Hans Herb: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Image:Hansherb.jpg|thumb|400px|Portrait von Hans Herb aus dem Jahr [[2006]] (Foto: [http://www.helene-herb.de/kunstfoto.htm Helene Herb])]]
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[[Image:125jahre2003.jpg|thumb|400px|Jubiläumsfoto 2003: 125 Jahre Drogerie Müller & Co (v.l.n.r.) Hans Herb mit seinem Bruder, dem Drogistengehilfen Helmut Herb, und Karl Nill, ehemaliger Lehrling von Eugen Herb (Foto: [http://www.helene-herb.de Helene Herb])]]
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== Geschichte  ==
== Geschichte  ==


Hans Herb, von Tübingern liebevoll »der lange Hans« genannt, war der Inhaber der ehemaligen Kolonialwarenhandlung und Medizinaldrogerie Müller & Co in der [[Kirchgasse]] 10, unweit von der [[Stiftskirche]] gelegen.
Hans Herb, von Tübingern liebevoll »der lange Hans« genannt, war der Inhaber der ehemaligen Kolonialwarenhandlung und Medizinaldrogerie [[Müller & Co]] in der [[Kirchgasse]] 10, unweit von der [[Stiftskirche]] gelegen.
Der gebürtige Tübinger gehörte in seiner Jugend mit den Architekten [[Wolfgang Oed]] und [[Heinrich Johann Niemeyer|Heinrich Niemeyer]] zu dem Freundeskreis um den schwäbischen Dichter und ehemaligen [[Schwäbisches Tagblatt|Tagblatt]]-Redakteur [[Fritz Holder]]. Niemeyer baute für Herb und seine Familie 1960-1963 in der unteren [[Neckarhalde]] eines seiner ersten, ungewöhnlichen Häuser. 1972 wurde dieses mit dem Aufbau eines Dachgeschosses erweitert. 2009-2011 - bereits einige Monate nach dem Tode Hans Herbs, wurde eine umfangreiche Sanierung des Daches - des Denkmalgeschützten Hauses - sowie auch grundlegende Modernisierungen und  der Umbau des Wohnraumes im Untergeschosses durchgeführt.


Die im Jahre [[1878]] von Otto Kappis gegründete Drogerie in der damals so benannten Neckarstraße 22 (heute [[Neckargasse]]), Ecke [[Clinicumsgasse]] wurde um 1900 von Jakob Müller (1862–1922), genannt Kappis-Müller, erworben. 1900 wurde ihm vom [[Württemberg]]ischen Hof der Titel eines Königlichen Hoflieferanten verliehen.
Der gebürtige Tübinger gehörte in seiner Jugend mit den Architekten [[Wolfgang Oed]] und [[Heinrich Johann Niemeyer|Heinrich Niemeyer]] zu dem Freundeskreis um den schwäbischen Dichter und ehemaligen [[Schwäbisches Tagblatt|Tagblatt]]-Redakteur [[Fritz Holder]]. Niemeyer baute für Herb und seine Familie 1960-1963 in der unteren [[Neckarhalde]] eines seiner ersten, ungewöhnlichen Häuser. [[1972]] erfolgte der Aufbau eines Dachgeschosses. [[2009]]-[[2011|11]], einige Monate nach dem Tode Hans Herbs, erfolgte die umfangreiche Sanierung des Hausdaches, sowie die grundlegende Modernisierung und Sannierung des Gartengeschoss des denkmalgeschützten Wohnhauses.


