Paul Bonatz

Aus TUEpedia
Wechseln zu:Navigation, Suche
Paul Bonatz
Bonatzbau, im Jubiläumsjahr 2012
Eingang des Bonatzbaus der Unibibliothek Tübingen

Paul Bonatz (* 1877 in Solgen/Solgne, Lothringen , † 1956 in Stuttgart) war ein deutscher Architekt, Hochschullehrer und Brückengestalter. Er zählt neben Paul Schmitthenner zu den Hauptvertretern der "Stuttgarter Schule" und – international gesehen – zu den bedeutendsten Architekten des Traditionalismus.

In Tübingen hinterließ er mit dem Bonatzbau (1910-12) der Universitätsbibliothek sein vielleicht bedeutendstes Frühwerk. Nachdem dieses noch dem Neoklassizismus verpflichtet war, schuf er bald danach mit dem Stuttgarter Hauptbahnhof (1914-27) einen architektonischen Meilenstein zwischen Historismus und Moderne.

Dieses in Stuttgart neuerdings ebenfalls "Bonatzbau" genannte Bauwerk ist spätestens seit 2010 in aller Munde, als mit dem Abriss von Teilen des Bahnhofs für das Projekt "Stuttgart 21" begonnen wurde, das Anlass für heftige Proteste in der Stuttgarter Bevölkerung wurde.

1943-1954 wirkte er in Istanbul und baute als Professor an der Technischen Hochschule u.a. ein Ausstellungsgebäude zur Staatsoper um.


Leben

Paul Bonatz’ Vater war Beamter bäuerlicher Herkunft aus Mecklenburg, seine Mutter Luxemburgerin. Nach dem Abitur im elsässischen Hagenau studierte er an der Technischen Hochschule München zuerst Maschinenbau, nach einem Jahr dann Architektur bis zur bestandenen Diplom-Prüfung im Jahr 1900. Nach seiner Hochzeit 1902 ging Bonatz nach Stuttgart, wo er bis 1905 als Assistent von Theodor Fischer, dann bis 1908 als Lehrbeauftragter und außerordentlicher Professor an der Technischen Hochschule Stuttgart arbeitete. Als Fischer 1908 nach München zurückkehrte, wurde Bonatz als Nachfolger auf dessen Stuttgarter Lehrstuhl berufen, den er bis 1943 behielt. 1906 findet sich sein Name im Mitgliederverzeichnis des Ausstellungskatalogs der 3. Jahresausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Weimar. 1908 wurde Bonatz Mitglied im ein Jahr zuvor gegründeten Deutschen Werkbund.

In einzelnen Fällen, meist bei Wettbewerbsentwürfen, arbeitete Paul Bonatz mit seinem jüngeren Bruder Karl Bonatz (1882–1951) zusammen. Für die Bearbeitung seiner zahlreichen privaten Bauaufträge (neben seiner Lehrtätigkeit) gründete Bonatz 1910 gemeinsam mit seinem Studienfreund Friedrich Eugen Scholer (1874–1949) ein Architekturbüro in Stuttgart („Bonatz und Scholer“); diese Zusammenarbeit endete 1943/1944. Wie groß der Anteil Scholers an den gemeinsamen Projekten war, lässt sich nicht mehr feststellen.

Bonatz war Traditionalist. Er und Paul Schmitthenner vertraten ein handwerkliches Verständnis vom Bauen und lehnten das „Neue Bauen“, moderne Flächennutzungen und Bauverfahren ab. Insbesondere wandte sich Bonatz als Doyen der Stuttgarter Schule der Architektur gegen das Projekt der Weißenhofsiedlung, die der Werkbund seit 1925 in seiner Heimatstadt plante. Im Schwäbischen Merkur schrieb er „Der Plan ist unsachlich, kunstgewerblich und dilettantisch […] In vielfältigen horizontalen Terrassen drängt sich in unwohnlicher Enge eine Häufung von flachen Kuben am Abhang hinauf, eher an eine Vorstadt Jerusalems erinnernd als an Wohnungen für Stuttgart.“

Als die Fraktion um Bonatz im Sommer 1926 in der Vorstandswahl des württembergischen Werkbunds ihre Mehrheit verlor, traten Bonatz und Schmitthenner aus und gründeten 1928 die konservativ orientierte Architektenvereinigung „Der Block“. Dem Block blieb er aber nur bis 1931 verbunden, woraufhin er auch hier austrat. In der Folge entwickelte er ein etwas differenzierteres Urteil bezüglich moderner Entwürfe anhand von Plänen von Otto Bartning.

In der Zeit des Nationalsozialismus war Bonatz künstlerischer Berater von Fritz Todt, bei vielen Entwürfen von Brücken der Reichsautobahnen beteiligt und regelmäßiger Verfasser von Fachbeiträgen in der programmatischen Zeitschrift "Die Strasse". Nach dem Tode Todts machte dessen Nachfolger Albert Speer die Reichsautobahnen zu einem Bestandteil des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition.

Der parteilose Bonatz erhielt 1943 ein Angebot, als Berater im Baubüro für technische Schulen des türkischen Kulturministeriums zu arbeiten. Im September 1943 zog er nach Ankara. Als im August 1944 die bis dahin neutrale Türkei ihre diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abbrach, blieb er in der Türkei und kam trotz Anweisung nicht zurück nach Deutschland, wo weiterhin seine Familie lebte. Von 1946 bis 1954 war er Professor an der İstanbul Teknik Üniversitesi. 1947/1948 war er in den Umbau einer ehemaligen Ausstellungshalle zur Staatsoper von Ankara involviert. 1950 baute er wieder in Deutschland, die Rosenbergbrücke in Heilbronn.

Seit ausländische Architekten in der Türkei nicht mehr ohne einheimische Kooperationspartner bauen durften, kehrte er 1954 endgültig nach Stuttgart zurück. Er war dann noch am Wiederaufbau kriegszerstörter Bauwerke beteiligt, z.B. beim Stuttgarter Kunstgebäude seines Lehrers und Vorgängers Theodor Fischer (1910-13). 1956 starb Bonatz und wurde auf dem Waldfriedhof Stuttgart beerdigt. [1]


Ausstellung

Von 26. März bis 22. Mai 2011 fand in der Tübinger Kunsthalle unter dem Titel: Leben und Bauen zwischen Neckar und Bosporus eine viel beachtete Ausstellung über das Werk von Paul Bonatz statt.


Einer seiner Schüler, Ulrich Reinhardt, erbaute 1955 die Tübinger Martinskirche, die gestalterisch noch unter dem Einfluss der ehemaligen Stuttgarter Schule steht und leitete 1968 den Umbau der Eberhardskirche.


Quellen

  1. Paul Bonatz (Wikipedia), Nachweise, Verzeichnis seiner Werke und weitere Links siehe dort


Weblinks