Ammerkanal

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Ammerkanal
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Der Ammerkanal in der Ammergasse - im Dezember 2009

Der Ammerkanal zweigt seit 1493 auf Höhe der Domäne Ammern von der Ammer ab und führt von dort parallel zu dieser an der Schleifmühle, dem Kupferhammer und der Gerstenmühle vorbei beim Haagtor in die Altstadt. Diese durchfließt er in West-Ost-Richtung, um sich dann beim Nonnenhaus zu verzweigen: Ein Arm fließt unter dem Museum nach Nord-Osten in Richtung Ammer, der andere, später künstlich angelegte, Arm nach Süden unter der heutigen Mühlstraße in einem unterirdischen Gang bergab zur Neckarbrücke. Er mündet dort wenige Meter oberhalb der Brücke in den Neckar[1]. Er ist über 4,5 km lang und hat ein Gefälle von ca. 20 m, welches überwiegend auf dem letzten Stück unter der Mühlstraße entsteht.

Aquädukt des Ammerkanals über die Ammertalbahn, im Hintergrund quert die B28

Geschichte

Der heutige Kanalverlauf westlich der Altstadt war nicht der erste. Bereits ab 1175 gab es einen Kanal, der bei Schwärzloch sich erst von der Ammer trennte und dann recht geradlinig auf das Haagtor zu lief. Dieser alte Kanal lief ziemlich genau auf dem heutigen Verlauf durch die Altstadt. Er floss jedoch bis etwa 1450 noch nicht durch die heutige Mühlstraße in den Neckar, sondern bog beim Lustnauer Tor der heutigen Wilhelmstraße folgend zur Ammer zurück, so dass sein Wasser mit dem Ammer-Bach zusammen um den Österberg herum bei Lustnau in den Neckar floss[2]. Dieser letzte Teil ab dem Lustnauer Tor wird heute als Überlauf und Ableitung des Mühlstraßen-Tunnels des Kanals genutzt.

Einer These des Stadtarchivars Udo Rauch zufolge könnte der erste Ammerkanal von 1175 ab der Krummen Brücke mehr in nordöstliche Richtung verlaufen und hinter dem "Rübenloch" an der nördlichen Langen Gasse in die Ammer geflossen sein. Dafür sprechen Hinweise beim Erdaushub für den Bau des Kindergartens Rübenloch (1988). Das wäre auch eine Erklärung für den "diagonalen" Verlauf der Froschgasse. Erst als der Kanal auch als Antrieb der Mühlen am neu gegrabenen bzw. vertieften Einschnitt an der heutigen Mühlstraße gebraucht wurde (1455), erhielt er demnach den heutigen, weiter südlichen Verlauf entlang der Kornhausstraße und der Gasse Beim Nonnenhaus.[3]

Nachdem der Kanal aus Verkehrsgründen jahrzehntelang vor allem entlang der Ammergasse abgedeckt war, wurde er dort erst 1983 mit der Einrichtung der Fußgängerzone wieder geöffnet.

(Zum Kanal siehe auch bei Ammer.)

Der 1910 gebaute Tunnel der Ammertalbahn, der durch den Schlossberg führt, verläuft unterhalb des am Hang entlang fließenden Kanals, der auf einer Brücke (Aquädukt) über die Bahnlinie geleitet wird. Die 1979 erbaute nördliche Einfahrt zum Straßen-Tunnel der B 28, die sich in unmittelbarer Nähe befindet, wurde oberhalb des Kanals angelegt. In beiden Fällen konnte so der Verlauf des Ammerkanals weiterhin bestehen.

Ammerkanal beim Nonnenhaus, alte Zeichnung. Die Häuser links sind nicht mehr vorhanden, heute ist dort der Markt am Nonnenhaus.
Malerisches Alt-Tübingen beim Nonnenhaus, entspricht obiger Zeichnung
Motiv an dem engen Gässchen am Ammerkanal zwischen Froschgasse und Neustadtgasse. Das "Sprachhaus" ist eines von heute nur zwei erhaltenen ehemaligen Aborthäuschen dieser Art. Der Kanal ist auf diesem alten Foto mit Balken abgedeckt.

Aus einer alten Chronik

Karl Klüpfel und Max Eifert berichteten 1849 über die Ableitung des Ammerkanals in den Neckar folgendes:

"Großartiger aber als der Rathhausbau und Zubehör ist ein zweites Unternehmen, das in dieselbe Zeit (1435) fällt, die Ableitung der Ammer in den Neckar. Bis jetzt nemlich hatte die Ammer, die ihre größere Hälfte durch die Stadt ergoß, mit der andern Hälfte aber um die nördliche Stadt floß, und am Fuß des Oesterberges beide Arme wieder vereinigte, ihren Abfluß nur durch das Lustnauer Thal mit sehr geringem Fall und bildete dort häufige Sümpfe und Moräste, bedrohte auch die Stadt selbst durch ihre Schwellung mit Ueberschwemmungen, und durch die stehenden Lachen mit Krankheiten aller Art.
Darum wurde ein näherer Abfluß für sie gesucht, und zu diesem Zweck die Durchgrabung des Oesterbergs, wo er am schmalsten war, hinter dem Bebenhäuser Pfleghof beschlossen. Das Werk muß frühe, schon in den 40er Jahren begonnen worden sein; die Art der Ausführung erforderte wohl auch lange Zeit.
Denn zuerst wurde ein einfacher Stollen durch den Berg von Nord nach Sud getrieben, bei dessen Herstellung nach alten Rechnungen 100 ft. nur für Grubenlichter aufgewendet wurden. In diesen noch ungewölbten Gang soll die Ammer geleitet worden sein, um sich in demselben auszubreiten, und den Schutt gleich selbst hinauszuspülen, wobei man nur durch Grabarbeit nachgeholfen habe. Nach und nach habe sie denn auch den Mergelboden und Sandstein dieser Seite unterwühlt, bis endlich ein völliger Bergsturz die Lücke zwischen Oesterberg und Pfleghof gerissen habe, und nun erst sei in die Tiefe desselben ein gewölbter Kanal gelegt, und der Ammer als regelmäßiger Abfluß angewiesen worden. Diese Darstellung ist etwas abmtheuerlich; auch ist die Zeit der Vollendung des Werks nicht bestimmt bezeichnet; gewiß ist nur, daß es schon im Jahr 1455 soweit vollendet gewesen sein muß, daß die am neuen Kanal aufgestellten Grabenmühlen im Gange waren. Denn in diesem Jahre sichert urkundlich Graf Ulrich V als Vormund Ludwigs II der Stadt in Anerkennung, daß sie den Aufwand „von ihrem eigenen Geld bestritten" die Benützung der Ammer von Schwerzloch bis zu ihrem jetzigen Ausfluß zu, besonders auch den Betrieb der Mühlen, „in dem newen Graben, so sie vor der Stadt gen Oesterberg hinaus gemacht hand;" so daß die Angabe des Crusius, der das Werk ins Jahr 1485 verlegt, nur etwa die letzte Vollendung desselben betreffen könnte. Das Aussehen der untern Neckarseite der Stadt, besonders des Neckarufers, muß sich dadurch sehr geändert haben, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß die ganze Insel zwischen dem Neckar und den Altwassern, die jetzt die Krone und die neu entstandene Vorstadt auf ganzlich weichem Boden trägt, dem damals ausgeschwemmten Schutte ihre Entstehung zu danken hat."[4]

Mühlen

Im Jahr 1291 wurde über mindestens eine schon seit längerem bestehende Mühle der Witwe El. Münzerin berichtet. Eine Mülichsmühle wird 1339 und eine Rainmühle wird 1341 als Eigentum des Sindelfinger Stifts erwähnt.[5]

Vor dem Lustnauer Tor breitete sich unten am Österberg eine Bleiche mit mehreren Gebäuden aus. Auch die Areyenmühle am Österberge scheint 1451 schon dort gestanden zu haben.[6]

Die folgenden Mühlwerke wurden 1867 vom Ammerkanal in Bewegung gesetzt:[7]

1) Die sogenannnte Neckarmühle (frühere Walkmühle) mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang; ihr gegenüber stand

2) Die Neumühle (frühere Pulvermühle) mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang.

3) Die Grabenmühle am Lustnauer Tor mit 6 Mahlgängen und einem Gerbgang.

4) Die Kunstmühle am Haagtor mit 4 Mahlgängen und einem Gerbgang.

5) Die obere Haagtor-Mühle mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang; neben ihr eine Sägmühle.

6) Die Gerstenmühle beim Haagtor mit einem Gerstengang, einer Ölpresse, 8 Gipsstampfen und 2 Hanfreiben.

7) Neben der letztern stand eine Lohmühle.

8) Eine Schleifmühle und mechanische Werkstätte (frühere Pulvermühle) liegt westlich von der Stadt.

9) Oberhalb der letzteren steht der Kupferhammer mit zwei Hämmern.

10) Die obere, 1/8 Stunde westlich von der Stadt gelegene Mühle (frühere Schleifmühle) mit 4 Mahlgängen und einem Gerbgang.

11) Eine Eisen- und Schmiedwarenfabrik.

12) Eine Kunstdüngerfabrik.

Zu einem früheren Zeitpunkt gab es auch weitere Mühlen am Neckar, die erste schon 1272.

Quellen

  1. "Das Tübinger Stadtbild im Wandel", Stadt Tübingen • Kulturamt (1994), S.9-20, ISBN 3-910090-11-7
  2. "Das Tübinger Stadtbild im Wandel", Stadt Tübingen • Kulturamt (1994), S.14, S.16-20, ISBN 3-910090-11-7
  3. Erwähnt von Dr. Helmut Eck auf seiner Führung zur Langen Gasse, Tagblatt-Artikel 14.9.2011
  4. Karl Klüpfel und Max Eifert: Geschichte und Beschreibung der Stadt und Universität Tübingen, Band 1, 1849, Seite 73-74.
  5. Karl Klüpfel und Max Eifert: Geschichte und Beschreibung der Stadt und Universität Tübingen, Band 1, 1849, Seite 37.
  6. Areyenmühle am Österberge in Karl Klüpfel und Max Eifert: Geschichte und Beschreibung der Stadt und Universität Tübingen, Band 1, 1849, Seite 60.
  7. Beschreibung des Oberamts Tübingen von 1867.