Im Jahre 1922 übernahm der studierte Chemiker Eugen Roman Herb (1888–1963) – der die Stieftochter Jakob Müllers, Helena Bertha Katharina Herb, geb. Schulden (1900–1990) heiratete – die inzwischen renommierte Drogerie am sogenannten [[Kappiseck]].
Die im Jahre [[1878]] von Otto Kappis gegründete Drogerie in der damals so benannten Neckarstraße 22 (heute [[Neckargasse]]), Ecke [[Clinicumsgasse]] wurde um [[1900]] von Jakob Müller (1862–1922), genannt Kappis-Müller, erworben. 1900 wurde ihm vom [[Württemberg]]ischen Hof der Titel eines Königlichen Hoflieferanten verliehen.
Ab da hieß diese »Drogerie Müller & Co«, Inhaber: Eugen Herb.
Aus der Ehe stammen drei Söhne, 1931 kam der jüngste Sohn, Hans Werner Herb, zur Welt. Seine Ausbildung zum Drogisten machte Hans Herb bei seinem Vater.
Bis zu seinem Tod 1963 führte Eugen Herb die Geschäfte der Drogerie in der Neckargasse.
Noch zu seinen Lebzeiten übergab Eugen Herb seinem jüngsten Sohn Hans das Neckargrundstück Neckarhalde 43, das bis dahin zur Erhohlung, auch seinen botanischen Studien diente (mit auch prachtvoller Rosenzuchten). Dieses Grundstück diente nun als Bauplatz für das vom Tübinger Architekten H. Niemeyer entworfene Wohnhaus.
[[1966]], nach Anteilsabwicklung des Geschäftshauses Neckargasse (dem Gründungsort der Drogerie) und dem ihm von seiner Mutter Helene Herb zu ihrer Lebenszeit übertragenen Erbe, zog Hans Herb mit der Drogerie samt Inventar des Gründungsjahres 1878 (bestehend aus Apothekermöbeln, Glasvitrinen, Originalbehältnissen aus Glas, Keramik und Holz) in das neu erworbene Geschäftshaus Kirchgasse 10 um.<br />
Die Außenfassade des Erdgeschosses Kirchgasse 10 wurde vom Architekten Heinrich Niemeyer [[1965]] umgestaltet, sodass diese, in einem Dreieck unter die ursprüngliche Fassade zurückversetzt, einen Unterstand mit Schaufensterfläche im Eingangsbereich bot (siehe rechts Jubiläumsfoto 2003). Dieser Unterstand wurde ab 1983 an Händler verpachtet. Im EG links, in vier Quadratmetern Ladenfläche, firmierten diverse Imbiss-Anbieter – zuletzt Murat Dogans Döner-Imbiss.<br />


Die kontiunierlichen monatlichen Einnahmen aus Vermietungen und Verpachtung seines Geschäftshauses sicherten den Lebensunterhalt und nur darum konnte die Drogerie trotz großer Umsatzeinbußen erhalten bleiben. Herbs Laden, wegen der Verkaufsstände davor tagsüber kaum mehr einsehbar (siehe Bildergalerie unten), war als Einkaufsort für Drogerieartikel nur noch wenigen Stammkunden bekannt.<br />
Im Jahre [[1922]] übernahm der aus einer Rottweiler Fabrikantenfamilie (Nudelfabrik Bannhäuser & Herb) stammende und studierte Chemiker Eugen Roman Herb ([[1888]][[1963]]) - der die Stieftochter Jakob Müllers, Helena Bertha Katharina Herb, geb. Schulden (1900–[[1990]]) heiratete – die inzwischen renommierte Drogerie am sogenannten [[Kappiseck]].
Die letzten drei Jahrzehnte der Drogerie Müller & Co, bis zu ihrer Schließung 2009 von Hans Herb selbst so benannt – ein Gruschtladen mit Museumsreife, war überfüllt mit Fläschchen, Dosen, Pülverchen, Essenzen und Chemikalien. Hans Herb selbst war ein Original, der alles fand und offenbar auch alles hatte (siehe Weblinks und Bildergalerie). Sie, diese »Tante Emma« einer Drogerie mitten in der Tübinger [[Altstadt]], wurde in Fortführung von ihm selbst eher noch als eine ideelle Tätigkeit empfunden. Sie war so auch stets ein Ort menschlicher Begegnungen, ein Treffpunkt für Gespräche mit dem Drogisten, Menschenfreund und Weltenbummler Hans Herb.
Ab da hieß sie »Drogerie Müller & Co«, Inhaber: Eugen Herb.<br />
Aus der Ehe stammen drei Söhne. 1931 kam der jüngste Sohn Hans Werner Herb zur Welt, der ab [[1954]] bei seinem Vater Eugen in die Lehre zum Drogisten ging.  
Bis zu seinem Tod 1963 führte Eugen Herb die Geschäfte der Drogerie in der Neckargasse 22.
Noch zu seinen Lebzeiten übergab er seinem jüngsten Sohn Hans das Neckargrundstück Neckarhalde 43, das er bis dahin zur Erholung und botanischen Studien nutzte (mit dabei auch prachtvollen, seltenen Rosenzuchten). Das Gartengrundstück direkt am Neckar wurde nun Bauplatz für das vom Tübinger Architekten H. Niemeyer entworfene Wohnhaus.<br />


