschäftigung mit der Materie, sonst wird man nie richtig heiß, und erreicht nicht den kritischen Punkt, an dem man zündet, d.h., an dem man deutlicher sieht, wie man der Antwort auf ein Problem oder eine spezifische Fragestellung näher kommen kann."[2] Hier sah Preilowski auch ein generelleres Defizit in der universitären Ausbildung, denn auch in Tübingen gibt es das Problem, daß Mitarbeiter und Studenten nicht kontinuierlich an einem Problem arbeiten können. Wenn das Studieren und Experimentieren nur zu einer belastenden Nebensache wird, die einen davon abhält, den Lebensunterhalt zu verdienen, man also nur ab und zu in der Woche im Labor auftaucht, fängt man jedes Mal von Neuem an. Die oft beklagten verlängerten Studienzeiten sind eine direkte Folge dieser Problematik. Aber für die Politiker ist es natürlich viel einfacher, das Problem auf die faulen Professoren zu schieben. Und doch sollte jedem klar sein, daß nicht die Vorlesungen für den Erfolg eines Studiums entscheidend sind, sondern das direkt angeleitete möglichst selbständige Arbeiten und Lernen, so wie es zumindest für einige Zeit in der Außenstelle möglich war.

Mittlerweile ist der Umzug nach Tübingen vollbracht. Er wurde allerdings dadurch behindert, dass die als neuer Unterbringungsort vorgesehene umzubauende alte Frauenklinik immer noch als solche funktionierte, und erst drei Jahren zum neuen Psychologischen Institut der Universität wurde. Damit ging es erneut in eine provisorische Unterbringung mit den endsprechenden Raumproblemen. Und daher konnten auch eine Reihe von Einrichtungsgegenständen nicht nach Tübingen umgezogen werden, zumal kein Platz zur Einlagerung vorhanden war.

Quellen