Rundbogenstil

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Hauptbahnhof Tübingen (2009)
Synagoge Tübingen (um 1885)

 

Der Rundbogenstil  ist ein Baustil des Historismus, der die Stildiskussion in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts dominierte. 

Dieser Stil wurde neben anderen öffentlichen Gebäuden bei vielen deutschen Bahnhöfen der ersten Generation angewendet (bis ca. 1870),[1] von denen heute nur noch wenige erhalten sind. Er war aber keine Stilrichtung mit "Alleinstellungsmerkmalen", sondern nahm Elemente der byzantinischen, romanischen und Renaissancearchitektur auf und verband sie mit stilneutralen Motiven. Die Abgrenzung zur Neuromanik und Neorenaissance ist nicht eindeutig möglich. 


Beschreibung

Mit der Anlehnung an frühchristliche Vorbilder grenzt sich der Rundbogenstil vom Klassizismus ab, der mit seinem Rückgriff auf die Formensprache der Antike das frühe 19. Jahrhundert beherrscht hatte. Der Rundbogenstil schaffte mit seiner schlichten und streng geordneten Fassadenarchitektur die erste zeitgenössische Antwort auf die Frage nach einem angemessen Baustil seiner Zeit, die gegen Mitte des 19. Jahrhunderts von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen vor dem Hintergrund der aufkeimenden deutschen Nationalbewegung und der beginnenden Industriellen Revolution gestellt wurde. Gegenüber den Säulenordnungen des Klassizismus ermöglichte die Wölbtechnik flexiblere und rationellere Konstruktionen. Damit ist der Rundbogenstil ein frühes Beispiel für den Historismus, der Stilformen als Ausdruck einer bestimmten Bauaufgabe definierte. [2] 

Ein einflussreicher Vertreter und theoretischer Vordenker des Rundbogenstils war unter anderem der Karlsruher Architekt Heinrich Hübsch (1795-1863), der mit seiner 1828 erschienenen Schrift „In welchem Style sollen wir bauen?“ gedankliche Grundlagen für den Rundbogenstil schuf. [3] 

Die Stildiskussion ging auch einher mit der Erkenntnis, dass die "Spitzbogen-Gotik" nicht, wie man seit der italienischen Renaissance bis dahin annahm - noch Goethe vertrat diese Auffassung - , "germanischen" bzw. deutschen, sondern französischen Ursprungs im Spätmittelalter war. Auf der Suche nach einem "deutschen" Baustil verlegte man sich dann mehr auf die "Rundbogen-Romanik" des Hochmittelalters, die in der Stauferzeit  ihre Blütezeit hatte. [4] 


Tübingen

Der Tübinger Hauptbahnhof war 1862 ein Werk des Stuttgarter Oberbaurats Josef Schlierholz. Die Ähnlichkeit der Fassade mit beispielsweise der des Karlsruher Polytechnikums (1835) von Heinrich Hübsch, ein Musterbeispiel für den Rundbogenstil, ist unverkennbar (vgl. Foto unter Artikel in Wikipedia). Hinter den Rundbögen des Erdgeschosses des Tübinger Bahnhofs befand sich ursprünglich ein offener Arkdengang. An der Giebelspitze war eine Uhr. Beim Umbau des Europaplatzes ab Ende 2019 soll auch der Bahnhofsbau wieder besser zur Geltung kommen durch die bereits erfolgte Entfernung des Vordachs von 1960 und voraussichtliche Konstruktion eines  transparenten Glasvorbaus. 

Auch zahlreiche Synagogen im deutschsprachigen Raum wurden im 19. Jahrhundert in Formen gebaut, die dem Rundbogenstil zumindest sehr nahe kommen, ebenso die ehemalige Tübinger Synagoge (1882). In diesem Fall mischten sich neben klassizistischen auch byzantinische und maurische Elemente. Sie wurde 1938 von den Nationalsozialisten zerstört. 


Weitere Bilder

 


Quellen

  1. Aber auch bei verschiedenen Bautypen z.T. in Belgien und in den USA, besonders New York
  2. Rundbogenstil (Wikipedia)
  3. Heinrich Hübsch (Wikipedia)
  4. Claudia Grund: Deutschsprachige Vorlagenwerke des 19. Jahrhunderts zur Neuromanik und Neugotik, Band 8, Wiesbaden 1997, S. 144 ff.