Seit 1872 bestand die Drogerie als Geschäftsform. Auch dem Drogisten – wie schon dem Apotheker – wurde laut kaiserlicher Verordnung vom 15. März 1872 gestattet, mit Gift- und Heilkräutern zu handeln. Ab den 1960er Jahren wich die Drogerie mehr und mehr dem Geschäftsmodell Drogeriemarkt.
[[1966]], nach Anteilsabwicklung des Geschäftshauses Neckargasse 22 (Gründungsort der Drogerie) und dem ihm von seiner Mutter Helene Herb zu ihrer Lebenszeit übertragenen Erbe, zog Hans Herb mit der Drogerie samt Inventar des Gründungsjahres 1878 (bestehend aus Apothekermöbeln, Glasvitrinen, Originalbehältnissen aus Glas, Keramik und Holz) in das neu erworbene Geschäftshaus Kirchgasse 10 um.
[[1965]] wurde die Außenfassade des Erdgeschosses der Kirchgasse 10 vom Architekten Heinrich Niemeyer umgestaltet, sodass diese, in einem Dreieck unter die ursprüngliche Fassade zurückversetzt, einen Unterstand mit Schaufensterfläche im Eingangsbereich bot (siehe rechts Jubiläumsfoto 2003). Dieser Unterstand wurde ab 1983 an Händler verpachtet. Im EG links, in vier Quadratmetern Ladenfläche, firmierten diverse Imbiss-Anbieter – zuletzt Murat Dogans Döner-Imbiss.<br />
Die kontinuierlichen Einnahmen aus Wohnungsvermietungen und Verpachtung des Imbissstandes in seinem Geschäftshaus Kirchgasse sicherten den Lebensunterhalt – und nur darum konnte die Drogerie trotz großer Umsatzeinbußen erhalten bleiben. Herbs Laden, wegen der Verkaufsstände davor tagsüber kaum mehr einsehbar (siehe Bildergalerie unten), war als Einkaufsort für Drogerieartikel nur noch wenigen Stammkunden bekannt.<br />
Die letzten drei Jahrzehnte der Drogerie Müller & Co, bis zu ihrer Schließung 2009 von Hans Herb selbst so benannt: ein "Gruschtladen mit Museumsreife", war überfüllt mit Fläschchen, Dosen, Pülverchen, Essenzen und Chemikalien. Hans Herb selbst war ein Original, der alles fand und offenbar auch alles hatte (siehe Weblinks und Bildergalerie).
Sie, eine »Tante Emma-Drogerie« mitten in der Tübinger [[Altstadt]] wurde in Fortführung von ihm selbst eher als eine ideelle Tätigkeit empfunden, denn bereits ab 1982 schrieb die Drogerie rein rechnerisch Verlust.
Einzig der alljährliche Verkauf von Feuerwerkskörpern zum Jahreswechsel verschönerte die negativen Jahresbilanzen. Wobei das individuelle Sortiment, das Hans Herb selbst mit umfangreicher Beratung zu Knall- und Leuchteffekten und detaillierten Beschreibungen zum Leuchtbouquet, praktischen Anweisungen zu sicherer Handhabung am Abbrennort meist verschmitzt über die Ladentheke reichte: Ein Fest für jeden Feuerwerkliebhaber!
Das Ladengeschäft unweit des [[Holzmarkt]]s blieb stets auch ein Ort menschlicher Begegnungen und Treffpunkt für Gespräche mit dem Drogisten, Menschenfreund und Weltenbummler Hans Herb.
 
Seit [[1872]] bestand die Drogerie als Geschäftsform. Auch dem Drogisten – wie schon dem Apotheker – wurde laut kaiserlicher Verordnung vom 15. März 1872 gestattet, mit Gift- und Heilkräutern zu handeln. Ab den 1960er Jahren wich die Drogerie mehr und mehr dem Geschäftsmodell Drogeriemarkt.
Das vielfältige Wissen des Drogisten in der Drogen- und Kräuterkunde und der Botanik, das fundierte chemische Wissen, die Kenntnisse der Alchemie – allesamt Grundlagen dieses ehemals anspruchsvollen Ausbildungsberufes – verschwanden bis heute vollständig.
Das vielfältige Wissen des Drogisten in der Drogen- und Kräuterkunde und der Botanik, das fundierte chemische Wissen, die Kenntnisse der Alchemie – allesamt Grundlagen dieses ehemals anspruchsvollen Ausbildungsberufes – verschwanden bis heute vollständig.


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Aus dem Tübinger Stadtbild war Hans Herb, zwischen den prallgefüllten Regalen in seinem Laden sitzend, nicht wegzudenken –
Aus dem Tübinger Stadtbild war Hans Herb, zwischen den prallgefüllten Regalen in seinem Laden sitzend, nicht wegzudenken –
täglich dort noch bis kurz vor seinem Tod anzutreffen. Er verstarb im Februar 2009 mit 77 Jahren an den Folgen seines Herzleidens – kurz nach seinem Bruder Helmut Herb (1929–2008) – der bis 2004 als Drogistengehilfe mit ihm zusammen in einer der letzten und ältesten, traditionellen Drogerien Deutschlands präsent war.  
und täglich dort bis kurz vor seinem Tod anzutreffen. Er verstarb im Februar 2009 mit 77 Jahren an den Folgen seines Herzleidens – kurz nach seinem Bruder Helmut Herb (1929–2008) – der bis 2004 als Drogistengehilfe mit ihm zusammen in einer der letzten und ältesten, traditionellen Drogerien Deutschlands präsent war.  


<small>Text und Recherche: Helene Herb</small>
<small>Text und Recherche: Helene Herb</small>
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Presseartikel: [http://www.tagblatt.de/Nachrichten/Boot-vorm-Kamin-getrocknet-39803.html ''Boot vorm Kamin getrocknet''], [[Schwäbisches Tagblatt]] (18. September 2009)
Presseartikel: [http://www.tagblatt.de/Nachrichten/Boot-vorm-Kamin-getrocknet-39803.html ''Boot vorm Kamin getrocknet''], [[Schwäbisches Tagblatt]] (18. September 2009)
Ein Rückblick auf seinen Freund Hans von [[Helmut Gallus]] (dem ehemaligen Inhaber des Schallplattenladens Opus 1) Februar 2009:
"...auch wenn er meist gegen den Strom schwamm, so grüßte er die ihm entgegen kommenden Menschen dabei stets freundlich."


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== Bildergalerie  ==
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  Bild:Hans Herb im Laden.jpg|Hans Herb im Laden
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  Bild:hherb1.jpg|Hans Herb im Laden (2008)
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  Bild:Drogerie-Müller.jpg|Die Drogerie in der Kirchgasse, Außenansicht [[2009]]  
  Bild:Drogerie-Müller.jpg|Die Drogerie in der Kirchgasse, Außenansicht [[2009]]  
  Bild:Tübingen-Pfingsten (52).JPG|Herbs Wohnhaus [[Neckarhalde]], Detailansicht  
  Bild:Tübingen-Pfingsten (52).JPG|Herbs Wohnhaus [[Neckarhalde]], Detailansicht  
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== Einzelhinweise  ==
== Einzelhinweise  ==

Version vom 20. Oktober 2018, 13:56 Uhr


Portrait von Hans Herb aus dem Jahr 2006 (Foto: Helene Herb)
Jubiläumsfoto 2003: 125 Jahre Drogerie Müller & Co (v.l.n.r.) Hans Herb mit seinem Bruder, dem Drogistengehilfen Helmut Herb, und Karl Nill, ehemaliger Lehrling von Eugen Herb (Foto: Helene Herb)
Hans Herb 1982 vor seiner Drogerie im Gespräch mit einer Frau an der Theke des HotDog Imbiss im selben Haus (Foto: Wolf-Dieter Nill)
Hans Herb vor der Drogerie Müller & Co, 1980 (Foto: privat)

Hans Herb (* 18. Juli 1931 Tübingen, † 20. Februar 2009) war gelernter Drogist und Mitbegründer der Partei Die Grünen in Tübingen.

Geschichte

Hans Herb, von Tübingern liebevoll »der lange Hans« genannt, war der Inhaber der ehemaligen Kolonialwarenhandlung und Medizinaldrogerie Müller & Co in der Kirchgasse 10, unweit von der Stiftskirche gelegen.

Der gebürtige Tübinger gehörte in seiner Jugend mit den Architekten Wolfgang Oed und Heinrich Niemeyer zu dem Freundeskreis um den schwäbischen Dichter und ehemaligen Tagblatt-Redakteur Fritz Holder. Niemeyer baute für Herb und seine Familie 1960-1963 in der unteren Neckarhalde eines seiner ersten, ungewöhnlichen Häuser. 1972 erfolgte der Aufbau eines Dachgeschosses. 2009-11, einige Monate nach dem Tode Hans Herbs, erfolgte die umfangreiche Sanierung des Hausdaches, sowie die grundlegende Modernisierung und Sannierung des Gartengeschoss des denkmalgeschützten Wohnhauses.

Die im Jahre 1878 von Otto Kappis gegründete Drogerie in der damals so benannten Neckarstraße 22 (heute Neckargasse), Ecke Clinicumsgasse wurde um 1900 von Jakob Müller (1862–1922), genannt Kappis-Müller, erworben. 1900 wurde ihm vom Württembergischen Hof der Titel eines Königlichen Hoflieferanten verliehen.

Im Jahre 1922 übernahm der aus einer Rottweiler Fabrikantenfamilie (Nudelfabrik Bannhäuser & Herb) stammende und studierte Chemiker Eugen Roman Herb (18881963) - der die Stieftochter Jakob Müllers, Helena Bertha Katharina Herb, geb. Schulden (1900–1990) heiratete – die inzwischen renommierte Drogerie am sogenannten Kappiseck. Ab da hieß sie »Drogerie Müller & Co«, Inhaber: Eugen Herb.
Aus der Ehe stammen drei Söhne. 1931 kam der jüngste Sohn Hans Werner Herb zur Welt, der ab 1954 bei seinem Vater Eugen in die Lehre zum Drogisten ging. Bis zu seinem Tod 1963 führte Eugen Herb die Geschäfte der Drogerie in der Neckargasse 22. Noch zu seinen Lebzeiten übergab er seinem jüngsten Sohn Hans das Neckargrundstück Neckarhalde 43, das er bis dahin zur Erholung und botanischen Studien nutzte (mit dabei auch prachtvollen, seltenen Rosenzuchten). Das Gartengrundstück direkt am Neckar wurde nun Bauplatz für das vom Tübinger Architekten H. Niemeyer entworfene Wohnhaus.

1966, nach Anteilsabwicklung des Geschäftshauses Neckargasse 22 (Gründungsort der Drogerie) und dem ihm von seiner Mutter Helene Herb zu ihrer Lebenszeit übertragenen Erbe, zog Hans Herb mit der Drogerie samt Inventar des Gründungsjahres 1878 (bestehend aus Apothekermöbeln, Glasvitrinen, Originalbehältnissen aus Glas, Keramik und Holz) in das neu erworbene Geschäftshaus Kirchgasse 10 um. 1965 wurde die Außenfassade des Erdgeschosses der Kirchgasse 10 vom Architekten Heinrich Niemeyer umgestaltet, sodass diese, in einem Dreieck unter die ursprüngliche Fassade zurückversetzt, einen Unterstand mit Schaufensterfläche im Eingangsbereich bot (siehe rechts Jubiläumsfoto 2003). Dieser Unterstand wurde ab 1983 an Händler verpachtet. Im EG links, in vier Quadratmetern Ladenfläche, firmierten diverse Imbiss-Anbieter – zuletzt Murat Dogans Döner-Imbiss.
Die kontinuierlichen Einnahmen aus Wohnungsvermietungen und Verpachtung des Imbissstandes in seinem Geschäftshaus Kirchgasse sicherten den Lebensunterhalt – und nur darum konnte die Drogerie trotz großer Umsatzeinbußen erhalten bleiben. Herbs Laden, wegen der Verkaufsstände davor tagsüber kaum mehr einsehbar (siehe Bildergalerie unten), war als Einkaufsort für Drogerieartikel nur noch wenigen Stammkunden bekannt.
Die letzten drei Jahrzehnte der Drogerie Müller & Co, bis zu ihrer Schließung 2009 von Hans Herb selbst so benannt: ein "Gruschtladen mit Museumsreife", war überfüllt mit Fläschchen, Dosen, Pülverchen, Essenzen und Chemikalien. Hans Herb selbst war ein Original, der alles fand und offenbar auch alles hatte (siehe Weblinks und Bildergalerie). Sie, eine »Tante Emma-Drogerie« mitten in der Tübinger Altstadt wurde in Fortführung von ihm selbst eher als eine ideelle Tätigkeit empfunden, denn bereits ab 1982 schrieb die Drogerie rein rechnerisch Verlust. Einzig der alljährliche Verkauf von Feuerwerkskörpern zum Jahreswechsel verschönerte die negativen Jahresbilanzen. Wobei das individuelle Sortiment, das Hans Herb selbst mit umfangreicher Beratung zu Knall- und Leuchteffekten und detaillierten Beschreibungen zum Leuchtbouquet, praktischen Anweisungen zu sicherer Handhabung am Abbrennort meist verschmitzt über die Ladentheke reichte: Ein Fest für jeden Feuerwerkliebhaber! Das Ladengeschäft unweit des Holzmarkts blieb stets auch ein Ort menschlicher Begegnungen und Treffpunkt für Gespräche mit dem Drogisten, Menschenfreund und Weltenbummler Hans Herb.

Seit 1872 bestand die Drogerie als Geschäftsform. Auch dem Drogisten – wie schon dem Apotheker – wurde laut kaiserlicher Verordnung vom 15. März 1872 gestattet, mit Gift- und Heilkräutern zu handeln. Ab den 1960er Jahren wich die Drogerie mehr und mehr dem Geschäftsmodell Drogeriemarkt. Das vielfältige Wissen des Drogisten in der Drogen- und Kräuterkunde und der Botanik, das fundierte chemische Wissen, die Kenntnisse der Alchemie – allesamt Grundlagen dieses ehemals anspruchsvollen Ausbildungsberufes – verschwanden bis heute vollständig.

Hans Herb war Friedensaktivist und Mitbegründer der Tübinger Grünen. 1979 wurde er in die bundesweit erste, fünfköpfige grüne Kreistagsfraktion gewählt. Zehn Jahre gehörte er dem Gremium an. 2003 war das 125-jährige Gründungsjubiläum der Drogerie Müller & Co.

Aus dem Tübinger Stadtbild war Hans Herb, zwischen den prallgefüllten Regalen in seinem Laden sitzend, nicht wegzudenken – und täglich dort bis kurz vor seinem Tod anzutreffen. Er verstarb im Februar 2009 mit 77 Jahren an den Folgen seines Herzleidens – kurz nach seinem Bruder Helmut Herb (1929–2008) – der bis 2004 als Drogistengehilfe mit ihm zusammen in einer der letzten und ältesten, traditionellen Drogerien Deutschlands präsent war.

Text und Recherche: Helene Herb

Dokumentation

2004 produzierte das SWR-Fernsehen unter dem Titel »Seife, Puder, Mäusetod: Die Geschichte der Drogerie Müller & Co« eine Dokumentation über Hans Herb und seinen Laden.

Abschied vom langen Hans und seiner Drogerie Müller & Co

Am 16. September 2009 gab es in der Drogerie Müller & Co eine Gedenkfeier für Hans Herb mit Gedichten, Geschichten und Musik.

Mitwirkende

Presseartikel: Boot vorm Kamin getrocknet, Schwäbisches Tagblatt (18. September 2009)


Ein Rückblick auf seinen Freund Hans von Helmut Gallus (dem ehemaligen Inhaber des Schallplattenladens Opus 1) Februar 2009: "...auch wenn er meist gegen den Strom schwamm, so grüßte er die ihm entgegen kommenden Menschen dabei stets freundlich."


Bildergalerie

Einzelhinweise

Recherche und Text zur Geschichte: Helene Herb, Klaus Robert Herb
Fotos Bildergalerie: Helene Herb und privat

Weblinks